Читать книгу Was wär das Leben ohne dich? - Lucie Persposti - Страница 9
Kapitel 7
ОглавлениеLucys Sicht
Gerade als sich unsere Lippen berühren, spüre ich, wie mich plötzlich jemand von Nick wegzieht und ich unsanft auf dem Boden lande.
„Was fallt dir eigentlich ein“, brüllt mich Fiona an, „hier einfach mit einem Typen rumzumachen! Du hast doch einen Freund, der dich über alles liebt! Bist du komplett durchgedreht?!“
Völlig perplex stehe ich da und weiss gar nicht, was ich darauf erwidern soll. Ohne zu zögern wendet sich Fiona dann an Nick, der ganz verwirrt da sitzt und mich hilfesuchend anschaut. „Denkst du, es sei irgendwie cool, ein Mädchen zu küssen, das bereits vergeben ist? Wem musst du etwas beweisen?! Das gehört sich einfach nicht!“
Nick antwortet kleinlaut und mit gesenktem Blick: „Ich habe sie gar nicht dazu gebracht. Sie wollte es. Sie hat mir gesagt, dass es mit ihrem Freund aus sei. Ich hab sie extra noch gefragt.“
„Stimmt das?“, fragt mich Fiona ungläubig und macht sich nicht einmal die Mühe, mir beim Aufstehen zu helfen, obwohl sie genau sieht, dass mein Gleichgewicht zu wünschen übrig lässt.
„Er sagt die Wahrheit. Es ist meine Schuld. Ich wollte mich einfach ablenken, denn mit Chris wird es wahrscheinlich nichts mehr“, bestätige ich ihr und vermeide es dabei, ihr in die Augen zu schauen. Ich bereue es, dass ich ihr nicht schon früher von meinen Problemen mit Chris erzählt habe. Aber das lässt sich wohl nicht mehr rückgängig machen.
„Wie bitte? Seit wann das denn? Und weiss Chris auch, dass es zwischen euch aus ist?“, will sie genau wissen.
„Können wir das bitte ein anderes Mal besprechen?“, flehe ich sie an. „Ich hab zu viel getrunken, ich habe schreckliche Kopfschmerzen und ich muss dringend aufs Klo.“ Und ausserdem möchte ich es nicht unbedingt vor Nick besprechen, denn erstens ist das eine private Angelegenheit zwischen Fiona und mir und zweitens habe ich ihn schon in eine unangenehme Situation gebracht, da möchte ich es nicht noch schlimmer machen.
„Nein, ich will es jetzt wissen!“, bestimmt Fiona und schaut mir dabei direkt in die Augen. Ich glaube, ich habe sie in den ganzen acht Jahren unserer Freundschaft noch nie so sauer erlebt. Und ehrlich gesagt hat sie auch Recht. Heute habe ich ziemlich Mist gebaut.
Weil ich weiss, dass ich sowieso keine Chance gegen Fiona habe, erzähle ich ihr von den Problemen die in den letzten Tagen zwischen Chris‘ und mir entstanden sind.
Sie hört mir aufmerksam zu und hakt dann nach: „Und nur weil ihr jetzt plötzlich ein Problem habt, willst du alles wegschmeissen und ihm fremdgehen?“
„Nein“, jammere ich, „so war das nicht geplant! Aber ich glaube einfach, dass der Altersunterschied zwischen Chris und mir zu gross ist, um eine Beziehung zu führen. Er versteht mich nicht mehr und ich verstehe ihn nicht mehr. Das macht so keinen Sinn! Und glaub mir, solche Probleme werden wieder kommen und darauf habe ich keine Lust!“
„Du bist aber eine Dramaqueen!“, meint Fiona mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen und umarmt mich dann endlich. So eine Umarmung war dringend nötig! Nachdem sie mich wieder loslässt, setze ich mich wieder zu Nick auf den Stein, weil ich einfach zu müde zum Stehen bin. Fiona quittiert das mit einem bösen Blick, sagt aber weiter nichts.
Dafür rät sie mir: „Setz dich mit Chris hin und teile ihm deine Ängste mit. Ich bin mir sicher, dass er dich verstehen wird. Und wenn nicht, können wir noch einmal darüber reden. Du kannst noch nicht einfach mit einem Typen rumknutschen, nur weil du mit deinem Freund Streit hast. Sandro und ich diskutieren auch andauernd über irgendwelche Dinge, aber genau diese Diskussionen und Gespräche sind es, die eine Beziehung stärken.“
„Es war doch kein richtiger Kuss! Unsere Lippen haben sich kaum berührt!“, protestiere ich und werfe verlegen einen Blick auf Nick, dem das alles hier ziemlich unangenehm zu sein scheint, aber er traut sich wohl nicht, etwas zu sagen.
„Ein Kuss ist ein Kuss“, erwidert Fiona trocken und verdreht dabei die Augen.
Da ich keine Lust habe, mit meiner besten Freundin zu diskutieren, sage ich nichts mehr und schaue mich ein bisschen um. Während all den Gesprächen und dem Zwischenfall mit Nick, ist es mir völlig entgangen, dass es schon ziemlich dunkel und auch kühl geworden ist. Da ich nach wie vor nur eine kurze Hose und ein Shirt trage, beginne ich zu frösteln und hätte mich am liebsten ein wenig an Nick gekuschelt. Aber ich kann mich gerade noch so zusammenreissen. Ich weiss auch nicht, was heute in mich gefahren ist. Ich frage mich, ob es der Alkohol oder der Streit mit Chris war, der mich in diese für mich untypischen Situationen gebracht hat. Vielleicht war es auch nur meine bescheuerte Logik.
„Wollen wir wieder rein gehen?“, fragt Fiona nach ein paar Minuten.
Ich nicke und auch Nick springt schnell auf und geht uns voran wieder ins Restaurant zurück. Fiona und ich lassen uns noch ein bisschen mehr Zeit. Sobald Nick im Restaurant verschwunden ist, frage ich sie leise: „Soll ich Chris von diesem äh, Zwischenfall mit Nick erzählen?“
Sie überlegt kurz und antwortet: „Ja, ich würde. Wenn eure Beziehung stark genug ist, werdet ihr das gemeinsam durchstehen. Denn wenn du es ihm jetzt verschweigst, wird er es irgendwann rausfinden und dann wäre alles nur noch schlimmer. Ehrlich zu sein ist immer besser als zu lügen.“
Ich nicke und merke, wie sich ein Kloss in meinem Hals bildet. Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal in der Situation sein würde, meinem Freund beichten zu müssen, dass ich einen anderen Typen geküsst habe.
Fiona und ich gehen zurück zum Tisch, wo wir anscheinend nicht vermisst wurden. Ich setze mich hin und trinke gleich noch die letzten Schlucke von meinem mittlerweile lauwarm gewordenen Drink. Nach ein paar Minuten merke ich aber, dass ich nach all dem Drama heute Abend nur nach Hause will.
Aus diesem Grund stupse ich Fiona an und flüstere ihr leise zu: „Ich glaube, ich gehe nach Hause. Ich brauche einfach ein bisschen Zeit zum Nachdenken.“
Sie nickt verständnisvoll und fragt dann nach: „Soll ich dich nach Hause fahren? Ich bin mit Sandros Auto hier.“
Dankend lehne ich ab und erkläre ihr: „Gleich die Strasse runter hat es eine Bushaltestelle. Ich werde schon klar kommen.“
Obwohl es Fiona nicht ganz recht ist stehe ich auf und verlasse das Restaurant, ohne mich von den anderen zu verabschieden. Es macht mich schon ein bisschen traurig, dass ich ihnen nicht einmal mehr Tschüss gesagt habe, nachdem wir uns das letzte Mal gesehen haben. Aber sonst hätten mich alle gefragt was los ist und darauf habe ich einfach keine Lust.
Nachdem ich ein paar Meter gelaufen bin, höre ich, wie sich hinter mir Schritte nähern. Ich drehe mich kurz um und sehe Nick auf mich zu kommen. Ich bleibe stehen und schaue ihn fragend an.
„Ich wollte nur sicher gehen, dass du auch an der Bushaltestelle ankommst“, beantwortet er meine Frage und wir setzen uns in Bewegung. Schweigend gehen wir die letzten Meter bis zur Bushaltestelle, wo wir dann stehen bleiben und ich mich auf dem Fahrplan vergewissere, dass um diese Zeit noch ein Bus fährt. Ich habe Glück.
„Ausserdem“, meint Nick zögerlich, „wollte ich mich noch bei dir entschuldigen für das was passiert ist. Ich hätte dich nicht küssen dürfen.“
Ziemlich perplex schaue ich ihn an und weiss gar nicht, was ich darauf antworten soll. Deswegen denkt er wahrscheinlich, dass ich sauer bin, denn er fügt schnell hinzu: „Ich weiss, es ist keine Entschuldigung, aber vielleicht lag das auch ein bisschen am Alkohol.“
Von dem angeberischen Macho, den er sonst immer raushängen lässt, ist nicht mehr viel übrig. Bevor er sich noch weiter entschuldigt versichere ich ihm schnell: „Nein, es ist überhaupt nicht deine Schuld! Ich war diejenige, die dich küssen wollte. Mir tut es leid, dass ich dich da in meine Probleme mit reingezogen habe und du heute dieses Drama miterleben musstest.“
„Da bin ich erleichtert! Und nein, ist schon gut, du musstest schon genug durchmachen“, erwidert er und lächelt mich schüchtern an.
In diesem Moment sehe ich, wie der Bus kommt und ich verabschiede mich von Nick mit einer Umarmung. Dabei bedanke ich mich noch einmal dafür, dass er mich aufgefangen hat, als mein Kreislauf versagt hat.
Der Bus hält und ich steige schnell ein. Ich lasse mich auf einen Fensterplatz fallen und sehe dabei Nick, der mir grinsend zuwinkt.
Als der Bus losfährt, ziehe ich mein Handy aus meiner Tasche und weiss, was ich jetzt zu tun habe. Das wird wohl die unangenehmste Aufgabe, die ich je erfüllen werden muss. Mit zitternden Fingern tippe ich die Nachricht an Chris:
Hey Chris, ich muss dir etwas gestehen: Heute Abend war ich so sauer auf dich und total frustriert wegen unseren Problemen, dass ich mich ablenken wollte. Dabei habe ich ein bisschen zu viel getrunken und danach habe ich einen Typen geküsst. Ich weiss nicht, wie das passieren konnte! Es tut mir unglaublich leid! Ich hoffe, wir können noch darüber reden, aber wahrscheinlich brauchst du jetzt erst einmal Zeit, um das zu verarbeiten. Es tut mir wirklich leid! Ich liebe dich! Lucy