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Ich packe meinen Koffer Frohmaching – Glücksgefühle beim Packen

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Kennen Sie Frohmaching? Nein? Kein Wunder. Frohmaching ist auch auf keiner Landkarte verzeichnet. Es ist schließlich kein Ort, den man mithilfe von Koordinaten, Breitengraden oder einem Navi finden könnte (noch nicht einmal mit Holgers!). Es ist mehr so eine Gegend. Eine Gegend, die, wie der Name schon sagt, froh macht. Eine Gegend zwischen Truchtlaching, Sondermoning, Zorneding, Obing und, ja, sogar Tittmoning. Manche Menschen finden besagten Platz aber auch oben an der Nordsee, im Allgäu oder in der Eifel. Die meisten Menschen haben ein eigenes. Und wenn nicht, sollten sie sich schleunigst eines erreisen.

Unser persönliches Frohmaching beginnt gleich hinter München, nämlich genau dort, wo man auf der Autobahn Richtung Salzburg plötzlich am Horizont die schneebedeckten Berge sieht. Wir haben da so einen Hutzenlaub’schen Wettbewerb: Wer zuerst die Berge sieht, hat gewonnen und bekommt wahlweise ein Bier oder ein Eis. Ich brauche weder noch, denn ich bin sowieso ein Gewinner. Mein Herz wird leicht, mein Kopf wird leer und der Urlaub beginnt.

Am besten fährt man gleich in Wasserburg raus und dann immer weiter, bis man endlich ganz in Frohmaching angekommen ist. Der erste Biergarten an der Hauptstraße ist ein Meilenstein, der Zwiebelturm sowieso und die blau-weißen Rautenfahnen an jeder Ecke weisen den richtigen Weg wie der rote Teppich bei der Oscarverleihung.

Es gibt magische Plätze. Sehnsuchtsplätze. Orte, an die ich immer schon einmal reisen wollte und die meistens viele Flugstunden weit weg sind. Weit weg von meinem Alltag, von meinen Pflichten und allem Vertrauten. Sie sind verheißungsvoll, weil unbekannt und abenteuerlich (zumindest in meiner Fantasie), und es gibt viele exotische Dinge zu essen. Asien. Afrika. Aserbaidschan. Letzteres kenne ich nur vom Eurovision Song Contest.

Frohmaching ist nicht exotisch. Es zeichnet sich vielmehr dadurch aus, dass es genau das Gegenteil davon ist (es sei denn, man ist zum Beispiel Japaner). Frohmaching ist nämlich mehr als vertraut und das seit beinahe zwanzig Jahren.

Ich weiß, was ich für eine Reise dorthin einpacken muss. Ich weiß, was mich erwartet (und auch wer). Ich weiß, wie jede Kuh, jeder Hund, jede Katze und auch jeder andere Gast hier heißt. Ich weiß, wie es riecht, wie es dort aussieht und dass es schön wird, selbst wenn es regnet. Ich muss dort nichts erkunden, denn ich kenne alles schon. Es gibt dort kein anständiges Telefonnetz (und überhaupt wenig Telefone – die Nummern der Festnetzanschlüsse sind dreistellig!) und um ins Internet zu kommen, brauche ich einen Code. Aber das ist mir viel zu anstrengend und überhaupt, warum sollte ich? WhatsApp-Nachrichten braucht von hier aus kein Mensch, denn ich habe alles schon tausendmal fotografiert und geteilt. Ich will eigentlich auch gar nichts teilen. Ich will alles für mich. Das ganze große entspannte Nichts. Alles meins.

Meine Gummistiefel haben noch den Dreck vom letzten Jahr im Kuhstall dort unter den Sohlen, mein Regenschirm steckt noch so im Schirmständer, wie ich ihn praktischerweise letztes Jahr dort vergessen habe, und alles andere, was ebenfalls aus Versehen dort geblieben ist, hängt in einer Tüte hinter der Eingangstüre unserer Ferienwohnung. Dass wir etwas liegen lassen, versteht sich von selbst. Kein Urlaub ohne Liebespfand. DVDs, Schulsachen, Klamotten – es ist schon einiges dort geblieben. Im Gegenzug nehmen wir dafür gern den Schlüssel unserer Ferienwohnung mit nach Hause. Das hat sich erst gebessert, seitdem die Schlüsselanhänger ungefähr einen Quadratmeter groß sind und Thomas, unser Gastgeber, noch mal unsere Taschen kontrolliert, bevor wir gehen. Ich hätte dort gern einen Spind. Es würde sich wirklich lohnen. Ein Teil meines Herzens bleibt aber auch ohne dort.

Maria war mit Thomas schon auf dem Feld, da war sie noch keine sechs Monate alt und konnte gerade krabbeln. Er war damals 16. Und prägte fortan ihr Männerbild.

Wir packen, was man für Frohmaching halt so braucht: ein paar Klamotten für Badewetter, ein paar Klamotten für Regenwetter, dementsprechende Schuhe, viele Bücher, Zeitschriften und ganz vielleicht auch noch etwas zu lesen. Haha.

Maria ist optimistisch. Die Regensachen lässt sie grundsätzlich zu Hause und nimmt nur Badeklamotten mit. Nach einigem Zögern ringt sie sich allerdings dieses Jahr immerhin dazu durch, auch noch die englische Schullektüre in ihre winzige Sporttasche zu werfen. Dieses knapp dreihundert Seiten lange Buch hätte sie allerdings schon bis vor den Ferien gelesen haben sollen. Auf Englisch. Sie ist bei unserer Abfahrt bereits beim Entziffern des Vorworts. Wie ich schon sagte, Maria ist Optimistin.

William packt grundsätzlich gar nichts ein. Er lässt packen. Und in unbeobachteten Momenten räumt er alles, was er für überflüssig hält, wieder aus und ersetzt es durch dem Reiseziel angepasste Notwendigkeiten. Für Frohmaching sind das Angelköder und was man eben für sein liebstes Hobby sonst noch so braucht. Mais in Dosen. Schnüre. Taschenmesser. Seitdem ich einmal seinen Rucksack mit einem herausragenden Angelhaken nachhaltig an meinem Daumen fixiert habe, bin ich mit Williams Gepäck äußerst vorsichtig und stecke prophylaktisch ein zweites Set Klamotten mit in meine Tasche.

Holger wirft irgendwann unbemerkt ein paar Sachen in eine Tasche, hat noch tonnenweise Platz darin und außerdem immer noch ausreichend Zeit dafür, sich und mich laut zu fragen, warum ich eigentlich immer so einen Stress machen muss, wenn wir in den Urlaub fahren. Schließlich fängt der ja bekanntlich schon beim Packen an. Ganz genau. Guter Witz.

Während ich mich noch wundere, wie er mit so wenig Kleidungsstücken über die Runden kommen will, muss ich mir im Urlaub sehr zuverlässig und ziemlich gleich das erste Paar Socken bei ihm borgen, weil meine verschwunden/vergessen/nass oder in der falschen Farbe sind. Wie er das macht? Ich habe keine Ahnung. Vermutlich denkt er sich irgendetwas dabei und stimmt seine Garderobe aufeinander ab. Ich schaufele meine Regalbretter leer und hoffe, dass alles drin ist, was ich brauche, und der Reißverschluss nicht platzt, während ich auf der Tasche sitze. Gedanklich bin ich nämlich gleichzeitig schon beim Einpacken der Nahrungsmittel, der Versorgung der Katze in unserer Abwesenheit, der Frage, ob die Erste-Hilfe-Tasche noch vollständig ist und ob man wohl vielleicht doch noch eine Zeckenzange besorgen sollte, weil die alte nicht auffindbar ist, und oh, thinking about it, ob ich eigentlich die dritte Zeckenimpfung bei den Kindern … Na ja, das Übliche eben. Nichts Besonderes. Urlaub beginnt beim Packen? Ha. Haha. Hahaha. Und im Kopf womöglich auch.

Lilli ist dafür packtechnisch sehr entspannt. Wenn sie sich auf einen Urlaub vorbereitet, dann tut sie das gründlich. Sie beginnt damit, sich die Nägel in einer zum Urlaub passenden Farbe umzulackieren. Zu Bayern passt anscheinend Pink am besten. Oder doch lieber Blau? Metallic? Egal, sie hat ja Zeit. Sie sortiert ihre Ladekabel und räumt ihr Zimmer um. Sie trifft sich mit all ihren Freunden auf unserem Balkon, wo sie laut Musik hört und ihr Leben chillt, denn man weiß ja nie, wann man sich wiedersieht, und nur weil die Mutter nahe am Rande eines Nervenzusammenbruchs alle Gepäckstücke befüllt, noch mal die kompletten Familienklamotten wäscht und sich dabei fragt, wie es passieren kann, dass man kurz vor einem Urlaub noch mal so viel Dreckwäsche produzieren kann, heißt das ja noch lange nicht, dass man nicht trotzdem nebenher Spaß haben kann. Als Kind. Ihr Unterstützungsangebot besteht darin, mir vorzuschlagen, einen Kuchen zu backen.

Äh, was? Den kann man ja dann mitnehmen oder gleich essen, ganz egal, und das Chaos in der Küche (»Welches Chaos, Mama?«) räumt sie natürlich selbstredend wieder weg. Tippitoppi. Versprochen. Großes Lilli-Chilli-Ehrenwort.

Das Ende vom Lied ist, dass ich Nein sage und sie trotzdem einen Kuchen backt. Nur eben eine Backmischung. Der totale Kompromiss. Das ist Lilli-Logik. Das Chaos räumt sie tatsächlich wieder weg, aber nur das, was noch in die Spülmaschine passt. Die war davor aber schon gelaufen und enthält nun neben den von Lilli reingequetschten teigverklebten Utensilien auch all das saubere Geschirr, das jetzt großflächig Marmorschlieren aufweist. Das Kind ist hingegen eingeschnappt, denn dass die Spülmaschine gelaufen ist, hätte man ihr ja auch sagen können. Klar. Vom Kuchen bekomme ich nichts ab. Den essen die Balkonfreunde.

Ich will schlafen. Schnaps trinken. Und ich fahre nie wieder in den Urlaub, das ist gewiss. Die machen mich alle wahnsinnig. Dabei sind wir noch nicht einmal losgefahren!

Packliste … für den Koffer

Pass/Personalausweis

Impfpasskopie

Krankenversichertenkarte

Bank-/Kreditkarte

Unterwäsche

Socken

T-Shirts

Shirts

kurze und lange Hosen

Sweatshirt

Jacke

Regenbekleidung

warmer Pulli/Fleece

Mütze/Kappe/Hut

Schlafanzug

Sportschuhe/Wanderschuhe

schöne Schuhe

Flipflops

Gummistiefel

kleines Kissen

Zahnbürste

Zahnpasta

Bürste

Nagelschere/Feile

Gesichtscreme

Shampoo

Kulturbeutel (warum heißt das Ding eigentlich so?)

Handtücher

Badesachen

Insektenschutz

Sonnenschutz

Deo

Taschenlampe

Schreibsachen

Näh-/Flickzeug

Sonnenbrille

Spiele

Oropax

Adapter/Ladekabel

Fotoapparat plus Speicherkarte und Akku

… für den Lesehunger

Was, abgesehen von Oropax, auch in keiner Reisetasche fehlen darf, sind natürlich Bücher. Hier eine kleine Auswahl der Lieblingsreisebücher meiner Familie, meiner Freunde und meiner Lieblingsautorenkollegen:

Holger: Small World von Martin Suter (Diogenes)

Lucinde: Ein Mann namens Ove von Frederik Backmann (Fischer)

Paulina: Schneemann von Jo Nesbø (Ullstein)

Maria: Weil ich Layken liebe von Colleen Hoover (dtv)

Lilli: Eine Tüte grüner Wind von Gesine Schulz (Carlsen)

William: Seeland von Anna Ruhe (Arena)

Tita: Früh am Morgen beginnt die Nacht von Wally Lamb (List)

Nick: Eragon von Christopher Paolini (Blanvalet)

Dagmar: Die Interessanten von Meg Wolitzer (Dumont)

Jutta: Das Rosie-Projekt von Graeme Simsion (Fischer)

Sigrid: Fräulein Smillas Gespür für Schnee von Peter Hoeg (rororo)

Trixi: Die sieben Schwestern von Lucinda Riley (Goldmann)

Heike Abidi, Autorin von Plötzlich 13: Mordsgouda: als Deutsche unter Holländern von Annette Birschel (Ullstein)

Haroon Gordon, Autor von Palast aus Staub und Sand: Der Name der Rose von Umberto Eco (dtv)

Anja Koeseling, Literaturagentin: Die besondere Traurigkeit von Zitronenkuchen von Aimee Bender (Berlin Verlag)

Uwe Laub, Autor von Blow Out: Moby Dick von Hermann Melville (Ullstein)

Anka Malterer, Bloggerin auf Ankas Geblubber: Der Tag, an dem Lotto-Klara in mein Taxi stieg von Florian Herb (Ullstein)

Anneke Mohn, Autorin von Unter einem Dach: Die geheime Geschichte von Donna Tartt (Goldmann)

Claudia Pietschmann, Autorin von GoodDreams: Gottes Werk und Teufels Beitrag von John Irving (Diogenes)

Luis Sellano, Autor von Portugiesisches Erbe: Im Rausch der Stille von Albert Sanchez Pinol (Fischer)

Thomas Thiemeyer, Autor von Evolution: Die drei Sonnen von Cixin Liu (Heyne)

Rainer Weckwerth, Autor von Camp 21: Palast des Windes von Carlos Ruiz Zafòn (Fischer)

Auf www.handlungsreisen.de kann man sich übrigens Lesestoff auf einer Karte heraussuchen – thematisch passend zum Reiseziel.

… für das Display

Tripadvisor: Vergleichsportal mit Preisen, Bewertungen und Buchungsmöglichkeiten für Flüge, Unterkünfte und Restaurants.

Tripwolf: Karten (auch offline, teilweise kostenpflichtig), Reiseplaner, inklusive Hotspots und Co.

Packthebag: Eine eigene Packliste erstellen oder eine von der Liste übernehmen. Hier gibt es für alles eine Liste zum Abhaken: Camping, Fahrrad, Festival, Geschäftsreise, Reisen mit dem Haustier und noch viele andere.

Yelp: Egal, ob Lieferservice, Restaurants in der Nähe, Friseur oder Nightlife, Drogerien, Tankstellen – Yelp findet alles in der Nähe und liefert gleich auch noch die Bewertungen dazu. Auch für die Heimatstadt sehr interessant.

WiFi Finder: Wie der Name schon sagt: Findet einen WiFi-Hotspot und zeigt auch gleich die Qualität an.

Ulmon (Citymaps2go): Offline-Karten mit tollen Tipps. Zwei Karten sind kostenfrei, danach ist ein Upgrade erforderlich.

Geozilla: Wer mit mehreren Familienmitgliedern reist, kann mit dieser App dafür sorgen, dass man sich wiederfindet. Dazu muss sich allerdings jeder registrieren. Hat ein bisschen was von der »Karte des Rumtreibers« (aus Harry Potter) und wir brauchten es bisher nicht wirklich. Im Urlaub. Zu Hause fände ich es tatsächlich äußerst praktisch zu wissen, wo sich meine Kinder befinden. »Im Leben nicht, Mama!«, sagen sie und sind sich einig. Gut. Es war ein Versuch. Ein sehr kurzer.

Googletrips: Reisedaten, Fakten zum Aufenthaltsort, alles auch offline verfügbar. Wirklich praktisch. Leider bisher nur auf Englisch erhältlich.

Toiletfinder: Während ich hier an meinem Schreibtisch sitze, weiß ich jetzt endlich, dass die nächste öffentliche Toilette genau 783 Meter entfernt und auf dem Friedhof zu finden ist. Praktisch, wenn hier mal wieder alles besetzt ist. Und unterwegs natürlich sowieso.

Google-Übersetzer: Funktioniert – ist aber auch schnell überfordert. Dann ist das Ergebnis dafür aber meist sehr lustig.

Wikitude: Zeigt Sehenswürdigkeiten, Umgebungsinformationen und Bewertungen, allerdings ist Wikitude nicht offline verfügbar und bisher nur auf Englisch erhältlich.

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