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Kapitel 8

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»Geht in Ordnung, Everet. Du bleibst hier, und ich gehe allein zurück, um ihnen zu helfen.«

Rachael wollte sich nicht mit ihm streiten. Sie wusste, dass er ihr lieber in die immer noch dunklen Wälder folgen würde, als alleine im Haus zu bleiben.

Bis die Sonne aufging, würde es noch eine ganze Weile dauern, und ihr war daran gelegen, Ben nach Möglichkeit auf dem falschen Fuß zu erwischen. Als sie jedoch in die Nähe der Lichtung kamen, schwelte der Horizont bereits in Zartrosa und Orange. Im Wald blieb es allerdings weiterhin dämmerig. Rachael plante, zuerst Willow umzubringen, bezweifelte allerdings, dass sie ernsthaft das Zeug dazu hatte, jemanden zu töten. Je näher sie kamen, desto ängstlicher wurde sie, weil sie nicht wusste, was sie letzten Endes tun sollte.

»Da ist sie«, flüsterte Everet und zeigte auf die Stelle, wo der offene Platz begann. Von der Feuerstelle stieg immer noch Rauch auf. Man konnte praktisch dabei zusehen, wie es immer heller wurde.

»Mir nach.« Rachael ging mit einem gezückten Messer vor Everet her, das sie aus dem Haus mitgenommen hatte. Nach ein paar Schritten waren sie so dicht herangekommen, dass ihr erstmals die Stille auf der Lichtung auffiel. Zuerst dachte sie, alle seien verschwunden, aber dann trat sie auf etwas Weiches, das laut schmatzte.

»Shit!« Rachael sprang zurück und stieß prompt gegen Everet. Auf dem Boden lag ein Arm!

Sofort rannte sie auf den Platz, wo sie zu ihrem Entsetzen auf ein wahres Blutbad stieß. Halb gefressene Leichen lagen herum, Körperteile und Blutlachen nahmen die Fläche dazwischen ein. Sie war den Tränen nahe, konnte aber trotzdem nicht weinen.

»Hey, schau mal.« Mit einem Stock hob Everet vorsichtig einen langen Rastazopf hoch.

Während Rachael auf der Lichtung herumging, fragte sie sich, was sie machen sollte. Bens Minibus stand noch immer am Waldrand, und wer wusste schon, ob sich jemand darin versteckte?

»Also gut, wir sollten schnellstmöglich wieder abhauen.« Everet ließ den Haarstrang angewidert fallen und wischte sich die Hände an seinem Shirt ab.

»Was ist, falls noch jemand lebt und Hilfe braucht?«

Er zuckte mit den Achseln. Nicht dass er es grundsätzlich abgelehnt hätte zu helfen, aber ihm fiel einfach nichts ein, was sie unternehmen könnten.

Rachael hob ein Holzstück auf. Als sie den Kopf eines Mädchens fand, steckte sie es in den Boden.

Sie suchte noch einen Stock, dann einen weiteren, und rammte schließlich für jedes Mitglied des Zirkels, das sie identifizieren konnte, einen in die Erde. Oft waren nur noch fast vollkommen abgenagte Knochen übrig. Außerdem lagen große Hautfetzen herum, die jemand offenbar mit roher Gewalt abgestreift haben musste.

Es war eine wirklich unschöne Angelegenheit, doch die beiden schafften es, zehn Personen voneinander zu unterscheiden. Somit fehlte nur noch eine, die entweder die Flucht ergriffen oder ihr Leben anderweitig gelassen hatte. Sie glaubten mit ziemlicher Gewissheit, dass es Ben war.

Willows Überreste fanden sie letzten Endes auch noch. Die Frau war kaum noch zu erkennen. Wären nicht drei Dreadlocks mit den eingeflochtenen Muscheln und Bändchen um ihren Schädel gewickelt gewesen, hätten sie es nicht sicher sagen können. Als es heller wurde, entdeckten sie rings um die Leiche herum noch mehr Haarteile. Sie gingen davon aus, dass Ben zu Fuß getürmt war, und mit etwas Glück würden sie seine Gebeine verstreut am Waldboden, wie jene ihrer Freunde finden.

Sobald sie wussten, dass sie alle Toten bestimmt hatten, besprachen sie ihren nächsten Zug und kamen darin überein, mit Bens Bus in die Stadt zu fahren, um sich neu zu orientieren. Everet wollte auch noch zu seiner Wohnung, falls es sich irgendwie bewerkstelligen ließ, damit er ein paar Sachen mitnehmen konnte, die ihm wichtig waren. Für Rachael grenzte dies zwar an Wahnsinn, doch sie ließ ihm trotzdem seinen Willen, denn sie brauchten ja schließlich Proviant. Dennoch wollte sie in erster Linie schnell in die Abgeschiedenheit der Luxusvilla zurückkehren und eine unbestimmte Zeit dort verweilen, ohne irgendwelche Untoten und ohne Ben, falls er noch lebte, geradewegs auf ihre Fährte zu locken. Sie fuhren deshalb weit hinaus in die dem Haus entgegengesetzte Richtung nach Monterey. Umdrehen würden sie erst, wenn sie sich sicher waren, dass ihnen niemand folgte.

***

Ben lag immer noch überschwänglich selig von den Schmerzmitteln im Laderaum des Busses. Er konnte kein bisschen abschätzen, wie lange er bewusstlos gewesen war. Sich von der Stelle zu bewegen lag ihm allerdings ganz und gar fern. Nach einer Weile setzte er sich zumindest vorsichtig hin und zog die Seitentür des Wagens auf. Er reckte sich und gähnte, während sich seine Augen an das grelle Sonnenlicht gewöhnten. Dann befühlte er behutsam seine Weichteile, wobei ihm spontan der Name einer lokalen Band einfiel – The Genitals – und ihm ein Schmunzeln abverlangte. Sie hatten tatsächlich nur ein Konzert gegeben und den ersten Song gerade einmal halb gespielt, als das Publikum wütend auf die Bühne gestürmt war. Inmitten des Tumultes hatte jemand einem der Musiker die Kehle durchgeschnitten. Das Messer war hinterher aufgetaucht, der Täter jedoch in der Menge entwischt und nie gefasst worden.

Bens Hoden taten zwar immer noch weh, doch er würde sie wohl wieder gebrauchen können. Von der Erinnerung daran, Willow sterben zu sehen – seine Langzeitreisegefährtin, Geliebte und Komplizin – hatte er sich bereits deutlich abgekapselt. Das Weibsstück bedeutete ihm nun nichts mehr. Dies traf auch auf alle anderen zu. Er bedauerte es allerdings nach wie vor, sein Messer unter den Zuschauern beim Gig der Genitals verloren zu haben, nachdem er dem einem Kerl die Gurgel aufgeschlitzt hatte. Mit so viel Blut hätte er nicht gerechnet, und dadurch war ihm die Waffe aus der Hand gerutscht.

Nun stand er vor einem großen viktorianischen Haus mit einer dunklen Fassade.

Es war also doch kein Traum gewesen, schlussfolgerte er. Der Bus hat sich wirklich bewegt. Er fand sich nun auf der Straße vor Zamfirs Haus wieder. Wer auch immer den Wagen gefahren hatte, war vermutlich gerade drinnen. Ben konnte sich nicht entscheiden, ob er eintreten oder sich lieber klammheimlich verpfeifen sollte. Ein paar weitere Optionen gab es allerdings auch noch.

***

»Oh scheiße«, flüsterte Rachael. »Scheiße, scheiße, scheiße!«

»Was ist?« Everet stand hinter ihr.

»Pssst«, zischte sie. »Es ist Ben. Wie hat er uns gefunden? Glaubst du …«

»… dass er die ganze Zeit hinten im Bus gelegen hat?«, ergänzte Everet. »Möglicherweise. Er sieht so aus, als stünde er ein wenig neben sich. Vielleicht war er so high, dass er … Hoffentlich hat er uns nicht belauscht.«

»Nein. Wäre er mitgefahren und bei Bewusstsein gewesen, hätte er uns bestimmt angegriffen.«

»Bist du sicher, dass Willow tot ist?« Everet machte den Eindruck, ein Gespenst gesehen zu haben.

Rachael verdrehte ihre Augen. Sie klopfte ihm auf den Rücken.

»Denkst du, sie könnte davongekommen sein? Vorstellbar, dass sie auch schon im Haus ist.« Der alte Mann zitterte. Vor Willow graute ihm noch mehr als vor Ben. Der war einfach nur irre, doch sie war richtiggehend bösartig.

Rachael seufzte und klopfte ihm noch einmal auf den Rücken. Manchmal konnte sie nur darüber staunen, wie kindisch er sich benahm. Andererseits war er aber ein herzensguter Mensch, weshalb sie es sich zur Aufgabe gemacht hatte, bei ihm zu bleiben und auf ihn achtzugeben. Er brauchte sie, und bisweilen brauchte sie ihn auch. Seither hatte er sich als treuer Freund erwiesen.

Rachael schaute misstrauisch zum Fenster hinüber. Sie schob den Vorhang leicht auseinander, um vorsichtig einen Blick auf Ben zu werfen.

»Everet lass dir gesagt sein: Willow ist tot!«

Er zog die Schultern hoch und schaute auf den Boden. »Ich weiß.« Dennoch blickte er verstohlen zur Tür – sicherheitshalber.

»Was tut er gerade?« Er konnte es auch weiterhin nicht lassen, alle paar Sekunden hinüberzusehen. »Ich glaube, ich habe die Haustür nicht abgeschlossen. Soll ich …«

»Nein, so wie es aussieht, dampft er gerade ab.«

Ben schlenderte vom Haus fort in Richtung Innenstadt. Er legte dabei aber keine Eile an den Tag und schaute sich auch nicht nervös um. Tatsächlich deutete alles darauf hin, dass er sich einfach so verzog.

***

Ben beobachtete den Vorhang gespannt. Er hatte ihn wackeln sehen, oder war es nur Einbildung gewesen? Nein, schon wieder, ganz leicht … Kein Zweifel, an diesem Fenster im zweiten Stock stand jemand. Er wusste nicht, wer es war oder ob es sich um mehrere Personen handelte, aber er würde es bestimmt bald herausfinden. Er entfernte sich von dem Gebäude, um die Späher zu beruhigen und sie in Sicherheit zu wiegen. Ein wenig später, wenn sie nichts ahnten, würde er wieder zurückkommen und sich umschauen.

Er ging nun durch die verlassenen Straßen mehrerer kurzer Wohnblocks, bis er wusste, dass sie ihn nicht mehr sehen konnten. Jetzt war es nicht mehr weit bis zum Zentrum im Tal, wo alle Straßen zusammenliefen. Zamfir lebte an der Ecke Van Beuren und Jefferson, also brauchte Ben nur ein oder zwei Karrees weiterzugehen, bis er sich auf gleicher Höhe wie der Innenstadtbezirk befand. Ein paar Blocks weiter sah er massenweise Leiber stehen. Sie bewegten sich langsam, stöhnten leise vor sich hin und verbreiteten einen grauenvollen Gestank. Ben blieb davon fast die Luft weg. Er zog sich den Kragen seines T-Shirts über die Nase und bog in eine Gasse ein. Vor ihm bewegte sich eine Handvoll Untoter, also drehte er wieder um, überquerte die Straße, auf der er gekommen war, und schlug sich zwischen die Häuser. Dabei kletterte er über Zäune und balancierte auf Mauern, bis er schließlich auf eine andere Straße stieß. Von dort aus entfernte er sich den Berg hinauf von Zamfirs Haus. Er passierte mehrere Straßen, in die er schon so manchen Blick geworfen hatte, wobei ihm sogar der eine oder andere mögliche Fang aufgefallen war. Allerdings wehrte er sich instinktiv gegen impulsives Handeln. Er bewies lieber Umsicht, indem er davon absah, jemanden aus seiner weiteren Nachbarschaft zu entführen.

Er ging nun durch mehrere Wohnsiedlungen bergauf, bis die Luft langsam frischer wurde. Seit er von Zamfirs Adresse aufgebrochen war, hatte er keine Überlebenden mehr getroffen oder Leichen entdeckt. Schließlich fand er ein Haus, wo er ein wenig ausspannen und bis zum Sonnenuntergang warten konnte. Seine Nüsse hatten wehgetan, als er losgegangen war, und setzten ihm jetzt noch mehr zu. Die Schmerzen kamen mittlerweile in stechenden Schüben, die ihm schier den Atem raubten. In weiser Voraussicht hatte er eine großzügige Menge an Pillen aus Willows Vorratsbeutel mitgenommen. Im Stauraum des Busses lag allerdings immer noch knapp die Hälfte des Zeugs. Nachdem er noch ein paar Tabletten geschluckt hatte, schlief er auf dem Sofa des kleinen Bungalows ein.

Ben wachte mit einem Ruck auf und fasste sich in den Schritt. Er verzog sein Gesicht, als er sich behutsam auf die Seite rollte, um sich im Dunkeln hinzusetzen. Dass es kalt in dem Haus war, linderte seine Hodenschmerzen ein wenig. Er tastete herum, bis er sein T-Shirt auf dem Boden fand, und nahm ein paar Pillen aus der Brusttasche. Nachdem er diese eingenommen hatte, legte er sich wieder auf das Sofa und wartete darauf, dass sie wirkten.

Kurze Zeit später hörte man ihn in der Finsternis fluchen, denn er wollte eine Kerze anzünden, und brauchte eine Weile, um Streichhölzer zu finden. Danach fand er außerdem eine Schachtel mit pappigem Müsli und eine Flasche, die irgendeine übel riechende Brühe enthielt. Trotzdem trank er sie leer und verzehrte einen Teil der Zerealien, bevor er den Bungalow wieder verließ. Der Mond war aufgegangen, sodass Ben, während er mühsam und immer noch groggy nach dem langen Schlaf, die Straße hinunterging, deutlicher sehen konnte. Als er sich Zamfirs Haus näherte, ließ er die Müslipackung fallen. Vor dem alten und dunklen Gebäude stellte er sich an die gegenüberliegende Ecke und wartete. Der Bus parkte noch an derselben Stelle.

In der Zeit, die er sich zum Überlegen genommen hatte, war er zu dem Schluss gelangt, weiterzuziehen sei am besten, und deshalb wollte er sich nun schnell auf die Socken machen. Wohin, das wusste er noch nicht, doch ohne Willow genoss er jetzt alle Freiheiten. Möglicherweise zog es ihn die Küste hinauf, wo er sich unterwegs nach ein bisschen Spaß umsehen könnte. Seattle konnte er auch anpeilen, vielleicht hatte ja sogar einer seiner alten Kumpels überlebt.

Während er sich im Dunkel der Nacht anpirschte, hörte er auf einmal einen Motor starten. Die Scheinwerfer des Busses waren zwar kaputt, doch er kannte das Motorengeräusch ganz genau. Gleich darauf fuhr der Wagen vom Bordstein fort. Als sich Ben umschaute, sah er ein paar behäbige Zombies, die von dem Lärm angezogen worden waren. Das Fahrzeug verschwand nun die Straße hinunter und hupte laut. Wer auch immer am Steuer saß, dem war offensichtlich daran gelegen, jeden Zombie in der Stadt anzulocken. Ben hatte diesen Gedanken aber noch gar nicht zu Ende gedacht, ehe er erfreut begriff, dass der Fahrer die Untoten auf diese Weise bestimmt vom Haus wegbewegen wollte, weil er plante, später zurückzukehren, oder noch jemanden drin gelassen hatte. Wie viele Angehörige des Zirkels entflohen waren, konnte er nicht absehen, und es war ohnehin schlimm genug, dass er sowohl Zamfir, als auch diese Schnepfe hatte laufen lassen müssen. So oder so würde er jetzt hineingehen und jeden darin stellen oder sich weiter auf die Lauer legen.

Ben näherte sich dem Haus und ließ sich von den Schatten verschlucken. Da er so etwas schon unzählige Male getan hatte, schaltete er einfach auf Autopilot. Er war nämlich ein Experte, was Hauseinbrüche und Heimlichkeiten betraf. Die alte Bude bot unzählige Einstiegsmöglichkeiten, doch er legte Wert auf ein Überraschungsmoment. Alles blieb still, während er prüfte, ob ein altes Holzspalier sein Gewicht hielt. Sprosse für Sprosse arbeitete er sich nach oben, ohne Lärm zu verursachen. Ab und zu machte er eine kurze Pause, um zu lauschen. Um eine hohle, vor langer Zeit abgestorbene Schlingpflanze kletterte er herum. Nachdem er den ersten Stock erreicht hatte, stieg er noch weiter hinauf.

Während Ben die alte Holzkonstruktion erklomm, ging er im Kopf den Raumplan des Hauses durch. Zamfir hatte auf der kleineren zweiten Etage gewohnt, weil es dort mehrere Zimmer und zwei Bäder gab. Rachaels Bude war ebenfalls dort gewesen. Im Erdgeschoss hatte sich stets das Alltagsleben abgespielt … Geselligkeiten, Essen, Baden und Schlafen … es war ein sehr großes Haus.

Ben musste vom Spalier zu einem Rohr wechseln, um ganz nach oben gelangen zu können. Endlich hing er neben dem Fenster, das zum Glück weit offenstand. Es befand sich am Ende eines Flurs, auf dessen anderer Seite ein identisches Fenster war. Die Treppe führte auf halben Weg hinunter, und an den Wänden reihten sich mehrere geschlossene Türen. Ben trat vorsichtig auf den Teppichboden und schlich gefühlvoll Schritt für Schritt an einer Wand entlang durch den Flur. Aus Erfahrung wusste er, dass alte Holzböden weniger knarrten, wenn man sich am Rand hielt, statt in der Mitte zu gehen. Er blieb abermals kurz stehen, um wieder zu lauschen. Ihm kam es so vor, als tue sich etwas unten. Ein wonniger Schauer lief ihm über den Rücken.

Ben bewegte sich über ausgesprochen vertrautes Terrain. Seine Jugend in Portland war von Einbrüchen und unbefugtem Betreten und von Raub und Fummeleien geprägt gewesen, irgendwann jedoch zu Vergewaltigung und Mord ausgeartet. Gewiss war davon auszugehen, dass viele Forensiker an der Westküste seine DNS gesichert hatten. Er bemühte sich deshalb, keinerlei Spuren zu hinterlassen, doch am Ende eskalierte es irgendwie doch immer. Obwohl er nicht glaubte, dass sich jemand im zweiten Stock aufhielt, schaute er trotzdem in alle Zimmer.

TRANSFORMATION (Euphoria Z 2)

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