Читать книгу Der Lebensweg eines Polizisten - Ludwig Ziermeier - Страница 4
1.Meine Kindheit
Оглавление1.1.Prügel
Als ich gerade einmal zwei Jahre alt war, soweit kann ich mich noch zurückerinnern, verprügelte mein Vater meine Mutter und sie weinte fürchterlich, liegend im Bett. Ich kam zu ihr, weinte mit ihr und sagte: „Mama höre bitte auf zu weinen.“
Meine Mutter wurde sehr oft von meinem Vater verprügelt. Einmal wollte mein Bruder ihr helfen, da verprügelte mein Vater auch noch ihn.
1.2.Die Scheidung
Mein Vater hurte nur mit anderen Frauen herum. Um zu diesen gehen zu können und keinen Verdacht bei unserer Mutter zu schöpfen, fing er mit ihr grundlos einen Streit an, knallte die Türe zu und verließ die Wohnung.
Nun geschah es, dass zwei dieser Frauen Kinder von ihm bekamen und es kam zur Scheidung.
Meine Mutter fing dann als Arbeiterin in einer Fabrik in Nürnberg an und arbeitete an der Stanzmaschine. Schon kurz darauf hatte sie einen Arbeitsunfall und stanzte sich ein Glied des Mittelfingers von ihrer rechten Hand ab.
Aufgrund der Kriegsjahre hatte meine Mutter keinen Beruf erlernt und als Arbeiterin verdiente sie als Frau in der Fabrik sehr wenig. Den letzten Pfennig brauchte sie für uns, sie war so arm wie eine Kirchenmaus. Sie konnte sich nicht einmal Strümpfe leisten.
Mein Vater zahlte fast nie Unterhalt. Als die Not einmal sehr groß war, schickte sie meinen Bruder und mich zu unserem Vater. Er hatte sich bei einer anderen Frau in deren Wohnung eingenistet. Doch als wir bei ihm waren, redete er nur blöd daher, bis die Frau ihn anschrie: „Gib den Kindern doch endlich das Geld!“ Daraufhin bekamen wir von ihm 100 DM.
1.3.Volksschule
Bis ich in die Volksschule kam, verbrachte ich die meiste Zeit meiner Kindheit in der Kinderkrippe und im Kindergarten, da meine Mutter arbeiten musste. Daher sah ich sie nur abends oder an den Wochenenden. Sie hatte wenig Zeit für uns, da sie zu sehr mit dem Haushalt beschäftigt war und dann noch zusätzlich drei Kinder zu versorgen hatte.
Da ich als Schüler nie Geld hatte, verdiente ich mir oft ein paar Pfennige durch Sammeln von Alteisen, leeren Flaschen und Altpapier, als Losverkäufer oder Balljunge beim Tennis dazu, sodass ich mir auch einmal Süßigkeiten leisten konnte.
In der Volksschule war ich ein verstörter Volksschüler und daher hatte ich auch nur durchschnittliche Schulnoten. Ich war klein, zierlich, schwächlich und wurde auf dem Schulhof sehr oft von Mitschülern verprügelt. Aber es gab auch Volksschullehrer, die damals im Unterricht noch zuschlugen.
Sogar von einem Pfarrer wurde ich einmal verprügelt. Dieser Pfarrer sah aus wie der „Don Camillo“. Als er einmal zum Religionsunterricht in unsere Klasse kam, sagte ich aus Spaß zu ihm: „Guten Morgen Herr ´Don Camillo´.“ Als er dies hörte, kam er auf mich zu und sagte: „Wenn ich der ´Don Camillo´ bin, dann bist du der ´Peppone´ und weißt du, was er dann mit dem ´Peppone´ gemacht hat“? Anschließend wusste ich es.
1.4.Platzangst
Einmal spielte ich mit mehreren Schülern auf einem Schrottplatz. Dort lagen mehrere leere Teerfässer herum. Die Kinder steckten mich in eines dieser leeren Teerfässer und stellten das Fass auf den Kopf. Es war stockdunkel und ich bekam fast keine Luft. Ich glaubte, ich müsste dort ersticken. Immer wieder klopfte ich gegen das Fass, schrie und brüllte, dass sie mich herauslassen sollten. Doch sie saßen auf dem Fass und lachten. Ein älterer Schüler, der zufällig vorbeigekommen war und dies sah, befreite mich aus dieser Lage. Ich war schon halb ohnmächtig und zitterte am ganzen Körper. Die Kinder um mich herum aber lachten nur. Ab diesem Zeitpunkt hatte ich immer Platzangst und dies wirkte sich in meinem späteren Leben wie folgt aus: Ich konnte nicht mehr in einem Aufzug fahren. Fuhr ich mit der U-Bahn und blieb diese plötzlich für mehrere Minuten in einem Tunnel stehen, bekam ich sofort Schweißausbrüche.
1.5.Der brutale Volksschullehrer
Als ich in die 5. Volksschulklasse kam, bekamen wir einen Lehrer, der aussah wie der Filmschauspieler „Yul Brynner“ und er hatte auch genau den gleichen Glatzkopf. Er führte immer ein „Spanisches Rohr“ als Schlagstock mit einer Länge von ca. 40 cm bei sich. Immer wenn ein Schüler nicht aufpasste oder schwätzte, beorderte der Lehrer den Schüler, ans Lehrerpult zu kommen. Hier musste er zunächst den rechten Arm ausstrecken und dem Lehrer die offene Hand hinhalten. Dann bekam er mit voller Wucht den Stock auf die Hand geschlagen. Anschließend kam dann die linke Hand dran. Der Lehrer schlug so fest zu, dass sogar der Schlagstock beim Herabsausen summte. Jedes Kind fing sofort an zu weinen. Ich hasste diesen Lehrer und überlegte, was ich dagegen tun könnte. Nun hatte ich plötzlich eine Idee. Kurz bevor ich in die Schule ging, zog ich mir eine dicke Torwarthose unter meiner normalen Hose an. Im Unterricht schwätzte ich dann absichtlich, um den Lehrer auf mich aufmerksam zu machen. Als er mich beim Schwätzen sah, musste ich sofort zu ihm ans Lehrerpult kommen und meinen Arm ausstrecken. Doch in dem Moment in dem er zuschlug, zog ich meinen Arm zurück und er schlug ins Leere. Die ganze Klasse lachte und er schäumte vor Wut. Er drohte mir an, wenn ich das nochmals machen würde, dann könnte ich etwas erleben. Doch als er erneut zuschlug, zog ich wieder meinen Arm zurück und der Schlag ging erneut ins Leere. Jetzt brüllte schon die ganze Klasse vor lauter Lachen. Nun holte er seinen Lehrerstuhl und legte mich über den Stuhl. Mit voller Wucht schlug er mit dem Stock auf mein Hinterteil. Doch jedes Mal, wenn der zuschlug, lachte ich ihn aus und sagte: „Es tut ja gar nicht weh.“ Als er dies immer wieder hörte und die Klasse nebenbei lachte, schlug er wie ein Wilder auf mein Hinterteil. Doch je mehr er zuschlug, umso mehr lachte ich und sagte immer wieder: „Es tut ja gar nicht weh.“ Als er merkte, dass das Schlagen bei mir überhaupt nicht half und er durch das Zuschlagen erhebliche Atemprobleme bekommen hatte, schickte er mich wieder zurück auf meine Schulbank.
Zu Hause erzählte ich dann meiner Mutter, wie ich von meinem Lehrer brutal verprügelt worden war. Meine Mutter ging daraufhin in die Schule und beschwerte sich über den Lehrer. Ab diesem Zeitpunkt wurde in dieser Schule nie mehr ein Kind verprügelt und ich fühlte mich wie ein Held.
1.6.Tod meiner Mutter
Als ich zwölf Jahre alt war, geschah für mich das Schrecklichste in meinem Leben. Meine Mutter bekam Unterleibskrebs und musste ins Krankenhaus zur Operation. Ich kann mich noch gut erinnern - bevor sie ins Krankenhaus fuhr, nahm ich sie in die Arme, drückte sie fest an meine Brust und küsste ihre Wange. Dies war der letzte Kuss, den ich meiner Mutter in diesem Leben gegeben hatte, denn kurz nach der Operation verstarb sie im Krankenhaus. Sie war gerade einmal 39 Jahre alt.
Warum sie sterben musste, erfuhr ich erst mit 60 Jahren von meiner Schwester. Unser Vater war für ihren Tod verantwortlich gewesen. Nachdem ich zur Welt gekommen war, wurde meine Mutter nochmals schwanger, doch unser Vater trieb es mit Stricknadeln ab. An diesen Spätfolgen war sie dann gestorben.
1.7.Sorgerecht
Mein Vater bekam das Sorgerecht, doch mein Bruder und ich weigerten uns, zu ihm zu gehen. Da aber meine Schwester 21 Jahre alt und somit volljährig war, durften wir weiter, mit der Genehmigung des Jugendamtes, in der elterlichen Wohnung bleiben. Meine Großmutter kam jeden Tag zu uns und unterstützte meine Schwester.
Einmal kam mein Vater zu uns in die Wohnung, er hatte eine lange Unterhose dabei, die ich anziehen sollte. Doch ich weigerte mich, weil sie mir nicht gefiel. Daraufhin wollte er mich verprügeln. Ich rannte in mein Zimmer und sperrte mich ein. Da hier das Fenster offen war, wollte ich schon aus lauter Angst aus dem 1. Stock (ich stand schon auf dem Fensterbrett) springen. Doch in dem Moment hatte er schon die Türe aufgebrochen und verprügelte mich gewaltig.
1.8.Der Geist meiner Mutter
Meine Mutter war noch nicht lange tot, da bekam ich eines Tages einen Schluckauf, der nicht mehr aufhörte. Meine Geschwister sagten zu mir, dass ich die Luft anhalten und gleichzeitig dreimal schlucken sollte. Aber auch dies half nicht. Nun sagte meine Schwester zu mir, dass ich an einen Menschen denken sollte, und wenn dieser zur gleichen Zeit an mich denken würde, dann würde dieser Schluckauf verschwinden. Ich dachte an jeden, der mir gerade einfiel, an all meine Verwandten, Freunde und Bekannten, aber der Schluckauf blieb.
Doch dann dachte ich plötzlich an meine verstorbene Mutter und der Schluckauf war auf einmal weg. Dieses Phänomen begleitete mich mein ganzes Leben. Immer wenn ich einen Schluckauf bekam, dachte ich dann sofort an meine Mutter und der Schluckauf war weg.