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Auf dem Weg zu seinem Appartement begann Jens Mander über die Geschichte nachzudenken und aus dem Gedächtnis die Fakten zu sammeln.

Sein ehemaliger Boss schickt ihm einen Navajo-Indianer, einen früheren Angehörigen der US Special Forces. Der wiederum erzählt ihm fragmentarisch eine oder vielleicht sogar seine Lebensgeschichte, eine Story von Scharfschützen und von Operationen in Krisen- und Kriegsgebieten. Dann hält er ihm einen Zettel mit irgendwelchen Schriftzeichen unter die Nase, behauptet, dass da die Anweisung drauf steht, Kennedy zu töten und verschwindet dann ganz einfach. Die Schriftzeichen auf dem einen Zettel hätten durchaus Diné Bizaard und damit eine, im sogenannten Navajo-Code verschlüsselte Nachricht sein können. Das Papier, auf dem die Zeichen standen, sah alt und abgegriffen aus.

In seinem Appartement angekommen, machte er sich erst mal ein Glas Cola mit Eiswürfel, startete sein MacBook und die Textverarbeitung. Mit der Diktierfunktion machte Jens ein Gedächtnisprotokoll des Gesprächs mit Hawkeye, einen Zusatz mit seinen unbeantworteten Fragen und seinen Eindrücken.

Sicherheitshalber verschlüsselte er das Dokument mit zwei verschiedenen Verschlüsselungssystemen.

Das Merkwürdige an der Geschichte war, dass er außer dem Kennzeichen des Volvo keine nachprüfbaren Fakten hatte.

Jens griff zum Telefon und wählte aus dem Gedächtnis eine Telefonnummer in der Schweiz. Die Nummer gehörte einem Versicherungskonzern und der Apparat stand im Leitstand des Rechenzentrums in Zürich.

„Gruezi Christian, comment ça va mon ami?“

Es dauerte ein paar Sekunden, bis Christian gemerkt hatte, wer ihn da anrief.

„Moin moin Jens, Du lebst auch noch?“.

Wie Jens war auch Christian Freelancer. Sie hatten in mehreren Projekten zusammengearbeitet. Aber im Gegensatz zu Jens hatte sich Christian auf seine alten Tage eine Festanstellung als Betriebsführer geangelt.

In den folgenden Minuten tauschten sie sich über ihre jeweilige Lebenssituation aus und versprachen sich den obligaten gegenseitigen Besuch.

„Jens, Du rufst doch nicht nur an um mit mir Smalltalk zu machen. Was kann ich für Dich tun?“

Jens stieg auf das Wortgefecht ein und versicherte Christian, dass er in erster Linie wegen ihrer beider Freundschaft angerufen habe, aber wenn er so direkt frage.

„Kannst Du mal über Deine Verbindung ein PKW-Kennzeichen checken? Nevada - Hawkeye 1 - schwarzer Volvo Kombi - vermutlich XC90.“

„Das tönt nach harter Arbeit. Wie schnell brauchst Du eine Antwort?“, kam aus dem Telefon zurück und wie unter ihnen üblich sagte er „So schnell wie möglich, aber nicht gestern.“

Christians Antwort dauerte wieder ein paar Sekunden.

„Ich schau mal, was ich machen kann. Wenn ich was habe, schicke ich Dir eine EMail. Wird aber ein paar Stunden dauern. Und jetzt halt mich nicht von meiner Arbeit ab.“

Das war für Jens das Zeichen sich tunlichst zu den zwischen beiden üblichen scherzhaften Grobheiten zu verabschieden.

Als nächstes wollte Jens noch Hawkeye‘s Geschichte mit dem Flug nach Amerika überprüfen. Nach etwas mehr als zwanzig Minuten hatte er die möglichen Fluglinien und Flugrouten gegoogelt. Es gab zwar keine direkten Flugrouten von Berlin nach Indianapolis, Hawkeye musste offensichtlich in New York umsteigen und da waren American Airlines, US Airways und Lufthansa die allgemein bevorzugten Fluglinien. Jens versuchte sein Glück bei Lufthansa und wählte die Telefonnummer des »Controldesk« der Ticketabrechnung. Hier war sein ehemaliger Kollege Günni im Leitstand, der Jens noch mehrere Gefallen schuldete.

Günni war offenbar allein in seinem Büro, da er die Daten sofort überprüfen konnte.

„In der fünften Kalenderwoche habe ich keine Daten über eine LH-Buchung von Berlin nach IND via New York, aber ich habe elf Buchungen von Fraport, Direktflug nach IND. In ein paar Minuten hast Du die Daten in Deiner Mailbox.“

Nach dem zweiten Telefonat war Jens schon ein ganzes Stück weiter und so legte er sich auf das Sofa und schlief sofort ein. Erst der Wecker holte ihn am Morgen aus seinen unruhigen Träumen.

Jens litt an diesem Tag im Projekt unter seiner mangelnden Konzentrationsfähigkeit und er hatte das Gefühl, dass der Arbeitstag nicht enden wollte. Gegen Fünf machte er Feierabend und fuhr mit der U-Bahn nach Hause. Vom Balkon seines Appartements hatte er freie Sicht auf die Bank, auf der ihn Hawkeye angesprochen hatte. Jens schloss seine Webcam an den Rechner an und positionierte sie so zwischen den Blumenkästen, dass sie direkt auf die Bank gerichtet war und startete die Aufnahme. Fünf vor Sechs machte er sich auf den Weg und Punkt Sechs saß er auf der Bank.

Nur wer nicht kam war Hawkeye.

Er kam nicht um sechs, nicht um sieben und um acht war er immer noch nicht da und so gab Jens auf und ging wieder in seine Wohnung. Irgendwie kam er sich verschaukelt vor. Hawkeye‘s Geschichte hatte gut geklungen und die Namensnennung von Germut hatte zusätzlich sein Interesse geweckt.

An den folgenden Tagen war von Hawkeye ebenfalls nichts zu sehen, obwohl Jens jeden Abend von seinem Balkon aus die Bank beobachtete und so stellte sich Jens darauf ein, von seiner neuen Bekanntschaft nichts mehr zu hören. Eine Woche nach dem mysteriösen Treffen auf der Parkbank, es war kurz vor zweiundzwanzig Uhr, klingelte es an der Wohnungstüre.

„FedEx - eine Sendung für Jens Mander“, sagte eine Stimme in die Türsprechanlage und nachdem Jens den Türöffner gedrückt und den Empfang der Sendung bestätigt hatte, hielt er ein Päckchen in der Hand.

In seinem Gehirn klingelten sämtliche Alarmglocken.

Wenn man weiß, dass man sich selbst kein Päckchen geschickt hat und sieht, dass Empfänger und Absender identisch sind, sollte man doch Vorsicht walten lassen.

Nach der Codierung war das Päckchen am Vortag in der Niederlassung in Tempelhof eingeliefert, die aufgeklebte Paketkarte war mit einem Drucker erstellt worden.

Jens holte seine Gummihandschuhe aus der Küche, legte sein Taschenmesser bereit, stellte seine Werkzeugtasche neben sich und öffnete alle Fenster. Dann begann er das Päckchen eingehend zu untersuchen.

Mit einem gewöhnlichen Leitungsdetektor, den man zum Auffinden von Stromleitung und Wasserrohren im Mauerwerk in jedem Baumarkt kaufen kann, prüfte er das Päckchen auf Metallteile - negativ, das Gerät machte keinen Pieps.

Dann zog er seine Gummihandschuhe an und öffnete das Päckchen mit einem Schnitt an der Seite. Vorsichtig zog er den Inhalt heraus, wobei er die Öffnung von sich weg hielt. Am Ende der Prozedur hatte er ein Buch, drei transparente Prospekthüllen und einen Briefumschlag vor sich liegen.

„Puh, kein Explosivstoff“, murmelte Jens halblaut.

Das Buch hatte den Titel »700 Jahre Schöneberg«, in den Prospekthüllen steckten jeweils eine Kopie der Zeitungsausschnitte und der Zettel mit der handschriftlichen Nachricht.

Nachdem er sich sicher war, dass da keine bösen Überraschungen lauerten, war er dann doch so mutig, den Karton ganz zu öffnen, aber da war nichts mehr.

Immer noch durch Handschuhe geschützt, öffnete er den Briefumschlag. Darin waren zwei Polaroid Bilder. Auf einem der Bilder war eine, «Dog Tag« genannte Erkennungsmarke für Soldaten zu sehen und auf dem anderen war Hawkeye im Kampfanzug der Green Berets zu erkennen.

Das war alles - keine persönliche Nachricht.

Mit den Angaben auf dem «Dog Tag» hatte er erstmals konkrete Information über seine Bankbekanntschaft - Name und Vorname: Pete Hok‘ee Wolfe, die Sozialversicherungsnummer sowie als Blutgruppe: RH Positive.

Jens holte die Mailnachricht seines Kollegen Günni auf den Bildschirm meines MacBooks. Wie versprochen hatte er die Liste aller Lufthansa Buchungen Frankfurt - Indianapolis geschickt.

Von den elf Buchungen waren nur drei mit einer Heimatanschrift Berlin und die hatten so typisch Deutsch klingende Namen, dass sie nicht infrage kamen.

Schade, das war wohl nichts.

Die Nachforschung beim Zentralruf der Autoversicherer hatte auch nicht viel eingebracht: das Auto war in Nevada auf eine Meredit Foundation zugelassen.

Christian hatte sich in seiner EMail beklagt, dass Jens ihm da ganz schön Arbeit aufgehalst habe und er ein paar lange Telefonate hatte führen müssen und ihm jetzt Jens Mander einen Gefallen schuldig sei.

Jens war mit der Info nicht geholfen - bei der Foundation hätte es sich zwar um eine der vielen Tarnfirmen der Agency handeln können, aber das wäre letztlich zu augenscheinlich gewesen und wahrscheinlich war es eine der vielen harmlosen Foundations im Land der unbegrenzten Möglichkeiten.

Jens Mander beschloss noch einmal ganz von vorne anzufangen.

Mit seiner Kamera, die er auf einem Stativ befestigt hatte, fing Jens an die Kopien und das Buch abzufotografieren und auf seinem Mac zu speichern. Ein Duplikat der Bilder speicherte er auf einem USB-Stick und eine weitere Kopie brannte er auf eine CDROM, die er in einem Briefumschlag an seinen Anwalt adressierte und ihn bat, das gute Teil bei Jens Manders hinterlegten Unterlagen aufzubewahren.

Den USB-Stick, das Buch und die Dokumente wollte er am Morgen in seinem Bankschließfach deponieren.

Es war fünf Uhr morgens, als er alles erledigt hatte und sich für ein kurzes Nickerchen auf sein Bett legen konnte.

Das Klingeln seines Telefons riss ihn jäh aus seinen Träumen. Aber es war nur sein Projektleiter, der Jens daran erinnerte, dass er auch noch einen Job zu erledigen hätte.

Schnell ins Bad - Toilette machen, MacBook einpacken, Brief für den Anwalt in den Pilotenkoffer stecken und anziehen waren eine Sache von fünfundzwanzig Minuten. Dann war Jens schon mit dem Auto in Richtung Charlottenburg unterwegs.

Den Stick und die Originale wollte er am Nächsten Tag in das Bankschließfach bringen.

Wegen seiner morgendlichen Verspätung und eines Meetings, das nicht enden wollte, kam er am Abend ziemlich spät nach Hause und wollte nur noch ins Bett. So kam es, dass er erst am Morgen den ungebetenen Besuch in seinem Appartement bemerkte: auf dem Stapel der Sachen für das Bankfach war eine Haftnotiz angebracht worden.

BE-KI-ASZ-JOLE BE-TKAH BEH-EH-HO-ZINZ

An jedem anderen Tag hätte Jens fast eine Stunde Zeit und zwei Tassen Kaffee gebraucht, nun aber war er sofort hellwach.

Ungebetener Besuch in seinem Appartement?

Als erstes schickte Jens seinen Kollegen eine SMS, dass er noch ganz schnell auf der Bank etwas erledigen müsse. Dann machte er eine Kopie von der Notiz, die er auf seinem Rechner speicherte und auf dem USB-Stick aktualisierte. Es war Sieben Uhr und um Neun konnte er erst an sein Schließfach. Damit war noch Zeit für einen Pott Kaffee. Er erledigte seine Morgentoilette und warf sich in Schale. Bei einer Zigarillo plante er seine nächsten Schritte.

Seit dem Vorfall mit den Toten Indern im Rudolf-Wilde-Park im Dezember des letzten Jahres, war Jens nachlässig geworden. In den seltensten Fällen und nur wenn er länger unterwegs war, aktivierte er die Videoüberwachung und die Alarmanlage. Für den Moment also war die Chance den oder die unbekannten Besucher seines Appartements ausfindig zu machen, eher gering um nicht zu sagen aussichtslos.

Zwischenzeitlich war es kurz vor Neun Uhr und Jens machte sich auf den Weg zur Bank in der Badenschen Straße, wo er das Buch, den USB-Stick und die Dokumente deponierte. Aus einem Notizbuch notierte er sich zwei Nummern.

Zum Glück waren im Büro an diesen Tag keine wichtigen Aufgaben zu erledigen. Nachdem er den Projektplan überprüft und mit seinen Arbeitskollegen anstehende Arbeiten abgestimmt hatte, erklärte er seinem Projektleiter, dass er aus persönlichen Gründen die nächsten zwei Wochen nicht im Büro sein würde, aber in dringenden Fällen telefonisch erreichbar wäre.

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