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KAPITEL 1 – VERLIEBT Erste Begegnung

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Anfang Februar, kurz vor acht Uhr. Ein dunkler kalter Tag, das Thermometer zeigte sieben Grad Minus. Mike zog sich die Mütze einige Zentimeter tiefer ins Gesicht, klappte den Mantelkragen nach oben und streifte sich den Schal über den Mund. So geschützt verließ er die U-Bahn am Bahnhof Potsdamer Platz und erreichte nach langem Aufstieg die freie Fläche vor dem gläsernen Turm der Zentrale der deutschen Bahn. Kaum aus dem Schutz des Aufgangs gekommen, blies ihm der eiskalte Wind heftig ins Gesicht. Sein Atem stockte.

Sieben Grad, dass ich nicht lache, fühlen sich an wie fünfzehn Grad. Aber was macht man nicht alles für eine Frau. Eine Frau? Nein, seine zukünftige Frau, Angelika. Bei diesen Gedanken musste er unwillkürlich lächeln, vor seinen Augen entstand ihr Bild mit den langen rotblonden Haaren, die er so liebte.

Schnell lief er über die Straße, blieb kurz auf dem Mittelstreifen stehen und blickte zu einem Stern am Boden. Darunter stand: Marlene Dietrich. Also auch hier in Berlin, nach dem großen Vorbild Los Angeles: der Weg des Ruhmes. Das passte auch zum heutigen Tag, denn der Kartenverkauf für die Berlinale begann genau um neun Uhr. Endlich erreichte er die Potsdamer Platz Arkaden, ein typisches Einkaufszentrum nach amerikanischem Vorbild. Er drückte die große Glastür auf und betrat das Erdgeschoss.

Die Temperaturen waren jetzt mehr als erträglich, er nahm seine Mütze ab, stopfte sie in die linke Manteltasche und ging zielstrebig zum Ende einer der langen Schlangen, die sich schon jetzt, eine Stunde vor Öffnung der Kartenhäuschen in den Arkaden gebildet hatten. Er musste nur noch jemanden finden, mit dem er sich austauschen konnte. Das war nicht einfach, musste aber sein, benötigte er doch vier Eintrittskarten, denn nur zwei konnte er pro Film erwerben.

Mike fragte herum, wer noch zwei Karten mehr erstehen könnte, im Gegenzug bot er das gleiche an. Keiner, weder vor, hinter oder neben ihm ging auf sein Angebot ein. In diesem Augenblick wandte sich eine Frau, die gerade mal zwei Meter von ihm entfernt stand, um. Sie trug einen blauen Wintermantel, passend dazu eine adrette blaue Strickmütze mit rosa Band.

Seine Blicke trafen die ihren für wenige Sekundenbruchteile. Er musste schlucken. Was für eine Schönheit. Sie besaß eine fast schwarze Hautfarbe. Woher stammte sie, aus Ghana, Kenia oder gar Brasilien? Diese Gedanken kamen Mike in den Kopf. Schon hatte sie ihm wieder den Rücken zugewandt. Mike blieb stehen, versuchte sich wieder auf den Kartenkauf zu konzentrieren. Jedoch blickte er wieder und wieder verstohlen zu der Frau, die immer noch keine zwei Meter von ihm entfernt stand.

Auch sie versuchte mit den umstehenden Personen ins Gespräch zu kommen. Doch jeder schüttelte nur den Kopf oder verneinte. So wandte sie sich dem älteren Herrn direkt vor Mike zu, wollte wissen, ob er nicht ebenfalls zwei Karten für sie kaufen könnte. Als Mike das hörte, packte ihn eine leichte Nervosität.

Hoffentlich sagt er nein, dann kann ich mich anbieten. In seinem Eifer, seine Bereitwilligkeit zu zeigen, schubste er von hinten versehentlich den älteren Herrn. Der ließ vor Schreck seine gesammelten Prospekte und Broschüren fallen. Mike entschuldigte sich sofort und beeilte sich, diese wieder aufzusammeln. Die junge Frau half ihm dabei. Sie reichte Mike ihre aufgehobenen Prospekte. Bei der Übergabe berührte er ihre Hand.

In dieser Sekunde trafen sich ihre Blicke zum zweiten Mal. Für eine gefühlte Ewigkeit schauten sich beide tief in die Augen. Mike konnte seine Augen überhaupt nicht mehr von den ihren lösen. Wow, was für Augen! So was hab ich noch nie …

Jäh wurde er aus seinen Gedanken gerissen: „Entschuldigung, können Sie jeweils zwei zusätzliche Karten kaufen?“ Das war die Frage, die er sich vor wenigen Minuten noch gewünscht hatte. „Ja“, erwiderte er lachend. „Super, ich dachte schon, ich finde niemanden mehr. Klar kann ich!“

Auch sie lachte ihn an: „Na, dann kann ja nichts mehr schiefgehen.“

Mike stellte sich mit zu ihr in die Warteschlange, beide ließen dem Herrn den Vortritt.

„Da habe ich mich gerade wohl etwas ungeschickt angestellt. Es war aber keine Absicht.“ Die Antwort kam herausfordernd. „Wer weiß? Vielleicht war es ja doch Absicht und Sie wollten mich kennenlernen, oder warum haben Sie mich gerade so angestarrt, hm?“

Absichtlich blickte sie ihn direkt an. Und wieder, diese Augen faszinierten ihn unendlich, so hielt er ihren Blicken auch stand. Leise murmelte er vor sich hin: „Ich hatte auch gute Gründe.“

Ihr Blick wurde unsicher, schnell wechselte sie das Thema. „Sollen wir zuerst mal die Filme abgleichen?“

„Ja, natürlich. Ich habe ‚Barbara‘, ‚Coming home‘ und ‚Was bleibt‘. Welche haben Sie?“

„Die gleichen und noch ein paar andere!“

„Wie, die gleichen! Das gibt es doch nicht!“ Sie musste lachen.

„Doch, scheint so zu sein.“ Mike wurde immer unruhiger.

„Wenn wir jetzt noch die gleichen Uhrzeiten haben, war das wohl Schicksal!“

Auch bei ihr wuchs die Neugier. „Jetzt bin ich aber gespannt.“ Beide schauten gegenseitig auf ihre Listen und stellten aber nur eine Übereinstimmung bei zwei Filmen fest. Das war jedoch für die Kartenbeschaffung von großem Vorteil.

Die fünfzig Minuten Wartezeit, bis sie den Schalter erreichten, vergingen wie im Fluge. Beide tauschten sich über ihre Vorlieben bei den ausgesuchten Filmen und über ihre Interessen aus. Dabei stellten sie viele Gemeinsamkeiten fest. Sie kauften sämtliche Karten für alle Filme. Triumphierend nahm Mike die Karten in die Hand, ließ sie auseinanderfallen, sodass sich ein langes Band ergab und hing sich dieses wie einen Schal um den Hals.

„Na denn, danke für die Unterstützung“, hörte er die junge Frau sagen. In diesem Moment schoss ihm nur ein Gedanke durch den Kopf: Sag irgendetwas, damit sie nicht einfach wegläuft. „Ähm, ich würde mit Ihnen gerne einen Film anschauen. Schließlich haben wir so viele gemeinsame Neigungen festgestellt. Und hinterher tauschen wir uns aus.“ Er machte eine kurze Pause. „Bei einem Glas Wein?“

Sie zögerte. „Hm, ich weiß nicht. Ich glaube nicht, dass die Idee so gut ist.“ In Mikes Gesicht schlich sich Enttäuschung. „Schade! Na dann, … ich sag mal …“

In diesem Augenblick trafen sich ihre Augen zum dritten Mal. Die junge Frau war irritiert. Was für ein helles Blau. Tu was, lass ihn nicht gehen. Bist doch sonst nicht so schüchtern. Sie ergriff die Initiative. „Warten Sie! Wie wäre es jetzt mit einer Tasse Kaffee. Ich hätte nach der Ansteherei ziemlich Appetit darauf.“

Mike wusste nicht, wie ihm geschah. „Sehr gerne. Hier in den Arkaden ist da oben eine amerikanische Bar, die haben hervorragende Erfrischungsgetränke und guten Kaffee!“

„Auch Latte?“

„Auch Latte, aber ich lade Sie ein. … Wenn Sie schon nicht mit mir ins Kino wollen.“

Sie lächelte ihn an. „Einverstanden, ich gehe nämlich noch zur Schule.“

„Schule? Oder Uni?“

„Weder noch, Schauspielschule. Ich werde dieses Jahr fertig.“

„Da muss ich aber aufpassen, dass sie mir nichts vorspielen!“

„Vielleicht!“ Sie lachten.

Beide fuhren mit der Rolltreppe in die obere Etage und setzten sich an einen Zweiertisch. Mittlerweile war es halb zwölf. Mike und die junge Frau unterhielten sich angeregt. Berlinale, Filme, Vorlieben, Interessen, Hobbys, Schauspiel, Theater und vieles andere mehr. Sie fanden beinahe kein Ende. Und es war kein Monolog von einem der beiden, sondern ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Mittlerweile war die Zeit weit fortgeschritten. Verstohlen blickte die junge Frau auf ihre Uhr.

„Wow, wir sitzen schon seit drei Stunden hier. Danke, so gut habe ich mich schon lange nicht mehr unterhalten.“

„Das Kompliment kann ich zurückgeben.“

Mike merkte, dass die Zeit knapp wurde. So startete er einen neuen Anlauf, wusste er doch immer noch nicht wie sie hieß. „Jetzt sitzen wir hier schon so lange und ich weiß noch nicht einmal Ihren Namen, außerdem sind wir immer noch beim Sie, sollen wir nicht Du zueinander sagen?“ Die junge Frau spürte, dass die Unverbindlichkeit der Unterhaltung verloren gehen könnte, schob ihre Bedenken dann jedoch schnell beiseite.

„Okay, warum nicht, ich heiße Mona!“ Fassungslos schaute Mike sie an. „W…w…wie b…bitte, Mona?“ Er kam ins Stottern und plusterte die Backen auf. Mona sah ihn überrascht und fragend zugleich an.

„Ist das schlimm, hast du ein Problem damit?“

„Nein, natürlich nicht, das ist aber eine andere Geschichte.“

„Eine andere Geschichte? Würdest du sie mir erzählen?“

Ihre noch vorhandenen Bedenken waren plötzlich weg, die Neugier hatte die Oberhand bekommen. „Schließlich heiße ich Mona. Und du bläst bei dem Namen die Backen auf. Ich glaube, ich darf erfahren, was es mit dem Namen auf sich hat. Meinst du nicht?“

Mike wurde verlegen. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich das tun soll, vielleicht lachst Du dann über mich.“ Er schaute sie dabei an, ihre Blicke begegneten sich zum vierten Mal. Aus ihren Augen blitzte der Schalk.

Mike wich ihren Blicken nicht aus, er konnte sich nicht genug satt sehen an diesen rehbraunen Augen. „Jetzt machst du mich aber richtig neugierig, warum sollte ich denn über dich lachen, hmm?“ Mike wusste nicht, was er sagen sollte. Er hatte sich selbst in diese Lage gebracht, entschied sich dann für die Wahrheit ohne Schönfärberei. „Vielleicht, weil ich dann ein Weichei für dich bin und kein richtiger Kerl!“

Mona verdrehte ihre Augen und stöhnte. Mike dachte für sich: Mist. Ist ja auch nicht wichtig, was soll’s, ich bin ja in einer festen Beziehung. In diesem Moment legte Mona ihre Hand auf die seine und sagte leise: „Unsinn! Glaubst du, dass ich keine Gefühle habe?“

„Nein, natürlich nicht“, beeilte sich Mike zu sagen, seine Hand aber zog er nicht weg. „Aber du machst mich ganz nervös!“

„Oh, das ist nicht meine Absicht und nein, ich werde dich nicht auslachen. Versprochen! Sag bitte endlich, was es mit meinem Namen auf sich hat.“ Mona schaute Mike lächelnd und unwiderstehlich an.

In diesem Augenblick kam die Kellnerin an den Tisch. „Darf ich Ihnen noch etwas bringen.“ Keine Reaktion, im Gegenteil die beiden ignorierten sie.

„Bitte, du hast mir doch schon so viel über dich erzählt, so schlimm kann es doch wohl nicht sein. Sag, wieso hast du mich denn vorhin so angeschaut, was für gute Gründe gab es denn?“

Diesmal blickte er ihr direkt in die Augen. „Ich konnte nicht anders, es war wie Magie. So was ist mir noch nie passiert.“ Er machte ein kurze Pause und blickte sie dabei direkt an: „Du hast hinreißend schöne Augen. Da leuchten zwei Sterne am Firmament.“

Mona senkte ihre Blicke. „Danke für das schöne Kompliment.“ Anstatt eine weitere Reaktion von Mona abzuwarten, redete Mike sofort weiter. „Stimmt, wir haben uns so gut unterhalten, also …“ Die Bedienung stand immer noch daneben, sah von einem zu anderen und trommelte mit den Fingern auf ihrem Tablett. Leicht genervt unterbrach sie Mike.

„Hallo, ihr beiden Hübschen, möchtet Ihr noch was haben?“ Aufgeschreckt schauten Mike und Mona auf. Mike war völlig aus dem Konzept. „Bitte wie?“

„Möchten … Sie … noch … etwas … bestellen?“ Sie betonte dabei Wort für Wort. Mona schaute verdutzt zuerst die Bedienung an und dann Mike, lachte kurz auf. „Danke für die freundliche Berliner Art, aber wir möchten nichts mehr.“

Sie wandte sich an Mike. „Wolltest du mir nicht noch etwas erzählen? Deinen Namen weiß ich auch noch nicht.“ Sie setzte einen Schmollmund auf. „Ähm ja, Mike.“

„Und weiter, ich warte, spann mich nicht so auf die Folter.“

Mike nahm Anlauf und sprach mit betont bedächtiger Stimme. „Sagt dir der Name Mike Batt etwas?“ Mona dachte kurz nach. „Nein, nie gehört.“

„Mike Batt ist Musiker und Songwriter von Pop Balladen insbesondere der achtziger Jahre. Und er hat ein sehr stimmungsvolles Musikstück namens Mona geschrieben.“

Erwartungsvoll schaute sie ihn an: „Ja und weiter, war das schon alles?“ Mike legte eine kurze Pause ein und antwortete leise. „Nein, das war ja auch der sachliche Teil.“

„Aha“, sagte sie mit der Betonung auf dem zweiten a. Sie stützte dabei ihr Kinn auf die Handfläche und schaute lächelnd dem unsicheren Mike dabei wiederum direkt in die Augen. Mit diesem Wissen spielend, setzte sie ihn ein bisschen unter Zugzwang. Er konnte sich diesen Augen beim besten Willen nicht entziehen.

Und das brachte ihn nur noch mehr durcheinander, so dass der nächste Satz des sonst so redseligen Mike „verhackstückt“ und mit vielen Räuspern daher kam. „Das ist so, … immer dann, wenn ich das Musikstück gehört habe, … ähm, habe ich mir diese Mona, oh je … wie soll ich sagen … vorgestellt.“ Mike wurde noch leiser, als ob es ihm unheimlich schwer fallen würde, den Satz zu vollenden … und mir insgeheim eine solche Mona gewünscht!“

Mike brachte keinen Ton mehr heraus. Er schaute auf sein fast leeres Glas. Ganz langsam hob er seinen Kopf, Mona lächelte ihn an, „und inwieweit kommen deine Vorstellungen nun der vor dir sitzenden Mona nahe?“, fragte sie ebenfalls leise Mike.

„Meine Vorstellungen haben aber auch gar nichts mit dir zu tun.“ Diesmal schlich sich in Monas Gesicht Enttäuschung. Typisch, wieder so ein blöder weißer Heini. Ich hätte es wissen müssen. Mike war aber noch nicht fertig und beendete seinen Satz kaum hörbar mit: „… soweit reichte meine Phantasie einfach nicht, um mir so was, … so etwas Schönes wie du es bist, vorstellen zu können.“ Überraschung stand in ihrem Gesicht, ihre Augen wurden noch größer. Mike blickte auf den Tisch, wagte es nicht, Mona direkt anzusehen.

Sie fasste seine Hand. „Kannst du mir diese Ballade vorspielen?“ Erst jetzt hob er seinen Kopf und blickte sie wieder an, lachte dabei. „Gerne, das würde ich sehr gerne. Hier kann ich es aber nicht. Ich hab sie im Handy nicht gespeichert, hab sie aber zuhause.“ Sie hielt seine Hand immer noch fest und blickte ihn an. „Spielst Du sie mir?“

„Wann?“ Sie lächelte und ließ seine Hand los. „Na, jetzt?“ Mike hatte sich wieder gefangen. Seine Augen leuchteten. „Sehr gerne, nichts lieber als das!“ Jetzt ging alles sehr schnell. Sie riefen nach der Bedienung, zahlten die Rechnung und machten sich auf den Weg.

Monas braune Augen

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