Читать книгу Dinotherium bavaricum vs. Predator - Lukas Wolfgang Börner - Страница 7

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Immer noch Sonntag – wieso fang ich eigentlich ein neues Kapitel an?

„Legen wir die Fakten doch mal auf den Tisch!“, sagte ich.

„Der Querzahnmolch ist weg“, sagte Maria.

„Aha“, sagte ich.

„Vielleicht ist er rausgeklettert. Es war ja kein Deckel auf dem Terrarium“, sagte Maria.

„Unmöglich“, sagte ich. „Erstens leben die Molche fast ausschließlich im Wasser und zweitens würde er, selbst wenn er könnte, gar nicht so schnell die Wand hochkommen. Er hat ja keine Haftballen wie der Laubfrosch oder Hyla arborea.“

„Außerdem hätten wir ihn dann bestimmt noch gefunden.“

„Also, Frau Detektivin, kombinieren Sie: Warum könnte er sonst verschwunden sein?“

„Hm … also wenn er sich nicht in Luft aufgelöst hat, dann muss er gestohlen worden sein.“

„Ausgezeichnet. Aber könnte er nicht auch gestorben und rasch verwittert sein? Immerhin ist heute ein heißer Sommertag.“

„Das halte ich, bei allem Respekt, für unwahrscheinlich.“

„Ach ja?“

„Ja.“

„Unwahrscheinlich, was?“

„Ja.“

„Und was ist deiner Meinung nach wahrscheinlicher?“

„Dass er gestohlen wurde.“

„Gestohlen, gestohlen. Wer kommt denn in unseren Garten und stiehlt einen Querzahnmolch, der vom Weg aus kaum sichtbar in einem Terrarium bädt?“

„Badet.“

„Wie?“

„Es heißt nicht bädt, sondern badet.“

„Wurscht jetzt! Wer sollte ihn also gestohlen haben?“

„Das müsste halt jemand gewesen sein, der mich schon beim Kommen beobachtet hat, verstehst du? Jemand, der hier irgendwo gelauert hat und mir oder dir oder uns beiden schaden will.“

„Das ist doch lächerlich.“

„Vielleicht hat er sogar etwas gegen unser Detektivbüro, immerhin hat er unser Firmenmaskottchen geklaut.“

„Geh weiter – das ist doch Humbug! Ich sage dir, die Sonne treibt die Verwitterung voran, vor allem, wenn Wasser im Spiel ist. Da sinken die Kadaver in den Schlamm und versteinern nach Jahrmillionen.“

„Dann müssten wir aber das Skelett noch finden.“

„Das Skelett! Wir reden hier von Molchen – die haben doch gar kein Skelett!“

Hier, lieber Leser, wende ich mich kurz an dich. Du kennst dich mit Tieren bestens aus, wie ich weiß, deshalb hast du gleich bemerkt, dass ich hier ein wenig flunkern musste. Natürlich haben Molche Skelette. Aber es störte mich einfach, wie wichtig sich Maria machte mit ihrer weiblichen Logik. Ich mag es generell nicht, wenn Menschen in irgendeinem Gebiet neu sind und sich gleich aufführen, als wüssten sie alles besser, anstatt den Weisheiten der alten Hasen zu lauschen und ihre Klugheit mit allerhand Liebesbekundungen zu loben.

Außerdem hielt ich es für wichtig, mal kurz zu unterbrechen, bevor du den Faden verlierst und am Ende gar nicht mehr weißt, wer da was gesagt hat. Aber es ist halt auch unbefriedigend, immer „sagte ich“ und „sagte Maria“ hinten dranzuhängen. Das wird doch irgendwann nervig, oder?

„Das wusste ich nicht“, sagte Maria.

„Was denn?“, sagte ich.

„Das mit dem Skelett“, sagte Maria.

„Macht nichts“, sagte ich.

„Ich dachte, die haben eines“, sagte Maria.

„Falsch gedacht“, sagte ich.

„Sind das gar keine Reptilien?“, sagte Maria.

„Nein“, sagte ich.

„Was dann?“, sagte Maria.

„Hohltiere“, sagte ich.

Nein, so kann ich nicht weitermachen. Da müsste schon wenigstens irgendwas dahinterstehen, was das „sagte ich“ und „sagte Maria“ rechtfertigt. Ein Adjektiv, damit du weißt, wie wir das gesagt haben.

„Trotzdem weiß ich nicht …“, sagte Maria zögernd.

„Was weißt du nicht?“, sagte ich fragend.

„Ob ein Molch so schnell verwittern kann“, sagte Maria nachdenklich.

„Er kann“, sagte ich sachlich.

„Wegen der Sonne??“, sagte Maria skeptisch.

„Und wegen dem Wasser“, sagte ich gebieterisch.

„Aber ich hatte das Terrarium in den Schatten gestellt“, sagte Maria streitsüchtig.

„Ich hätte jetzt Lust auf ein Eis“, sagte ich ablenkend.

„Und woran soll er überhaupt gestorben sein?“, fragte Maria rhetorisch. „Am frühen Tod“, sagte ich weise.

„Das ist albern“, sagte Maria bissig.

„Ich bin der erste Detektiv“, sagte ich mahnend.

„Was für ein Detektiv bist du eigentlich?“, sagte Maria unverschämt.

Ach, ich glaube, ich bleibe, bei den reinen Dialogen ohne Zusatz. Manchmal ist einfach der Wurm drin.

„Ich finde, wir sollten unser Umfeld zuerst nach möglichen Widersachern abstecken und dann den Motiven nachgehen.“

Ich brummte nur zur Antwort.

„Wem hast du von unserer Detektei erzählt?“

„Niemandem.“

„Ich auch nur meinen Eltern.“

„Und ich habe es eben Cleo gesagt.“

„Cleo? War der denn hier?“

„Ja, kurz bevor du gekommen bist. Da habe ich ihm gesagt, dass er sich in Acht nehmen müsse, weil seine Detektei jetzt Konkurrenz bekommt.“ „Was?!“

„Das werde ich doch noch sagen dürfen.“

„Aber, aber …“

„Warum sollten wir das auch geheim halten? Dann kriegen wir ja keine Aufträge.“

„Ja, schon … und wie hat er’s aufgefasst?“

„Er war sehr grantig.“

„Und wann ist er gegangen?“

„Keine Ahnung. Er hat noch lange vor der Tür rumgelungert, aber ich habe ihm keine Beachtung geschenkt, weil ich ja auf dich gewartet habe.“

Maria hatte die ganze Zeit hindurch Trauben gegessen, jetzt aber zerquetschte sie eine mit ihren Fingern, ohne sich dessen bewusst zu sein. Der Traubensaft spritzte mir in die Augen.

„Aber Hugo“, meinte sie dann und es klang beinahe mitleidig. „Ist dir klar, dass Cleo dabei unser Verdächtiger Nummer eins ist?“

Ich muss gestehen, dass mich das relativ kalt erwischte. „Cleo?“, fragte ich perplex.

„Aber ja“, erwiderte sie. „Er ist der Einzige, der da war, der Einzige, der ein Motiv hat. Ach, was sage ich: Er hat ja sogar zwei Motive.“

„Zwei?“

„Na, eines, weil wir jetzt Konkurrenten sind, und eines, weil er bestimmt eifersüchtig auf mich ist.“

In meinem Kopf surrte es, in meinem Hals pochte es, meine Ohren klingelten, dahinter redete eine Stimme. Eine schwache Stimme war es und ich wusste in meiner Bestürzung nicht, wem ich sie zuordnen sollte. Dann erkannte ich Cleos Echostimme, die aus dem Nebel zu mir sprach. Und es war eine jener Weisheiten, die er mir schon einmal nähergebracht hatte: „Frauen sind immer falsch, immer falsch, immer falsch. Sie wollen Freundschaften sprengen, Freundschaften sprengen, Freundschaften sprengen. Lass niemals zu, dass eine Frau zwischen uns kommt, zwischen uns kommt, zwischen uns kommt.“

Plötzlich war mir sehr flau im Magen und es fiel mir schwer, das vor Maria zu verbergen. Was, wenn sie recht hatte und Cleo mich hinterging? Mich, seinen allerbesten Freund?

Und was wäre, wenn Cleo recht hatte und Maria mich hinterging? Vielleicht hatte sie niemals einen Querzahnmolch besessen und wollte bloß einen Keil zwischen mich und meinen Freund treiben. Was für eine nervenaufreibende Situation!

„Cleo tut so etwas nicht, Maria, und ich möchte nie wieder solche Verdächtigungen gegen ihn hören! Er mag manchmal etwas sperrig sein, aber er ist und bleibt mein bester Freund. Und lieber sterbe ich dumm, hintergangen und betrogen, als dass mich irgendjemand dazu bringt, Schlechtes von ihm zu denken“, sagte ich nicht. Denn ich wollte Maria nicht vor den Kopf stoßen – ich wollte ja, dass sie mich mochte und wir uns eines Tages näher kämen.

Darum sagte ich nur: „Ich kann das alles gar nicht fassen. Dass er so boshaft sein kann …“

„Ach, Hugo“, flüsterte Maria einfühlsam und streichelte meine Hände, „das muss alles so schwer für dich sein. Sicherlich hast du ihn sehr … gemocht.“

„Ich habe ihn geliebt“, sagte ich pathetisch.

„Ich weiß“, erwiderte Maria.

Trotz allem blieb ich kritisch. Frauen sind Schlangen und je schöner sie sind, desto falscher sind sie – darum muss man auf der Hut sein. Es gab noch einen abwegigen Hoffnungsschimmer, dass Cleo unschuldig war.

*

Dinotherium bavaricum vs. Predator

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