Читать книгу Ruhe auf den billigen Plätzen! - Lucinde Hutzenlaub - Страница 9

Es ist vollbracht: Alle Koffer, Taschen, Kisten und vor allem der komplette Kofferraum sind gefüllt. Wir müssen also nur noch los. Wenn wir zu sechst in den Urlaub fahren, ist es oft chaotisch, dauert länger als geplant und läuft niemals so unkompliziert ab, wie wir uns das vorher vorstellen. Leider besitzen wir auch nicht die Fähigkeit, aus vorangegangenen Urlauben zu lernen. Das ist schade. Aber es hilft ja nichts. Dass es dem Chaos allerdings auch egal ist, wenn man mit weniger Menschen unterwegs ist, habe ich neulich erfahren dürfen, als ich mit meiner Mutter spontan zu einem Kurzurlaub in ein Wellnesshotel aufbrach. Wir waren nur zu zweit. Das Gepäck also übersichtlich. Und dennoch: Als wir eingecheckt hatten und ich die Koffer aus dem Wagen holen wollte, um sie in unser Zimmer zu bringen, stellte ich fest: Es war nur einer drin! Einer fehlte. Und zwar der meiner Mutter. Er fehlte auch nicht ohne Grund, denn »normalerweise packt dein Vater immer das Auto«, sagte sie und fühlte sich in ihrer Gepäcklosigkeit mit dieser Aussage auch ausreichend gerechtfertigt. Der fehlende Koffer kümmerte sie sowieso wenig, denn alles, was fehlte, ließ sich problemlos ersetzen: Sie borgte sich an der Rezeption eine Zahnbürste, von mir ein Schlafshirt, verbrachte die zwei Wellnesstage ausschließlich im Bademantel und behauptete hinterher, sie hätte sich noch nie so gut erholt. Flexibel ist sie, das muss man ihr lassen. Und ich erst – das »Schlafshirt« war mal ausnahmsweise nicht von H&M, sondern von Jil Sander und Teil meiner aufeinander abgestimmten Abendgarderobe.

Was bei einem zweitägigen Wellnessurlaub und zwei einigermaßen gleich großen Frauen funktioniert, wird ein wenig komplizierter beim gepäcklosen Oster-Skifahren mit der ganzen Familie. Da hätten wir vor der Ankunft im Hotel an einem wunderschönen Samstagnachmittag theoretisch erst einmal Unterhosen, Socken, einem Restaurant angemessene Ober- und Unterbekleidung, Jogging- und Badehose und Sweatshirt für William shoppen gehen müssen, denn Holger und ich hatten zwar jeder sein eigenes Gepäck ins Auto gebracht, aber auch fest damit gerechnet, dass der jeweils andere auch das von William mitgebracht hatte. Und bei so vielen Taschen kann man ja schon mal den Überblick verlieren, nicht wahr? Als Kofferraum bestückender Mann, meine ich. Hätte ich den Kofferraum … aber mein Mann hat da ein ähnlich ausgefeiltes System wie beim Spülmaschine-Einräumen und da kommt man ihm besser nicht in die Quere. Er weiß nämlich, wie es geht. Gut, dass dann ein Gepäckstück einsam und allein im Kinderzimmer steht und auf unsere Rückkehr wartet, ist nur ein unwichtiger Nebeneffekt, aber dafür hat man es ja dann beim Wiedereinräumen gut, da ist ja alles gewaschen, sauber und schon vor Ort. Ich liebe gute Argumente.

Wenn nicht schon alle Läden geschlossen gewesen wären und nicht vor Dienstag wieder zu öffnen gedachten – schließlich war Ostern. Glücklicherweise waren wenigstens die Skiklamotten in einer extra Tasche – und im Auto. Während William also tagsüber etwas anzuziehen hatte, trug er abends sehr lange, gemusterte Leggins von Lilli und ein Glitzersweatshirt. Ich schämte mich sehr. Ihm gefiel es. Außerdem kam es seiner persönlich bevorzugten Sparsamkeitsmethode sehr entgegen, dass er nur wenige Klamotten zur Auswahl hatte, denn mein Sohn trägt grundsätzlich seine Sachen sowieso am liebsten »William Style«. Etikett vorn und Inneres nach außen. Dennoch.

Man sollte sich einfach nicht darauf verlassen, dass Männer durchzählen oder nachprüfen, ob da noch was in der Diele steht (vor allem nicht, wenn sie gar nicht mit dabei sind!). Nein, es gilt grundsätzlich: Man sollte niemals davon ausgehen, dass der andere schon an alles gedacht hat. Schon gleich gar nicht, wenn es sich dabei um ein männliches Wesen handelt. Denn die Männermethode ist ebenso einfach wie riskant: Das Auto ist voll? Dann muss ja alles drin sein. So lange der Proviantkorb an Ort und Stelle steht, die Kinder im Auto sitzen und der Kofferraum sich nur noch mühsam schließen lässt, ist alles gut. Ach, oh, diese Handtasche im Flur sollte auch noch mit? Da war doch gar nichts Wichtiges drin, oder?

Die haben ja gar keine Ahnung! Denn: Äh. Doch. In Handtaschen sind ausschließlich wichtige Dinge! In der akut im Flur vergessenen zum Beispiel Dinge wie meine Geldbörse, mein Handy, meine Schlüssel, mein Pass, mein Lippenstift, mein Kalender, Taschentücher, Kaugummis, Ladekabel, Pflaster, ein kleiner Spiegel und noch viel mehr, kurz: Mein ganzes Leben befindet sich darin. Diese Tasche ist wichtiger als alles, was im Kofferraum steckt. »Schon klar«, sagt mein Mann, »aber warum nimmst du denn das alles mit?«

Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt dafür, sich in die Wolle zu kriegen. Das können wir prima. Nicht weil wir uns so gern streiten, sondern einfach weil die Aufregung vor Reisen offensichtlich auch bei Menschen erhöht ist, die oft unterwegs sind. Deshalb gibt es jetzt und hier die ultimative Abhakliste von Dingen, die unbedingt erledigt sein sollten, wenn man sich nicht spätestens bei Kilometer zehn auf der Autobahn streiten oder/und noch mal umdrehen will, um zu überprüfen, ob man auch wirklich jedes Gepäckstück eingepackt oder die Haustür abgeschlossen hat.

Und das hast du doch, oder? Holger?

Oder? Holger?!

Die ultimative Urlaubsbeginn-Antistreit-Checkliste

Haustüre abgeschlossen

alle Fenster zu

Waschmaschine aus

Waschmaschine leer

Mülleimer leer, besonders der für den Biomüll!

Pausenbrote aus Schulranzen entfernt

Computer/Kaffeemaschine/Telefon/Anrufbeantworter ausgesteckt

Gemüse-Abo abbestellt

Pflanzenbeauftragten gefunden, Schlüssel übergeben

Nachbarn informiert

Postbeauftragten gefunden und Schlüssel übergeben

Katzenbeauftragten gefunden und Schlüssel übergeben

Selbst einen Schlüssel behalten!

Nummer vom Tierarzt bereitgelegt

Katze draußen

Oma draußen

alle Kinder im Auto

Gepäck im Auto

Handtasche im Auto

Pässe? (hoffentlich nicht abgelaufen)

alle wichtigen Dokumente/Tickets/Buchungsbestätigungen dabei

genug Geld – bestenfalls in der Landeswährung

Kreditkarte und PIN!

Auslandskrankenversicherungskarte/Police und Telefonnummern