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Kapitel 7

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Taffer spürte zwar, dass er irgendeinen Draht zu den Untoten hatte, konnte sich aber keinen richtigen Reim darauf machen, warum. Sie fürchteten sich nicht vor ihm und hätten ihn wohl auch durchaus gern gefressen, ahnten aber anscheinend auch sein Wesen – ein treffenderer Ausdruck fiel ihm nicht ein – und das verwirrte sie offensichtlich. Anscheinend sträubten sie sich davor, ihresgleichen oder jemanden, dessen Körper zumindest infiziert war, anzurühren.

Als er so dastand und hinausschaute, kribbelte immer noch sein gesamter Körper, dies hatte angefangen, als er zu essen und zu trinken begonnen hatte. Aber es war zunehmend schlimmer geworden. Es war ein unerträgliches Jucken, und vom Kratzen taten ihm allmählich schon die Fingerspitzen weh. Er konnte die Stadt überblicken, sah die vielen Untoten und die wenigen Lichter in den Häusern, wo jemand überlebt hatte. Derart abgelenkt und in Gedanken versunken nahm er seine unmittelbare Umgebung gar nicht wahr. Schließlich tippte ihm jemand auf die Schulter. Es war Cooper.

»Taffer, alles okay mit dir?«

Sie standen noch immer auf dem Dach des Supermarktes, aber es war jetzt fast stockdunkel. Der Mond ließ sich nicht blicken, und dichter Nebel lag über dem Boden.

»Natürlich, ich denke bloß nach«, erwiderte Taffer lässig.

»Du hast diese Haltung aber schon vor Stunden angenommen und dich seitdem nicht mehr gerührt.«

»Vor Stunden? Hmm.«

»Ja, vor Stunden! Geht es dir wirklich gut?« Cooper trat ein Stück zurück. Er legte die Stirn in Falten. Zuerst wollte er eine seiner Pistolen ziehen, aber dann sah er davon ab. Taffer bereitete ihm zwar Kopfzerbrechen, aber in erster Linie ging es ihm um Ellens Sicherheit.

»Cooper, ich habe Angst.« Taffer streckte seine Arme nach vorne aus, wobei er die Hände aufhielt und so drehte, dass die Innenflächen senkrecht nach außen zeigten. »Ich fühle sie … die Zombies. Sie sind nicht tot, weißt du? Aber eben auch nicht lebendig. Ich fühle sie, und sie fühlen mich! Wir sind alle eins, stehen aber jeweils einzeln für eine Milliarde unterschiedliche Dinge.«

Was faselst du da?, dachte Cooper erschrocken. Taffer klang unglaublich wahnhaft. »Äh, bist du zufällig müde? Oder hast du Hunger?«

»Nein, mir ist es selten besser gegangen als jetzt.«

Cooper zupfte vorsichtig am Ärmel seines Gefährten. »Sieh mich an.«

Taffer drehte sich zu ihm um. Sein Gesicht wirkte abgesehen von der Farbe seiner Augen jedoch ganz normal.

»Können wir unbesorgt schlafen? Du benimmst dich wirklich merkwürdig.« Cooper betrachtete ihn eingehend, aber Taffer schien ganz der Alte zu sein.

»Ja, so sicher wie jetzt seid ihr schon lange nicht mehr gewesen.«

»Na dann … gute Nacht.« Leider fühlte sich Cooper aber nicht so sicher wie lange nicht mehr. Während er ein letztes Mal am Dachrand entlangging, hielt er mehrmals inne, um zu dem Freund seiner Schwester zu schauen. So sehr er sich auch bemühte, zur Ruhe zu kommen, musste er doch hin und wieder einfach einen Blick auf ihn werfen. Taffer rührte sich aber kein einziges Mal, sondern blieb weiterhin so regungslos wie eine Statue.

Er drehte sich wieder um und blickte auf das Meer der Untoten hinab. Dabei spürte er, wie etwas Unsichtbares von seinem Körper abstrahlte, über den Parkplatz hinweg in die Leiber fuhr, die sich in der Bucht tummelten und die vielen Schluchten auf der Halbinsel bevölkerten, und wie es sich fortpflanzte, weiter und weiter. Er flog um den Globus. Nach und nach gelangte er zu der Einsicht: Er wusste, auf der Welt verstreut gab es Überlebende und Unmengen reanimierter Toter. Einige von ihnen waren stark und fraßen, was das Zeug hielt, die meisten aber irrten nur herum und gierten nach Energie. In freier Wildbahn herrschte das pralle Leben, doch die Tiere hielten sich vor ihm – vor ihnen? – fern. Taffer war zugleich ein allumfassendes Geschöpf, das den Planeten wie ein weites Netz überspannte, und zugleich ein nebensächlicher, geistloser Kleinstteil des Ganzen. Er kannte sich deutlich besser als je zuvor und kam sich trotzdem so fremd wie nie vor. In jedem Fall beschlich ihn das starke Gefühl, dass dies nicht gut enden würde. Eine bestimmte Erkenntnis stand bei alledem allerdings noch aus, ein Blick hinter den Schleier sozusagen. Die bestehende Verbindung machte ihn nicht automatisch zum allwissenden Seher, dem nichts entging, zumindest vorerst nicht. Es war eher ein langsamer Vorgang, der ihm nur vage Eindrücke bescherte, eine willkürliche und rein visuelle Erfahrung. Alles schien sich nur in seinem Kopf abzuspielen, doch die Bande festigten sich nach und nach rapide. Unterdessen fragte sich Taffer allerdings immer wieder, worin genau diese Vereinigung bestand. Handelte es sich dabei um eine organische Entität, eine außerirdische Lebensform oder etwas von Menschen Geschaffenes? Der Verdacht, was er gerade erlebte, sei unnatürlichen Ursprungs, verhärtete sich leider mehr und mehr.

Mit der Zeit wurde das Bild klarer und die Erfahrung wirklichkeitsgetreuer. Deshalb wirkte es weniger wie ein Hirngespinst und eher so, als befinde er sich tatsächlich an dem jeweiligen Ort, den er gerade betrachtete. Und je länger er dies tat, desto präsenter fühlte er sich. Sein Seh- und Hörvermögen, ja sogar sein Geschmacks- und Tastsinn – gerochen hatte er noch nichts – verbesserten sich und wurden zusehends schärfer.

Über diese Bande reiste er nun um die ganze Welt, wobei er beliebig zu irgendeinem der vielen Orte abbiegen konnte, die er sich vorstellte. Er flog über Städte und Bauwerke, bisweilen sogar direkt hindurch. So erfuhr er nach und nach eine Menge über die Funktionsweise des Vorgangs an sich. Wie dieser mit den Dingen zusammenspielte, die ihm begegneten, fand Taffer besonders auffällig. Er konnte so die Entwicklung dieses Mechanismus in seiner trägen und unsteten Art fast von Beginn an bezeugen. Er vollzog mit, wie sich die Abläufe irgendwann beschleunigten, und zwar in immer schlüssigeren Bahnen. Was auch immer dieses Bündnis forcierte, zeugte vom Verhalten einer Person, die auf Entdeckungsreise ging und lernte.

Erst als Taffer eine abgelegene Insel erreichte – so geschwind im Sog der Verbindung, dass alles rings um ihn herum verschwamm – verstand er endlich, was es damit auf sich hatte. An diesem Ort war er schon einmal vorbeigekommen und er schien den Vorgang zu begünstigen. Zuvor hatte er eine andere Richtung eingeschlagen, um die Welt weiter zu erforschen und etwas Bedeutsames zu finden, doch wie es aussah, gab es im Moment mit Hinblick auf das Ende der Menschheit nichts Bedeutsameres auf der Welt als diese Insel.

Er setzte deshalb zum Tiefflug an, glitt auf der Strömung über die grünen Wiesen, hohen Bergspitzen und das nebelverhangene Blätterdach der Wälder. Plötzlich tat sich eine Kleinstadt voller Leben vor ihm auf. Dort standen parallel aufgereiht Armeezelte, und viele Menschen scharten sich auf den schmalen, geraden Straßen. Auf den ersten Blick wirkte es äußerst idyllisch … eine propere Zeltstadt auf einer Tropeninsel mit einer üppigen Vegetation … doch Taffer flog schnell und sah direkt hinter der Siedlung einen hohen Zaun. Dieser bestand aus einem ungeheuren Gewirr von Metallkabeln zwischen stämmigen Betonpfeilern, die sehr stark verwittert waren, überzogen mit schwarzer Fäulnis und grünen Auswüchsen des Dschungels, so als stünden sie schon seit Jahrzehnten dort. Mehrere der dicken Trossen baumelten lose zwischen Lianen, die überall am Zaun wucherten. Taffer sah nun einen Bereich, der offenbar gerade ausgebessert wurde. Dort brannten die Ranken, Arbeiter reparierten Kabel, und der Boden in der Umgebung wurde geräumt.

Im Nu war er bei den Zelten angekommen und am Zaun vorbeigerast, allerdings nicht, ohne zu bemerken, dass es sich bei den Menschen in dieser hübschen Kleinstadt wohl um Sträflinge handelte. Die Strömung mied den Zaun anscheinend. Das fand Taffer insofern seltsam, weil sie sich ansonsten durch nichts aufhalten ließ. Ein ums andere Mal war ihm aufgefallen, dass er auf seiner Bahn von bestimmten Hindernissen abgelenkt wurde oder sie einfach umflog, doch welche Faktoren dies bedingten, musste sich ihm erst noch erschließen. Sein Weg schien diese Insel nur zu streifen und über ein kurzes Stück Ozean zu einer weiteren zu führen. Diese war größer, ihr Gebirge höher und der Urwald dichter, aber auch von einer Decke aus Nebel überzogen, die sich ausdehnte und aufbrach, während er sich in den dicken Schwaden kräuselte. Selbst wo er sich lichtete, blieb das, was darunterlag, nahezu unkenntlich.

Taffer näherte sich nun mehreren großen Zementbunkern, die wiederum genauso grün und schwarz überwuchert waren wie die gigantischen Betonpfeiler, welche die Zeltstadt umgeben hatten. Er erhaschte Blicke auf saubere Sträßchen und kleinere Gebäude im Dickicht des Dschungels.

Die Strömung verzweigte sich in verschiedene Richtungen, als sei sie darauf bedacht, die Insel zügig abzusuchen. Während sich Taffer mitreißen ließ, offenbarten sich einige interessante Dinge. Nicht nur die Landschaft mit ihren rauschenden Flüssen, steilen Wasserfällen und vulkanischen Höhlen, die ein komplexes System bildeten. Auf einem entlegenen Zipfel des Eilands entdeckte er eine große, verfallende Villa aus viktorianischer Zeit, ein paar Satellitenschüsseln auf einem Berggipfel, um die sich offenbar schon lange niemand mehr kümmerte, und sogar die Ruine eines uralten Tempels, wie es den Anschein hatte. Sie bestand nur noch aus einzelnen Steinen, deren Anlage – sie waren sorgfältig aufeinandergeschichtet worden – allerdings auf eine Treppe schließen ließ. All dies lag verborgen unter dem kaum zu durchdringenden Wald, anscheinend ohne dass die Strömung irgendetwas davon als wichtig erachtete. Taffer wurde bewusst, dass er möglicherweise der erste Mensch seit Jahrhunderten war, der diese Dinge sah. Seine Bahn endete damit, dass er um das größte Betongebäude herumkreiste. Das Band schlang sich nun darum, als wenn es das Gebäude abtasten wollte. Taffer fiel auf, dass die Fenster im Gegensatz zu den Wänden neu und sauber waren. Im Vorbeifliegen konnte er sogar kurz hineinschauen. In ausnahmslos jedem Raum arbeiteten Menschen jedweden Schlages an verschiedenen Gerätschaften.

Als jemand eine Tür öffnete, beschleunigte die Strömung stärker denn je und bündelte ihre ganze Kraft, um in das Gebäude eindringen zu können. Sie schien die Tür wie ein Festkörper aufzudrücken und anschließend gegen die innere Wand zu schlagen. Taffer hörte sie pfeifen, während sie durch die engen Räumlichkeiten brauste, und dann polterten Gegenstände, die umfielen, als sie darüberfuhr, und die Schreie der Personen ertönten, die sie umschwärmte. Nichtsdestotrotz blieb vieles in dem Gebäude von ihr verschont. Taffer hatte plötzlich den Gedanken, dass Elektrizität dabei eine Rolle spiele.

Kurz sah er erschrockene und verstörte Gesichter, während sich der Strom verdichtete, Fahrt aufnahm und die Räume durchflutete. Er war einfach nicht aufzuhalten. Offensichtlich versuchte mancher, danach zu schlagen, oder warf sich einfach auf den Boden, um ihm auszuweichen.

So wie das Band das Gebäude durchdrang und jeden vorhandenen Winkel, jede Nische und Rille sondierte und alle Personen untersuchte, konnte man an eine wilde Hetzjagd denken. Die Informationsfülle, die sich dadurch ergab, überforderte Taffer ganz und gar. Er war vollkommen außerstande, dies zu unterbinden. Es ließ sich einfach nicht ausblenden, weshalb er schon nach wenigen Minuten befürchtete, deshalb den Verstand zu verlieren.

Es dauerte nicht lange, und er erinnerte sich nicht mehr an seinen eigenen Namen und drohte, auch alles andere zu vergessen, was ihn selbst betraf. An eine Sache klammerte er sich jedoch krampfhaft: an seine unverfälschten Emotionen. Was er noch bewusst wahrnahm, war nur wenig und es versetzte ihn noch dazu in äußersten Schrecken.

***

Als die Sonne aufging, weckte Cooper Ellen. Er zeigte besorgt auf Taffer.

»Er hat die ganze Nacht über nicht einen Muskel bewegt.«

Ellen schaute beklommen zu ihm hinüber und dann wieder auf Cooper, wobei sie mit den Schultern zuckte.

»Was sollen wir denn jetzt tun?«, fragte sie.

Er ging zu Taffer und betrachtete intensiv sein Gesicht. Was er sah, ließ ihn erschaudern: Die Pupillen waren nach innen verdreht, er wirkte abgehärmt und ausgezehrt, von seiner Leichenblässe mal ganz zu schweigen. Seine Haut war nicht nur bleich, sondern so weiß, als sei er geschminkt worden.

Als Ellen Coopers Reaktion bemerkte, lief sie schnell zu ihm.

»Was jetzt?«, drängte sie, doch er zog Taffer bereits nach unten, um ihn behutsam auf den Boden zu legen.

Dann fing sie an, sanft die Wangen ihres Freundes zu tätscheln.

***

Wie an einem Gummiband, das plötzlich die Spannung verlor, wurde Taffer mit unglaublicher Geschwindigkeit über den Erdball zurückgezogen. Die Welt ringsherum verwischte zu vollkommener Unkenntlichkeit. Zuletzt fand er sich bei Ellen und Cooper auf dem Dach wieder.

***

»Ich bin okay«, beteuerte er auf einmal deutlich sprechend, was die beiden erschreckte. Als er die Augen öffnete, bekam er auch wieder Farbe im Gesicht. Von Sekunde zu Sekunde schien er wieder Fleisch auf die Knochen zu bekommen. Prompt setzte er sich gerade hin und redete einfach weiter.

»Ich bin noch … am Lernen.« Taffers Einzigartigkeit sowie das höhere und niedere Selbst, das er gerade erfahren hatte, all dessen war er sich noch immer im vollen Umfang bewusst.

Taffer stand nun auf, fand sein Gleichgewicht wieder und trat an die Dachkante heran. Dort nahm er die gleiche Haltung an wie zuvor. Er wollte der Insel aber fernbleiben, jedenfalls bis auf Weiteres. Dass er irgendwann zurückkehren musste, war ihm klar. Denn dort gab es etwas, das einer näheren Betrachtung bedurfte.

»Ich werde wohl eine Zeit lang hierbleiben. Ihr zwei dürfte aber gern irgendwohin verschwinden, wenn ihr wollt, und etwas anderes tun.« Er hielt es für klüger, ihnen zu verschweigen, was ihm gerade widerfahren war und dass er ihnen wahrscheinlich das Leben gerettet hatte.

»Also, ich lasse ihn bestimmt nicht alleine zurück«, stellte Ellen sofort klar.

Cooper schaute Taffer an, während er sie fragte: »Macht es dir denn etwas aus, wenn ich gehe und noch mehr Zeug für uns zusammenpacke? Ich will nämlich nicht ewig auf diesem Dach bleiben, sondern stattdessen nach Norden ziehen, zu dem Ort, von dem ich euch erzählt habe.«

Während sich die Geschwister austauschten, war Taffer wieder vollkommen geistesgegenwärtig und dennoch überall gleichzeitig. Dies zu verstehen fiel ihm äußerst schwer.

Er lebte, wohingegen alle anderen, die so waren wie er, tot waren. Sie taten nichts weiter, als herumzustreifen und zu fressen. Er aber war bei Bewusstsein, sie nicht.

Jemand berührte seinen Arm.

»Taffer, du machst uns Angst!« Ellen wollte ihn zwar in Ruhe lassen, doch ihre Sorgen hatten so weit zugenommen, dass sie sich einfach nicht mehr beherrschen konnte. Sie zog ihn sanft zu sich. »Das war zu lange! Du musst wenigstens mal für kurze Zeit aussetzen.«

Stunden? Minuten? Tage? Keine Pause, egal wie lang, wäre ihm recht gewesen, auch wenn er nicht abgestritten hätte, dass es wahrscheinlich ratsam wäre. Er öffnete die Augen und entspannte sich, während er die Arme hängen ließ.

»Bist du okay?«, fragte Cooper erneut. Man hätte glauben können, Taffer stehe schon seit Tagen so da.

»Ja, bin ich. Dieses Virus … es hat mich verändert.«

»Ach was? Auch schon bemerkt?« Spöttisch zu reagieren drängte sich Cooper offenbar auf. Denn das war die Untertreibung schlechthin.

»Ich bin immer noch ich. Ich kann mich nach wie vor zu hundert Prozent selbst beherrschen, stehe aber auch in Verbindung mit ihnen.« Er schwenkte einen Arm herum. »Durch sie kann ich die ganze Welt spüren.«

»Na gut, ich begreife zwar nicht, was das alles zu bedeuten hat, aber eines weiß ich: Ich will von diesem Dach hinunter und zu dem Ort, von dem ich euch erzählt habe.« Cooper machte sich daran, seine Sachen aufzulesen.

»Es bedeutet …« Taffer schaute ihn mit einem intensiven Blick an. »… dass ich fühle, wie sie sich verändern … und wie ich mich selbst verändere.« Er hob die Arme, sah die Geschwister an und ließ seine Hände kreisen.

Cooper sprach leise zu Ellen: »Er ist bescheuert. Was sollen wir denn nur mit ihm anstellen?«

Beide überlegten stillschweigend, während sich Taffer wieder abwandte, um die Scharen der Zombies zu überblicken. Nach einem Augenblick sagte er: »Seht, ich habe euch den Weg freigemacht.«

Die Zwei gingen zur Kante und schauten in die Ferne. Zwischen den Untoten war eine deutliche Lücke entstanden, ein Pfad, der mitten durch die Menge auf dem Parkplatz zur Straße hinunter führte.

»Wie hast du das geschafft?« Cooper war mehr als nur erstaunt.

»Wie lange kannst du sie so zurückhalten?«, wollte Ellen wissen.

»Ich halte sie nicht zurück. Ich habe es ihnen befohlen! Sie angewiesen. Sie würden für immer so stehen bleiben, außer ich erlaube ihnen, sich wieder zu bewegen.«

Es erinnerte an eine grotesk abgewandelte Szene aus »Der Zauberer von Oz«, in der Dorothy, der feige Löwe und die Vogelscheuche der gelben Steinstraße folgten, als Taffer, Cooper und Ellen ungehindert Arm in Arm zwischen zwei Armeen stöhnender und ins Leere greifender Zombies hindurchgingen. Kein einziger Untoter näherte sich ihnen.

Sie setzten ihren Weg im Gänsemarsch fort, zügig und in der Mitte der Schneise. Das Fauchen und Stöhnen der Leiber wirkte noch lauter, wenn sie an ihnen vorbeikamen.

»Wohin führst du uns?«, fragte Cooper nun.

Aber Taffer gab keine Antwort. Er blieb auf einmal stehen und drehte sich um. »Sie hassen das. Ja, das tun sie, und auch mich, weil ich es ihnen zumute.« Er sah plötzlich ängstlich aus. Auf einmal schlug er die Hände vor dem Gesicht zusammen und seufzte. »Sie greifen mich an!«

»Was?«, riefen die Geschwister gleichzeitig.

Er stieß einen gequälten Schrei aus. Die Zombies wichen zurück, rückten aber gleich darauf wieder heran. »Sie … Ich kann es nicht erklären. Sobald ich den Kontakt zu ihnen gesucht habe, haben sie mich bemerkt. Jetzt haben sie sich gegen mich zur Wehr gesetzt.«

»Die Zombies?«, hakte Cooper verwirrt nach.

»Ihr zwei müsst laufen, solange noch Zeit ist. Noch ein paar Minuten, dann bin ich endgültig verloren.«

Ellen packte ihn am Arm. »Ich lasse dich aber nicht im Stich.«

»Du musst fliehen, es gibt keine andere Möglichkeit. Denk daran, sie verändern sich!« Bei diesen Worten schloss Taffer seine Augen und verharrte. Er war nicht mehr ansprechbar. Die Zombies rückten noch ein Stück näher.

»Los, weiter.« Cooper zog Ellen an einem Arm hinter sich her. Sie drehte sich nach Taffer um, weil sie sich nicht von ihm trennen wollte, und stürzte dabei fast. Cooper ließ sie nicht los, auch nicht, als sie wieder nach vorne schaute und geradeaus lief.

Hände grapschten nun nach ihnen, verfehlten sie immer knapper. Der Pfad wurde immerzu schmaler, und Cooper strengte sich an, um schneller vorwärtszukommen, auch wenn er gar nicht wusste, wohin. Mit seiner freien Hand langte er nach unten und zog eine Pistole hervor. Er wollte nicht auf die Untoten schießen, sondern tat es nur für den Fall, dass er sich und seiner Schwester einen schmerzhaften Tod ersparen musste. Die Lücke schloss sich immer weiter um sie herum.

Fast blieb Cooper das Herz stehen, als er unvermittelt stolperte und ungebremst auf das Gesicht fiel. Ellen landete auf seinem Rücken. So lag er niedergedrückt am Boden, und die Zombies waren nur noch wenige Fuß von ihnen entfernt. Bevor er sich allerdings aufraffen konnte, fing seine Schwester plötzlich an zu kreischen und schlug wild um sich, wobei er spürte, dass sie gewaltsam gepackt und von ihm weggezogen wurde. Dass Einzige, was ihm dabei durch den Kopf ging, war: Nein, nein, nein, nein, nein!

Er versuchte panisch, auf die Beine zu kommen, wurde aber in dem heftigen Gemenge über ihm immer wieder zurück auf die Erde geworfen.

Dann hoben sie Ellen auf einmal von seinem Rücken herunter. Sofort stiegen ihm die Tränen in die Augen, als er ihre Schreie hörte, die jedermanns Blut in den Adern gefrieren lassen hätten. Er wollte sie unbedingt retten, obwohl er wusste, dass sie so gut wie tot war.

Indem er die Hände flach auf den Boden drückte, versuchte er, sich wieder aufzurichten, kam aber nicht zum Stehen, geschweige denn überhaupt mit der Brust vom Boden hoch. Kaum dass er das Gewicht seiner Schwester nicht mehr auf sich spürte, trampelten die Zombies auf ihm herum. Hier ein Knie und dort eine Hand – die Untoten überrollten ihn regelrecht. Sie strauchelten, stürzten und standen wieder auf, um ihre Beute zu jagen. Ellens Geschrei spornte Cooper an, sodass er seine Muskeln bis zum Zerreißen anspannte, doch es brachte einfach nichts, die Masse der Zombies begrub ihn unter sich. Das Atmen fiel ihm immer schwerer.

Mit dem Gesicht auf dem rauen Asphalt weinte er, als die Schreie seiner Schwester abrupt abbrachen. Er gab seinen Kampf auf, und wartete, dass sie ihn in Stücke rissen beziehungsweise bei lebendigem Leib verzehrten.

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