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Das Ziel ist das Ziel Unterwegs in Deutschland – oder ahnungslos durch das Land

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Beim Reisen ist es mir übrigens auch völlig egal, ob mich mein Weg auf die andere Seite der Welt oder nur ein paar Orte weiter bringt. Hauptsache, es gibt Neues zu entdecken. Und das ist durchaus auch hier vor unserer Haustüre möglich.

Doch, ich kenne Deutschland. Allerdings leider schlecht. Man sollte nicht glauben, wie viele schöne Städtchen es gibt, die ich noch nie gesehen habe. Ja, von deren Existenz ich noch nicht einmal wusste.

Die wenigen Male, in denen ich durch mein Heimatland gereist bin, habe ich sehr zielorientiert geplant. Sie führten von A nach B und zwar ohne Zwischenstopp in C.

A, also das Zentrum von allem, ist Stuttgart. Das sagt ja schon einiges. Und B sind Tante Gisela in München, Anja in Berlin, die Buchmesse in Frankfurt oder der Bauernhof in Bayern. Neulich war B eine Preisverleihung in Bad Hersfeld.

Juhu. Bad Hersfeld. Noch nie gehört.

Den Süden kenne ich ja immerhin. Einigermaßen. Ein bisschen. Ich weiß, unterhalb von München kommt nicht mehr viel (also ich meine großstadtmäßig und wenn man die Münchner fragt, sowieso).

Das heißt, nach meiner Einteilung liegt alles andere »oben«. Entweder bei Frankfurt oder bei Hamburg. Oben ist für mich immer Norden. Dresden ist rechts außen und Düsseldorf links. Beides auf halber Strecke nach … oben. Noch Fragen? Ich muss, um die Himmelsrichtungen sortieren zu können, grundsätzlich leise »Nie ohne Seife waschen« vor mich hin sagen und dabei mit dem Zeigefinger im Uhrzeigersinn mitgehen. Menschen, die ganz entspannt Richtungsangaben machen wie »Na ja, nach Ebersbach, da musst du Richtung Südwest ins Remstal und dann Nordost auf die B27 …«, beeindrucken und verunsichern mich zutiefst. So funktionieren Wegbeschreibungen bei mir nicht.

Ich kann alles finden, wenn man mir sagt, ich soll am Edeka nach links und vor der Kneipe, in der ich früher gekellnert habe und in der Olli immer …, nach rechts. Tja. Was soll ich machen? Es ist beschämend, ich weiß. Es ist noch beschämender, wenn man sich nur mal vorstellen mag, dass ich mittlerweile mit vier Kindern jeweils mindestens einmal für die Schule alle Bundesländer und ihre Hauptstädte gelernt habe. Gerade habe ich sie heimlich aufgezählt. Die Hauptstädte. Die Kinder kann ich mir merken. Bei den Hauptstädten sage ich besser nicht, wie viele mir eingefallen sind. Da ist jedenfalls lerntechnisch noch deutlich Luft nach oben (und in diesem Fall ist nicht Norden gemeint). Zu meiner Entschuldigung sei gesagt, dass ich mir schließlich auch keine Landkarte mehr anschauen muss, seitdem mein Mann ein Auto mit Navigationssystem hat. Mein Mann. Ich nicht. Mein Auto ist so alt, dass es noch ein Radio mit Kassettendeck hat. Ich glaube, es steckt auch noch ordentlich Kinderzwieback darin. Aber ein Navi? Nicht vorhanden. Auch keine Sitzheizung, kein anständiges Radio und wenn ich einparken will, piept auch überhaupt gar nichts, um mich vor anderen Stoßstangen, Bäumen oder Betonpfeilern zu warnen. Wenn jemand hinten sitzt, wird gekreischt. Das muss reichen. Richtig alt also. Meine Kinder finden es peinlich alt. Tausend Jahre mindestens.

Mein Mann versucht mir einzureden, dass es ja beinahe schon wieder retro ist (und somit total chic), und außerdem, so findet er, kann ich es ruhig noch fahren, bis wenigstens Maria und Lilli ihr erstes Führerscheinjahr hinter sich haben. Das ist frühestens 2019. Da bin auch ich tausend Jahre alt und darf bestimmt schon nicht mehr Auto fahren. Ich spekuliere auf irgendetwas, das dafür sorgt, dass mein Auto ersetzt werden muss, ohne dass ein Unfall passiert oder ich schuld bin. Ich finde, ich bin im besten Cabrio-Alter. Im besten hellblauen Beetle-Cabrio-Alter. Und ich hätte gern mal ein richtig neues Auto. Die riechen so gut.

»Würdest du dein Auto sauber halten, würde auch deines gut riechen«, sagt Holger.

»Hätte ich ein neues Auto, würde ich es auch sauber halten«, sage ich. »Außerdem sind in diesem hier integrierte Kindersitze drin. Das war praktisch, als wir noch drei Kleinkinder und ein Baby durch die Gegend fahren mussten. Aber selbst das kleinste von den Kleinkindern wird im Dezember 18 und das Baby wird zwölf!« Was ich nicht sage, ist, dass ich erst vor ein paar Tagen beim Aussaugen einen Schnuller gefunden habe, woran man unschwer erkennen kann, wie lange die letzte gründliche Innenraumreinigung her ist.

»Und das älteste ist 22«, antwortet Holger. »Da kann es ja mit den Enkeln auch nicht mehr so lange dauern!«

Ich gebe auf. Diese Diskussion geht in eine Richtung, in der ich in ein paar Minuten eine Psychotherapie wegen akuter Midlife-Crisis brauche.

Aber für die Fahrt nach Bad Hersfeld bekomme ich immerhin Holgers Navi-Auto. Trotzdem will ich wissen, wo ich hinmuss. Also: Wo ist Bad Hersfeld?

»In der Nähe von Fulda«, sagt mein Mann.

»Oookaaay … Und wo ist …?«

»Näher aber noch an Gießen.«

»Ja, und wo …?«

Genervt schaut er mich an.

»Das Navi bringt dich hin, okay? Aber wenn du es genau wissen willst: Dreieinhalb Stunden nach oben und ein bisschen nach links.« Ah ja, danke. Warum nicht gleich so?

Bad Hersfeld ist übrigens nicht nur nach oben und ein bisschen links, sondern auch sehr schön. Wieder einmal denke ich, ich sollte endlich einmal durch Deutschland reisen. So richtig. Von Süd nach Nord. Von Ost nach West. Oder einfach von unten nach oben.

Eine alphabetisch geordnete und sicherlich noch erweiterbare Liste der Städte, die es sich schon allein ihres Namens wegen zu besuchen lohnt:

Alf

Aua

Buntekuh

Busendorf

Busenwurth

Drogen

Ehrenzipfel

Elend

Großkuchen und Kleinkuchen

Haßloch

Katzenhirn

Killer

Knüllwald

Kotzendorf

Kuhbier

Lederhosen

Leichendorf

Luschendorf

Möse

Motzen

Ohnewitz

Ranzig

Schabernack

Schwarze Pfütze

Sexbierum

Sommerloch

Tittenkofen

Tuntenhausen

Ursulapoppenricht

Tussenhausen

Witzenhausen

Wixhausen

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