Читать книгу Dinotherium bavaricum vs. Predator - Lukas Wolfgang Börner - Страница 6
ОглавлениеDie neue Detektivin
Wir saßen zusammen auf meinem Bett, ich breitbeinig, Maria mit übergeschlagenen Beinen.
„Was ist denn nun?“, fragte sie. „Willst du mir jetzt ein paar Kniffe beibringen?“
„Sehr gern“, gab ich zur Antwort und kniff ihr zärtlich in die Seite, dass sie hell auflachte.
„Und nun,“ fuhr sie fort, während sie immer dichter an mich heranrückte, „möchte ich, dass du für mich einen verzwickten Fall löst. Oder kannst du das etwa nicht?“
„Freilich kann ich das!“, beteuerte ich.
„Na gut“, sagte Maria und pflückte eine Weintraube von den grünen Reben, die meine Mutter uns zur Vitamingewinnung hereingebracht hatte. Aber sie steckte sie nicht in den Mund, sondern verstaute sie tief in ihrem Ausschnitt.
„Meine Weintraube“, schluchzte sie plötzlich, während mein Blut im Körper Karussell fuhr, „meine geliebte Weintraube wurde mir entführt! Kannst du mir helfen, sie zu finden?“
„Sie ist …“, begann ich, auf ihre Brüste deutend.
„Psch“, unterbrach sie mich, „nicht sprechen. Such sie mit deinen Händen.“
Ich starrte sie nervös an, unfähig, mich zu regen, aber sie griff rasch nach meiner zitternden Hand, öffnete den mittleren Knopf ihrer Bluse und führte sie zur Öffnung. Meine Fingerkuppen glitten hinein und fühlten … und fühlten … Federn. Lauter Federn.
Da war nichts anderes, kein Busen, keine Weintraube.
Ich blinzelte. Und sah grelles Sonnenlicht, das durch die Rollolöcher zum Zimmer hereinfuhr. Die Bettdecke über meinem Körper war ein Zirkuszelt geworden. Von Maria fehlte aber jede Spur.
„Verdammt“, fluchte ich, zog die Finger aus dem Kissen und machte den Knopf wieder zu. Dann versuchte ich weiterzuschlafen, schnell weiterzuschlafen, um wieder zu träumen. Wieder von Maria. Von Maria und den Früchten ihres Leibes.
Ich schlief wirklich wieder ein.
Aber ich träumte nicht von Maria, sondern von einem abgenutzten Dachshaarpinsel, der so gerne Schlittschuhlaufen würde, aber auf der ganzen Welt gibt es keine Schlittschuhe für Dachshaarpinsel. Und wie so oft erbarme ich mich seiner, wie er doch so weint und sich die Haare rauft, und mache ihm aus Papier und Draht prima Schlittschuhe. Da ist er aber schon zu einem Stück Sachertorte geworden und ich habe ihn aufgegessen und stehe plötzlich alleine da mit zu kleinen Schlittschuhen und Gewissensbissen und es ist ein heißer Sommertag.
Den Traum hab ich jede zweite Nacht. Cleo meint, ich solle nachschauen, was das alles bedeute, in einem Traumdeutungsbuch vielleicht oder im Netz. Aber die Begriffe Dachshaarpinsel, Schlittschuhlaufen und Sachertorte hab ich in dem Zusammenhang bisher noch nicht finden können.
„Frühstück!“, rief meine Mutter. Ich stand gähnend auf und wäre beinahe mürrisch gewesen, bis ich mich daran erinnerte, dass ich mich heute ja tatsächlich mit Maria treffen und das Detektivbüro gründen würde. Gleich zog ich das Rollo hoch, wurde in goldenes Sonnenlicht getaucht und hatte mit einem Mal glänzende Laune.
Ich war Cleo nimmer böse – warum auch? Sollte der doch mit Irg und Jean-Klo Detektiv spielen. Ich hatte die heißeste Braut unserer Klasse bei mir. Fest miteinander verbunden würden wir bald sein, Geheimnisse würden wir miteinander hegen, in manch verhängnisvoller Nacht würde sie sich ängstlich an mich klammern. Wer aus unserer Klasse konnte das schon von sich behaupten?
Ich riss ein Blatt von Cleos Tageskalender herunter. Den hatte er selbst betextet und mir zum dreizehnten Geburtstag geschenkt mit der Mahnung, mich redlich darüber zu freuen. Er sei ein halbes Jahr an den Tagesgedichten gesessen.
Heute las ich folgende Verse (hier verständlich übersetzt aus dem Cleo-Alphabet):
Das Lesbenpärchen Jo und Sabe
diskutiert die Roll’nvergabe.
Jo sagt: „Ich mach den Männerpart,
ich hab ja auch den längern Bart.“
Kopfschüttelnd ging ich zum Frühstück.
Pünktlich um eins, eigentlich sogar etwas überpünktlich, läutete es an der Haustür. Ich hatte bereits alle Vorbereitungen getroffen und in meinem Zimmer zwei Notizblöcke, zwei Kullis, eine Lupe, einen Dachshaarpinsel samt Puder für Fingerabdrücke und einen Teller mit Weintrauben bereitgelegt. Letzterer lag mir besonders am Herzen.
Ich war etwas nervös, atmete vor der geschlossenen Haustür zwei-, dreimal tief durch, öffnete dann die Tür und sagte dabei: „Hallo Maria!“
Aber es war nicht Maria, die mit verschränkten Armen vor der Tür stand, sondern Cleo. „Hallo Maria?“, wiederholte er skeptisch.
„Oh, servus“, grüßte ich ihn. „Was machst du denn hier?“
„Ich dachte einmal,“ sagte Cleo mit schmalem Mund, „wir wären Freunde.“
„Sind wir doch auch“, erwiderte ich.
„Und nun darf ich nicht einmal hereinkommen?“
„Ja, weißt du, Cleo“, sagte ich, „jetzt ist es halt grad schlecht.“
„Warum denn?“
„Mein zweiter Detektiv kommt gleich.“
„Du meinst doch nicht etwa Maria?!“ Cleo war fassungslos. Sein Mund wurde sogar noch schmaler.
„Oh doch“, erwiderte ich mit stolzgeschwellter Brust. „Wir gründen heute ein Detektivbüro. Da musst du mit deinen Knalltüten aufpassen, dass wir euch nicht sämtliche Fälle wegschnappen.“
„Das ist doch ungeheuerlich!“, entfuhr es ihm. Der Schock stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Ihr werdet keinen einzigen Fall lösen, weil Frauen gar nix draufhaben. Mit ihrer Hysterie locken sie nur die Verbrecher an und sie jammern und nörgeln immer und haben außerdem überhaupt keinen Plan von Fußball!“
„Wie auch immer,“ erwiderte ich.
Ich wollte davon gar nichts hören, auch weil ich wusste, dass Cleo recht hatte. Meine Schwester glaubt noch heute, dass die beiden hiesigen Fußballvereine München-Glockbach und Bayern-Leberkäsen heißen. Einmal kam sie während eines haarsträubenden Spiels gegen Real herein und fragte, wie viel es stünde.
„Eins zu eins“, antwortete ich schweißgebadet.
„Für wen?“, fragte sie und ich sah mich gezwungen, den Türstopper nach ihr zu schmeißen.
„Was verschafft mir denn die Ehre?“, fragte ich Cleo.
Das ist ein ziemlich cooler Satz, der ungefähr so viel bedeutet wie: Was willst du hier, hast du kein Zuhause?
„Ach, ich wollte dir nur offiziell mitteilen,“ sagte Cleo, „dass mich dein Verhalten gestern mehr als enttäuscht hat. Ich erwarte von dir deshalb eine Entschuldigung.“
„Eine Entschuldigung?!“, rief ich.
„Erst dann werde ich wieder mit dir reden“, gab Cleo zur Antwort. „Und das war jetzt mein letztes Wort zu dir. Also das dir jetzt. Beziehungsweise das jetzt jetzt. Jjjjjetzt.“
„Du spinnst ja komplett! Wer hat mir denn den Irg auf den Leib gehetzt?“, rief ich.
Keine Antwort.
„Und wer hat den Jean-Klo eingestellt?“
Keine Antwort.
„Und wer hat mich als Mitbegründer der Detektei rausgeworfen?“
Nichts.
„Weißt du was? Dann red’ halt in Zukunft nimmer mit mir. Ist mir auch viel lieber.“
Cleo machte einige Anzeichen mit dem Kopf und stieß hinter seinen verschlossenen Lippen verschiedene Laute aus.
„Wie bitte?“, fragte ich.
Cleo nahm einen Zettel und einen Stift zur Hand und stellte schreibend die Frage, ob er zum gemeinsamen Computerspielen hereinkommen dürfe, da müsste man sich auch gar nicht unterhalten.
„Ich sagte doch, dass die Maria gleich kommt“, gab ich zur Antwort, schob meinen Freund, der schon halb eingetreten war, zur Tür hinaus und schloss sie.
Draußen konnte ich ihn noch minutenlang seufzen hören, aber ich achtete nicht darauf. Als Maria eine halbe Stunde später eintraf, war Cleo auf jeden Fall verschwunden.
„Und nehmen wir dann jeden Auftrag an, der uns angeboten wird, oder suchen wir uns da nur die Leckerbissen raus?“, fragte Maria, nachdem ich ihr alle detektivischen Hilfsmittel gezeigt und sie über die wichtigsten Dinge aufgeklärt hatte. Dass wir immer füreinander erreichbar sein müssten, zum Beispiel. Und dass wir, sollten wir uns im Wasser verbergen müssen, unbedingt die Kleider ausziehen müssten, weil die sich sonst mit Wasser vollsaugen und einen hinunterziehen könnten. Und dass unsere Detektei Hugomator heißen würde – natürlich nur, weil man mit Maria keinen respekteinflößenden Namen bilden kann, wie ich ihr wieder und wieder versicherte.
„Wir nehmen nur die härtesten Fälle an. Die, wo es um mysteriöse Ereignisse geht. Also alles, wo die Worte Geist, Dämon, Spukschloss, Psycho-Chinese usw. vorkommen. Am besten wäre es wahrscheinlich, wir errichten eine Webseite, wo die Kunden das jeweils passende anklicksen können. Verstehst du? Um schnellstmöglich auszuwerten.“
Ich hatte mir eine lässig knarzende Stimme antrainiert. Außerdem zog ich meinen Bauch ein, wenn ich saß, und verschränkte die Arme so, dass die Hände unter den Oberarmen waren und mit etwas Druck Armmuskeln erzeugen konnten, die es nicht gab. Auch mein Schneidersitz war derart perfektioniert, dass meine Füße muskulöse Wadeln erschufen.
„Aber weißt du, was wir ganz dringend brauchen?“, meinte Maria mit unterdrückter Vorfreude – sie hatte wirklich Spaß an unserem Vorhaben. „Wir brauchen noch ein Maskottchen, ein Detektivhaustier, verstehst du?“ Ich wollte lachen, aber meine körperliche Anspannung verhinderte das. „Vielleicht einen Beo oder einen …“
„Ich hab da mal was vorbereitet“, unterbrach mich Maria. Mit einem hellen Kichern sprang sie auf. „Komm mit!“
Ich wäre ihr zu gerne gefolgt, aber ich hatte von meiner unbequemen Position zwei Waden- und Oberarmkrämpfe gleichzeitig bekommen. „Könntest du mir wohl erst hier raushelfen?“, wimmerte ein schmerzgebeugter Knoten namens Hugo. Nachdem die zweite Detektivin mir an den Armen und Beinen gezerrt und mich allmählich befreit hatte, tippte sie auf meine roten Oberarme und fragte, welche Creme ich benützen würde – ich hätte so eine babyzarte, butterweiche Haut. Missgelaunt hinkte ich hinter ihr her – mein lässiger Tonfall war der einzige Special Effect, der mir geblieben war. Sie eilte barfuß zur Haustür hinaus und ich fragte mich noch, was sie dort für ein Tier gesehen hatte. Das hätte ja höchstens eine Kellerassel sein können.
Ich möchte jetzt gar nicht sagen, dass ich eine Kellerassel als Maskottchen daneben fände – es gibt sicherlich niemanden auf der Welt, der sich eher eine Kellerassel als Maskottchen vorstellen kann als ich. Vor allem weil Kellerasseln urzeitliche Krebstiere sind. Und ich habe eine Schwäche für urzeitliche Krebstiere.
„Ich weiß ja, dass du eine Schwäche für solche Tiere hast“, sagte Maria, während sie mir ein Hustenbonbon gab, mit der Bemerkung, dass es bestimmt helfen würde, meine unangenehm kratzige Stimme loszuwerden. Erst als ich Flüche murmelnd das Hustenbonbon lutschte, bückte sie sich nach etwas, das neben der Haustür stand. „Schau, den hier hab ich dir mitgebracht!“
Damit hob sie ein kleines Plastikterrarium hoch, das sie dort offensichtlich vorher deponiert hatte. Mit einem „Oho!“ durchsuchte ich das Terrarium auf eine Kellerassel, fand aber keine. Auch sonst war niemand im Wasserbecken oder auf dem flachen Stein sitzend zu erkennen.
„Ich sehe gar nichts“, sagte ich enttäuscht.
„Da ist meine Liebe zu dir drin“, erwiderte Maria mit rotem Gesicht. „Du kannst sie zwar nicht sehen, aber jetzt weißt du, dass sie immer bei dir ist. Du musst sie aber gut pflegen.“ Dann kam sie an mich heran und wir küssten uns.
Leider, lieber Leser, war das gerade geschwindelt. Das ist mir nur plötzlich so eingefallen, als alternatives Ende dieses Kapitels quasi. Hab gestern Abend zwei Hollywood-Schnulzen hintereinander angeschaut – mein Gehirn ist immer noch ganz mürb.
„Ich sehe gar nichts“, sagte ich enttäuscht.
„Da ist ein Querzahnmolch drin“, erwiderte Maria. „Den gab’s beim Zoohandel gerade im Angebot.“
„Super, aber …“
„Du magst doch so Reptilien.“
„Jaja,“ – ich schluckte meinen innerlich brodelnden Biolehrer hinunter – „aber es ist ja keiner drin.“
Wir wühlten beide nach dem Querzahnmolch, aber es war tatsächlich keiner mehr da. Da begann Maria zu weinen. Ich wollte ihr verlegen die Schulter tätscheln, aber sie fiel mir gleich in die Arme. Sie sagte, sie habe ihn gestern für unser Detektivbüro gekauft und sich selbst schon mit ihm angefreundet und eben hätte er noch ausgelassen im Wasser geplantscht und überhaupt verstehe sie das alles nicht.
Da löste ich mich aus ihrer Umarmung und starrte ihr eine Weile nachdenklich in die verweinten Augen. Mein Gehirn kombinierte das Geschehene, während ich mit der Hand in der Hosentasche versuchte, mein Stehaufmännchen im Zaum zu halten, das sich die enge Umarmung und den Duft ihres Lockenhaares zurückwünschte.
„Weißt du, was ich glaube?“, beschloss ich mein Kombinieren.
„Was denn?“, fragte Maria und schaute gespannt, wenn auch rotäugig zu mir auf.
Da erwiderte ich feierlich: „Ich glaube fast, das ist der erste Fall für HUGOMATOR!!!“
„Was ist das?“, fragte sie.
„Na … wir zwei“, beteuerte ich stirnrunzelnd. „Wir haben uns doch so genannt.“
„Ach so“, sagte Maria.
*