Читать книгу Monas braune Augen - Lutz Hatop - Страница 12
Eine entwürdigende Erfahrung
ОглавлениеBeide stiegen ins Auto und fuhren ins Hotel. Mike war froh, im Auto zu sitzen. Auf der Fahrt sagte er kein Wort, Tränen schimmerten auf beiden Wangen. Er wusste, er hatte soeben seine Familie verloren. Mit vielem hatte er gerechnet, aber nicht damit. Wie würde Mona sich weiter verhalten? Seine Mutter hatte sie zutiefst verletzt. Und ihn auch.
Als sie im Hotel ankamen, gingen sie zuerst auf ihr Zimmer. Mike hatte sich immer noch nicht beruhigt. Mona legte ihren Arm um seine Schulter.
„Mike, lass es gut sein. Damit konnte niemand rechnen. Außerdem geht das alles gegen mich. Das war auch nicht das erste Mal für mich. Nur gab es diesmal einen riesigen Unterschied, mein weißer Freund hat zu mir gehalten! Als deine Mutter dich vor die Entscheidung stellte, dachte ich: Aus, vorbei. Wie schon einmal, nur wesentlich schlimmer.“ Mike bekam große Augen. „Du hast das schon mal erlebt?“
„Ja, Mike. Das ist auch der Grund, warum ich weiße Jungs bisher immer abgelehnt habe. Ich hatte schon einmal einen weißen Freund. Er hielt unsere Beziehung gegenüber seinen Eltern immer geheim. Sein Vater war ein enger Freund und Geschäftspartner von meinem Vater. Nachdem wir es publik gemacht hatten, stellten sich seine Eltern voll gegen mich. Er hat sich für seine Eltern entschieden und einen Satz gesagt, den ich bis heute nicht vergessen habe.“
„Jetzt verstehe ich auch deine Reaktion nach unserer ersten Nacht. Was hat er denn zu dir gesagt?“
„Es gibt auch noch andere Mütter mit schöneren … und weißen Töchtern.“
„Das hat er so gesagt? Was für ein Kotzbrocken! Sei froh, dass nichts aus euch geworden ist. Lang hätte die Beziehung nicht gehalten. Außerdem wären wir dann auch nicht zusammen.“
Mona atmete tief durch, „und wie ich nun festgestellt habe, gibt es noch andere auch weiße Söhne, die zuverlässig sind. Meine Mutter hat mich noch genau vor dieser Situation gewarnt. Gott sei Dank! Sie hatte in einer Beziehung Unrecht.“
„Oh, wie meinst du das?“ Er stockte, „du, mich treibt aber was ganz anderes um. Was wirst du jetzt tun? Wirst du weiterhin zu mir halten oder mich auch verlassen, nach allem was man dir an den Kopf geworfen hat.“
Mona nahm Mikes Hände in die ihren, legte ihren Kopf leicht auf die Seite, lächelte und sagte leise, „ich bin bei dir an deiner Seite, ich lass dich nicht im Stich, jetzt nicht und später auch nicht! Ich liebe dich viel zu sehr. Die Worte deiner Mutter konnten mich nicht verletzen, weil du mit ungeheurer Stärke dazwischen gegangen bist und mich geschützt hast. Und genau da sind die Befürchtungen meiner Mutter nicht eingetroffen. Ich war mir in Berlin schon sicher, dass du mich schützen wirst. Ich habe mich nicht getäuscht, dafür bin ich dir sehr, sehr dankbar!“ Mona blickte Mike liebevoll an und drückte ihn fest an sich.
Mike hatte Tränen in den Augen und sagte kaum hörbar. „Bitte bleib bei mir. … Und danke, dass du mitgekommen bist. Ich muss dir auch noch was gestehen. Als ich bei Angelika war, hat sie mich angefleht, bei ihr zu bleiben. Mir sind tatsächlich Zweifel gekommen, ob ich das Richtige mache.“
„Oh, und dann?“
„Dann ist mir bewusst geworden, wie sehr ich dich liebe. Dein Bild erschien vor meinem Augen mit einer unglaublichen Präsenz. Von da an wusste ich, wohin ich gehöre. Bitte verzeih mir meine Schwäche, aber das war echt hart.“ Mona lächelte ihn an. „Es ist alles in Ordnung. Ich weiß, dass das sehr schwer für dich war. Ich bin dir auch unendlich dankbar für deine Standhaftigkeit. Komm, lass uns ins Restaurant gehen und was essen.“
„Ich hab aber keinen Hunger.“
„Bitte, mir zuliebe, hm?“
„Okay, hast ja Recht. Ein gutes Viertele Trollinger wird mir jetzt nicht schaden.“ Das Restaurant lag im kleinen, aber berühmten Ort Hohenstaufen unterhalb des gleichnamigen Berges, der heute noch Mauerreste der Stammburg der berühmten Stauferkaiser trägt.
Es war bereits dunkel geworden und so konnte man vom herrlichen Panorama leider nichts sehen, nur ein paar Lichter zeigten den Standort von Gehöften oder Häusern. Bei Tageslicht hatte man einen weiten Blick über das Land auf die beiden Kaiserberge Hohenrechberg und Stuifen.
Sie saßen bereits einige Zeit im Restaurant und hatten schon gegessen. Mike hatte schon sein zweites Viertele bekommen, da wechselte Mona die Tischseite und setzte sich neben ihn. „Wie fühlst du Dich?“
„Das ging wesentlich schlimmer aus, als ich dachte. Es gibt aber einen großen Lichtblick für mich, du bist bei mir und das macht mich sehr glücklich.“ Mona sagte kein Wort, schaute ihn nur an.
Mike bestellte die Rechnung, dann gingen sie gemeinsam in ihr Zimmer. In dieser Nacht war nur Kuscheln angesagt. Nach den Erlebnissen der letzten vierundzwanzig Stunden wussten beide nun sicher, dass sie sich ineinander verliebt hatten. Mike war innerlich zerrissen, einerseits war er unendlich glücklich, dass Mona seine Liebe erwiderte, zum anderen wütend, aber noch mehr traurig, wie seine Eltern reagiert hatten.
Insbesondere seine Mutter war ihm ein Rätsel. Christiane war eine Frau, die mit beiden Beinen mitten im Leben stand. Er kannte sie nur als rücksichtsvoll, tolerant und hilfsbereit. Wer auf der Karriereleiter aber so steigt, musste hart gegen sich selbst und auch gegen seine Umwelt sein, das wurde ihm jetzt erst bewusst. Diese Härte, aber auch eine große Portion nicht gekannter Vorurteile, bekam er jetzt zu spüren. Niemals hätte er seiner Mutter eine solche Einstellung zugetraut.
So lag er die Nacht lange wach, drehte sich zu Mona hin, die friedlich schlief. Als er sie so eine Zeitlang im Dunkeln ansah, öffnete sie plötzlich die Augen. „Kannst du nicht schlafen?“
„Nein, ich hab immer noch Tohuwabohu im Kopf.“ Mona schlüpfte zu Mike, kuschelte sich dich an ihn und flüsterte: „Habe Mut. Wir schaffen das, gemeinsam.“