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Los geht’s Welches Links? Streiten im Auto

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Wenn man nun also endlich die Entscheidung zum Reiseziel getroffen, den Zeitpunkt festgelegt, gepackt und das Auto beladen hat, muss man ja nur noch losfahren. Das Urlaubsgefühl kommt quasi von selbst, gleich wenn man die Heimatstraße verlassen hat. Das weiß man, denn das ist jedes Jahr so. Zumindest, wenn man ein minimal schlechtes Gedächtnis diesbezüglich hat. So wie ich. Ja, die Fakten sprechen für sich. Eine Hutzenlaub’sche Urlaubsreise mit dem Auto ist schließlich eine eindeutige Sache: Holger und ich suchen ein einigermaßen nahe gelegenes und kindertaugliches Reiseziel aus. Das ist seit vielen Jahren ein ganz bestimmter und heiß geliebter Bauernhof in Bayern. Ich bemühe mich, vor dem allgemeinen Aufbruch das Haus in einen Zustand zu bringen, den ich auch bei der Heimkehr erträglich finden werde. Wir suchen Katzensitter, Badeschuhe und das Buch, das Holger endlich zu Ende lesen will, und bereiten Proviant vor, der uns vermutlich bis an den Nordpol sättigt. Und wieder zurück. Wir fahren los, die Kinder schlafen die ganze Fahrt über, wir kommen entspannt an, haben eine prächtige Zeit und kehren erholt und froh wieder nach Hause zurück. So weit, so unrealistisch.

Natürlich schaffen wir die besten Voraussetzungen, weil wir wie immer unzählige Brote belegen, Tee und Eier kochen, Schokolade und Gummibären kaufen (und »Nein, William, es gibt keine Tüten, in denen nur weiße sind!«), Gemüse, Äpfel und Käse schneiden und Servietten, Salz und Getränke dazupacken. All das passt – ebenfalls wie immer – perfekt in diesen kleinen Korb und der wiederum zwischen Holgers und meinen Sitz. Das ist schön, denn mein Job auf allen Reisen ist, ständig in diesem Korb zu kramen und die Familie mit Nahrung zu versorgen, die wir eigentlich nicht brauchen, denn wir fahren maximal drei Stunden und so früh morgens hat normalerweise keiner von uns Hunger. Es sei denn, wir befinden uns im Auto, dann muss man selbstverständlich direkt auf der Autobahnauffahrt mit Essen anfangen, als ob man monatelang gefastet hätte.

»So früh morgens« heißt übrigens: Wir stehen wie immer gegen halb sechs auf, »weil es so schön ist, in den Sonnenaufgang zu reisen«. Das findet zwar nur einer (nämlich Holger). Wir anderen wären gern lieber einigermaßen ausgeschlafen, aber weil die Sonne scheint, wenn Engel reisen, wollen wir nichts von dem kostbaren Tag vergeuden und außerdem können wir so mit unseren Gastgebern zusammen frühstücken, sobald wir den Bauernhof erreicht haben. Nicht dass einer von uns nach dem Monster-Imbiss bis dahin überhaupt Frühstückshunger hätte, aber trotzdem: Das erste Frühstück im Urlaub ist das beste und der eigentliche Ferienbeginn. So weit, so friedlich. Noch hat die entspannte Vorfreude eine Chance. So langsam aber bahnt sich eine verdrängte Erinnerung einen Weg an die Oberfläche meines Bewusstseins. Denn eigentlich ist es doch immer so:

Maria, Lilli, William und Paulina streiten wie jedes Jahr schon beim Beladen des Autos. Bei der Frage nämlich, wer wo im Auto sitzt. Da wir zu sechst sind, haben wir ein Auto mit zwei Rückbänken (und somit sehr viel Streitpotenzial). Ganz hinten will niemand sitzen, denn da ruckelt und holpert es immer so.

»Heute schon genickt?«, fragt Paulina ungefähr zwanzigmal, wenn sie da sitzt, weil Holger immer so dicht auffährt und dann plötzlich brem… Schon gut, schon gut, ich habe nichts gesagt! Er fährt natürlich spitze. Keine Frage. Noch ein Brot, Schatz? Ich bin ja friedlich. Ich will ja einen schönen Urlaub haben. Und ich kann mich ja anpassen. Weghören kann ich leider nicht und die Auseinandersetzungen gehen weiter.

Dass Paulina trotzdem nicht hinten sitzen kann, ist sowieso klar, denn da wird ihr schlecht. Maria wird nicht schlecht, aber ihr ist es da hinten zu eng und Lilli macht sich immer so breit. William will da sitzen, wo Lilli sitzt. Warum, weiß kein Mensch, bis Lilli sagt, dass sie freiwillig nach hinten geht. Sobald irgendjemand in unserer Familie etwas freiwillig tut, muss es gut sein – und dann wollen es plötzlich alle. Bis auf Paulina. Die will immer noch nicht nach hinten und auch auf keinen Fall neben William, weil der ihr immer die Füße ins Gesicht streckt (wie auch immer er das macht).

Lilli sagt, ihr ist es egal, wo sie sitzt, solange sie das iPad kriegt, das sie sowieso schon heimlich in ihre Tasche gepackt hat. Jetzt wissen wir auch, warum William ihre Gesellschaft plötzlich so attraktiv findet.

Zu unseren Kindern, dem Proviant und dem Gepäck kommen übrigens noch die Kopfkissen von jedem der vier dazu, denn für jede Fahrt muss eigens ein Lager gebaut werden, das wiederum auf keinen Fall von anderen berührt werden darf. Schwierig, denn dies hier ist immer noch ein Auto und nicht etwa die MIR auf ihrem Weg ins All – wobei ich just in diesem Moment die Kinder sehr gern dorthin geschickt hätte. Oder überhaupt auf den Mond. Allein. Der mangelnde Raum hindert sie nicht daran, »trotzdem ein wenig Privatsphäre« einzufordern. Im Bus. Für drei bis vier Stunden Fahrt. Bis Lilli, Maria, William und Paulina sich eingerichtet haben, krakeelt jeder mindestens zwölfmal »Grenze!«, »Der hat mir …!« und »Die hat mich …!«, während wir Eltern versuchen, die Streithähne so weit unter Kontrolle zu bringen, dass keine Schuhe, Bücher oder Kuscheltiere durch den Fond fliegen und eine sichere Fahrt möglich ist. Ähm. Und wir endlich Zeit für unsere eigenen Auseinandersetzungen haben. Ja, die Voraussetzungen sind perfekt. Immerhin findet Holger nach ein paar Jahren auf diesem Bauernhof den Weg, auch ohne sich ein einziges Mal zu verfahren. Das heißt, es gibt eigentlich überhaupt keinen Grund zu streiten. Aber es gibt ja noch die Auseinandersetzungsmöglichkeiten wegen der besseren Route/Ausfahrt/Fahrweise/Teezubereitung. Ich hatte wirklich vergessen, wie flexibel wir sind. Also, bezüglich der potenziellen Streitthemen.

Jetzt ist es leider auch nicht mehr halb sechs, sondern circa sieben Uhr und das mit dem Sonnenaufgang hinfällig. Außerdem schüttet es wie aus Kübeln (so viel zum Thema »Engel« und »Reisen«).

Wir hätten uns ja auch die Wettervorhersage anhören können, dann hätten wir gewusst, dass das Wetter bescheiden wird, hätten supergut ausschlafen können, und …

Ach ja, endlich ein Grund zu erörtern, wer auf diese blöde Frühaufsteher-Idee gekommen ist und keine Ahnung von der positiven Auswirkung von ausreichend Schlaf auf Kinder und Frauen hat und warum eigentlich immer Holger fährt. Dabei frage ich mich, ob es nicht ein Feriencamp für Mütter und Ehefrauen gibt. Anreise? Möglich nur mit der Bahn und ohne Begleitung. Ein wenig Gedächtnistraining im Animationsprogramm dort wäre auch sehr nett.

Natürlich streiten wir nicht immer und durchgehend. Das geht ja gar nicht. Das will ja auch keiner. Was wir aber immer und unbedingt wollen, ist singen. Und wie in vielen Familien gibt es auch bei uns CDs, die wir immer hören können. Da sind wir uns sehr einig. Und wenn wir angekommen sind, heißt es oft:

»Das war doch echt wieder mal eine superlustige Fahrt.« Hm. Ich glaube, ich bin nicht die Einzige mit Gedächtnisstörungen. Aber wenn sie sich so äußern, ist das vielleicht gar nicht mal so übel, oder?

Autoplaylist, auf die wir uns immer einigen können

Für alle Zeiten unsere Lieblingskinderhörbücher:

Lilli: Rolfs Vogelhochzeit von Rolf Zuckowski (Universal Music), ab 0 Jahren

Paulina: Ein Fest für König Gugubo: Eine kleine Urgeschichte mit Höhlensongs von Die Füenf (Gugubo-Verlag), ab 3 Jahren

Maria: Schnipp, Schnapp, Schnorum von Silke Leffler und Frank Helfrich (Betz), ab 3 Jahren

Lucinde: Der kleine Tag von Rolf Zuckowski (Universal Music), ab 5 Jahren

William: CD Wissen Junior, Tatort Geschichte (verschiedene Fälle, zum Beispiel Verschwörung gegen Hannibal oder Spurensuche am Nil) oder Tatort Erde (zum Beispiel Flucht durch Tokio) (audio media Verlag GmbH), ab 10 Jahren

Holger: Alles!

Und Musik:

The Passenger von Iggy Pop

Let’s Go Crazy von Prince & The Revolution

Where The Streets Have No Name von U2

A Little Party Never Killed Nobody von Fergie feat. Q-Tip & Goonrock

Pockets Full Of Kryptonite von Spin Doctors

Highway To Hell von AC/DC

Don’t Let Me Be Misunderstood von Santa Esmeralda

Summertime von Ella Fitzgerald

Hallelujah von Leonard Cohen

Boat On The River von Styx

Summer In The City von The Lovin’ Spoonful

Holiday von DJ Antoine feat. Akon

I Want It All von Queen

What A Wonderful World von Louis Armstrong

Around the World von Daft Punk

I Love It von Icona Pop

Freedom von Pharell Williams

Uptown Funk von Mark Ronson feat. Bruno Mars

Drunk In The Morning von Lukas Graham

Are You With Me von Lost Frequencies

Wolke 4 von Philipp Dittberner & Marv

Action von Jan Delay

Anywhere von Passenger

Bad Ideas von Alle Farben

American Boy von Estelle feat. Kanye West

These Boots Are Made For Walkin’ von Nancy Sinatra

Let Her Go von Passenger

Whiskey In The Jar von Dubliners

Leaving On A Jet Plane von John Denver

Home von Edward Sharpe and the Magnetic Zeros

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