Читать книгу Antispieler: Extended Version - M. TroJan - Страница 10
Schicksal
ОглавлениеStellen Sie sich vor, ich sei ein Bekannter von Ihnen oder noch besser, stellen Sie sich vor, Sie sind ich. Denn im Grunde dreht sich doch alles um das; um Täuschung und Verdrehung.
Ich glaube, ich habe noch nie das Wort „verfickt“ in einem Buch gelesen. Nun ja, eigentlich lese ich auch gar keine Bücher – bis auf die, die ich selbst geschrieben habe oder berufsbedingt lesen muss. Am Automaten verwendet man die verschiedensten Schimpfwörter, um sich etwas Luft machen zu können und um den Kopf wieder etwas frei zu bekommen. „Hurensohn, verfickte Scheiße, Wixer, Drecksau, Arschloch ...“ und so weiter und so weiter. Alle Variationen und natürlich in allen Sprachen. Wäre ein Automat eine aus fleischgewordene Person, wäre wohl jeden Tag ein Zahnarztbesuch fällig. Manche Spieler prügeln sogar auf den Spielautomaten ein, weil der Frust und der damit verbundene Hass um die scheiß Dinger, auf die Dauer einfach unerträglich wird.
Anfangs macht man es nur am Wochenende, so hin und wieder mal paar Scheine auf „gut Glück“. Dann treibt es einen bereits am Donnerstag an den Automaten, dann Mittwoch und irgendwann befindet man sich täglich vor einem Spielautomaten. All die Klugscheißer und Möchtegern-Besserwisser predigen pausenlos, dass ihnen das nie passieren würde, doch leider passiert es viel zu vielen von uns.
Im Grunde genommen gibt es sehr viele verschiedene Süchtige, die sich nur aufgrund ihres anfänglichen Geldes unterscheiden. Es gibt Spieler, die verspielen am Tag 10.000 Euro und am nächsten wieder und am nächsten Tag wieder und den darauffolgenden Tagen wieder, über Jahre hinweg. Andere verspielen innerhalb eines Jahres ihr gesamtes Hab und Gut, und können sich im Nachhinein weder das Leben, noch das Spielen leisten.
In diesem Leben gibt es keine Gerechtigkeit und wer spielt, verliert. Womöglich spielt so mancher Spieler noch weitere 15 Jahre im selben Takt weiter, aber feststeht, dass er verliert. Letzten Endes ist „Spieler sein“ auch nur ein Job von 8 Uhr morgens bis 17 Uhr abends, die Stunden werden dabei nur immer noch dunkler. Sucht kennt keine Grenzen oder Religionen, sie ist farbenblind und niemand ist dagegen immun.
Wer sein Glück herausfordert und tatsächlich hin- und wieder etwas am Automaten „gewinnt“, ist auf dem besten Weg, sein Leben zu verspielen. Bei manch einem dauert dies länger, bei anderen bedeutet es innerhalb kürzester Zeit das sichere Ende.
Machen wir uns nichts vor, der Tag wird kommen, an dem man deutlich mehr verspielt, als einem lieb ist. Bei mir war der erste etwas höhere Verlust ungefähr 500 Euro, an dem Tag war ich fest davon überzeugt, dass ich nie wieder spielen würde. Bereits einen Tag später, ach was sage ich – nicht einmal ganze 24-Stunden später, stand ich bereits wieder am Automaten und forderte mein „Glück“ heraus. „Gute Vorsätze“ sind zwecklos, wenn sie nicht ernst gemeint sind. Es ist wie ein Traum und leider verlieren wir uns darin – täglich. Wir leben in einer Welt, in der wir danach bezahlt werden, wie lange wir arbeiten, unser Leben ist in jeglicher Sicht von Zeit bestimmt. Wir leben wie Sklaven in einem bürokratischen Regime und jeder der daran erkrankt, ist nach etwas süchtig. Wir lassen Sucht gedeihen, um das kranke Regime in unserem halbwegs noch gesunden Kopf ignorieren zu können – und wenn es auch nur für einen kurzen Moment ist. Doch die Gesellschaft ist längst schwer von Habgier und Kurzsichtigkeit gezeichnet, dennoch versuchen wird die Stimmen mit allen Mitteln zum Schweigen zu bringen. Bis unsere Seele nicht mehr Herr der Lage ist und Sucht gefolgt von Suizid die einzige Alternative zu sein scheint. Ganz ehrlich, ich suchte nicht nach dem Automatenspielen, es fand mich. All die Wut, die Trauer und der alltägliche Schmerz wirkten wie ausgelöscht. Die Gesellschaft wirkte für mich akzeptabler, solange ich mich durch das Spielen isolieren konnte. Was ich nicht bemerkte, war die Tatsache, dass ich mich nicht „nur“ isolierte, ich versuchte mich vollständig zu vernichten. Doch wieso eigentlich? Natürlich kam die Erkenntnis nicht, immerhin spielte ich noch Jahre weiter, klar – ich wusste zwar, was zu tun war, wollte jedoch nicht einsehen, warum ich meinen Fehler als solchen betiteln sollte. Ich wusste nicht einmal, ob es tatsächlich meine Schuld war oder ob ich es womöglich einem Anderen in die Schuhe schieben könnte. Ich feilschte nicht nur mit anderen, sondern auch mit mir selbst. Solange man als Spieler eine Möglichkeit sieht, die einem die Sucht harmlos erscheinen lässt, wird man seine Chance nutzen, um die Lücke im System ausnutzen zu können.
Es ging nie ums Geld, wer behauptet, es ginge beim Zocken einzig und allein um den Gewinn, möchte seine Sucht schönreden, wer als Nicht-Spieler behauptet, es ginge allem Anschein nach nur um Geld, hat die Spielsucht bislang nicht verstanden. Es geht um das Spiel, es geht darum, täglich das Hamsterrad wieder am Laufen zu halten. Das ist das Schwierige daran, denn das Spielen an sich, ist verdammt teuer.
Die Menschen, die von meinem Titel „Wer gewinnt, wenn du verlierst?“ hören, fühlen sich abermals im Vorteil, wenn sie kurzsichtig antworten: „Die Betreiber gewinnen immer“. Doch ich habe nie gefragt, wer das Geld gewinnt. Welchen Vorteil besitzen Sie, wenn Sie chronisch Pleite durchs Leben wandern? – Es gibt keinen und dennoch spielen wir weiter. Wir wissen, dass wir Geld verlieren, doch wie gesagt, das Geldgewinnen ist mehr Schein als Sein. In Wahrheit wollen wir nur etwas mehr Spielzeit gewinnen, wobei genau dies einen äußerst großen Verlust darstellt. Am Ende des Tages, zählt nicht was du weißt, sondern was du tust. Ich habe vieles erzählt, an noch mehr geglaubt, gehofft und gebetet, doch das Einzige, was ich tatsächlich tat, war Geld verspielen. Ich wollte überall hinreisen, doch der einzige Ort, an dem man mich tatsächlich auffinden konnte, war in der Nähe oder direkt am Spielautomaten. Ich wollte auch immer in ein Haus investieren, mir etwas erschaffen, doch in das Einzige, worin ich in Wahrheit investierte, war in das Spielen am Automaten. Ich kenne noch heute Spieler, die mir von ihren angeblichen Freundinnen, Reisen und anderen waghalsigen Abenteuern erzählen, doch was gesagt wird, entspricht mit hoher Wahrscheinlichkeit einer Wunschvorstellung aus einer eigens erschaffenen Traumwelt.
Sie hat vielen Spielern das Leben gekostet; die Wahrheit. Mir persönlich hat sie das Leben gerettet, indem mir die Wahrheit mit einer nie dagewesenen Klarheit die Augen öffnete. Die Realität traf mich, wie ein Faustschlag ins Gesicht. Schmerzhaft, aber notwendig. Man weiß nie genau, was das Schicksal für uns geplant hat, aber eines steht fest, es gibt keine Zufälle, nichts geschieht grundlos. Ich war nicht immer ein Spieler, ich war einst glücklich, glaube ich zumindest. Wie gerne würde ich behaupten, dass ich ein erfolgreicher Spieler war. Aber nun ja, es war ein Traum und es wird immer nur ein Traum bleiben. Wenn man sich als Spieler seine Vergangenheit einmal durch den Kopf gehen lässt, ist es eigentlich pure Scheiße, kann womöglich schöner ausgedrückt werden, aber Scheiße, bleibt nun mal Scheiße und diese Erkenntnis ist mehr als beschissen.
Es gefiel mir am Automaten zu gewinnen, im Alter von 15-16 Jahren gewann ich bereits zum Teil das 10-fache an Geld, was andere in meinem Alter in ihren Job verdienten. Doch Geld war bzw. wurde plötzlich zur Nebensache, Hauptsache die Anerkennung blieb nicht aus. Ich fühlte mich durch das Spielen erwachsener, als ich in Wahrheit war. Der Automat gab mir das Gefühl von Freiheit. Das Problem im Leben eines Spielers ist die Tatsache, dass man anfangs oftmals gewinnt, und dieser zum Teil enorme Gewinn, wird wiederum nur zum Spielen eingesetzt. Dadurch konnte ich auf längere Sicht nicht gewinnen. Doch ich erschuf eine Parallelwelt, in der ich glaubte, immer zu gewinnen. In Wahrheit verlor ich täglich und egal wie hoch die Ausgaben auch waren, ich redete mir ein, dass ich im Gewinn stünde. Um meine Gier befriedigen zu können, reichten anfangs Gewinne im hunderter Bereich, nach ein paar Monaten mussten es Gewinne im tausender Bereich sein, alles darunter betrachtete ich nicht als Gewinn, sondern sah es mehr oder weniger nur als Zeitvertreib oder Zeitverschwendung an. Nach Jahren der systematischen Selbstzerstörung am Automaten, stumpfte ich so enorm ab, dass kein Gewinn mehr tatsächlich eine Befriedigung darstellte, dennoch spielte ich weiter. Teils als Gewöhnung und zum Teil auch deshalb, weil ich mir pausenlos einredete, ich müsste spielen, um jemand sein zu können.
Ich denke, je früher ein Mensch mit dem Spielen beginnt, desto schwieriger wird es für ihn zu erkennen, wer er tatsächlich ist oder wer er sein könnte. Stell mir einen Spieler vor und ich brauche nur 5 Minuten mit ihm zu reden, um herauszufinden, wie lange er bereits spielt. Denn je länger er spielt, desto selbstsicherer erzählt er von seinen angeblichen Gewinnsummen. Je länger ein Spieler von seinen angeblichen Gewinnsummen erzählt, desto stärker verstrickt sich der Spieler in seinen eigenen Lügengeschichten – ohne es selbst zu bemerken. Ein Spieler muss seine eigenen Lügen glauben – sonst würde er nicht weiterhin sinnlos sein Geld verspielen.
Der klügste, schönste oder meinetwegen ehrlichste Spieler, hat rein gar nichts von seiner Intelligenz, seinem Aussehen oder seinen anderen vorhandenen Tugenden, solange er am Automaten steht und sein Dasein verspielt. Spieler messen ihren persönlichen Wert daran, was sie am Automaten gewinnen. Je höher dieser angebliche Gewinn zu sein scheint, desto wichtiger und einflussreicher fühlen sie sich in dieser Szene. Und das ist das Problem an der ganzen Sache, denn diese Tatsache, ist nicht armselig oder bemitleidenswert – es ist eine Krankheit und muss auch dem entsprechend wahrgenommen werden.
Ich komme aus einer wohlbehüteten Familie, jedenfalls glaube ich sagen zu können, dass ich eine gute Kindheit hatte – doch im Nachhinein betrachtet, verging sie viel zu schnell. Eher ich mich versah, befand ich mich bereits im Schul- und nach ein paar Jahren im Berufsleben. Der Ernst des Lebens begann, das ist die Zeit zwischen Berufseinstieg und Rente – nicht gerade die stressfreieste Zeit. Eltern, Erzieher/innen und Lehrer versuchen einen immer auf das Kommende vorzubereiten, doch auf das Leben kann dich niemand vorbereiten, es kommt dir wie ein Schlag ins Gesicht entgegen. Dieser Schmerz sollte gestillt werden und ich fand Gefallen darin, mein Glück herauszufordern. Es klingt merkwürdig, aber ich passte an den Automaten, wie der Deckel auf den Topf. In dem Augenblick, wo ich mich vor einem Automaten befand, fühlte ich mich Vollkommen, ich verspürte völlige Freiheit. Mein Gesicht war fürs Lächeln bestimmt, doch die Welt ist nicht lustig, sie fügt einem Schmerz zu. Schmerz, mit dem ich nicht umgehen konnte.
Nach Jahren am Automaten, fühlte ich mich wie ein lachender Clown, der sich nach außen witzig und humorvoll präsentierte, doch in Wahrheit auf Knopfdruck losheulen hätte können. Am Automaten etwas Geld zu gewinnen, wirkt für viele notwendig, für einen Spieler wird es vollständig zur Nebensache. Für mich war es nur eine weitere Möglichkeit, um länger spielen zu können. Ob Freispiele oder Bargeld, es landet so oder so wieder im Automaten. Ich war ein Mensch, der sich gerne mit seinen Freunden traf, der sich gerne in Gesellschaft befand, doch im Grunde fühlte ich mich immer alleine. Ich habe einen relativ hohen IQ, gebracht hatte er mir rein gar nichts, bis auf Isolation – gedankliche Isolation. Intelligenz ist oftmals definitiv kein Segen.
Die gesellschaftliche Isolation fand gezwungenermaßen statt, ich mied plötzlich die Gesellschaft von jeden, nur am Automaten befand ich mich noch in einer halbwegs heilen Welt, die ich nach meinen Vorstellungen formte. In meiner Welt interessierte mich das oberflächige Denken der Gesellschaft nur bedingt – denn immerhin bekam ich nichts mehr davon mit. Mehr und mehr übernahm der Automat mein Leben, egal was ich tat, ob ich arbeiten ging oder in Gesellschaft etwas trank, der Automat schrie förmlich nach mir – oder ich nach ihm.
Ein Spieler besitzt keine Freude, keinen Seelenfrieden, keine Zufriedenheit oder einen Hauch von Harmonie und Einklang, nein – mein Leben bestand aus zwanghaften Spielen und der systematischen Selbstzerstörung. Egal wie hart es auch klingen mag, ich tat dies freiwillig, denn niemand außer meine persönlichen Gedanken zwangen mich, mein Leben zu verspielen.
Viele Spieler betrachten ihre begangenen Taten und versuchen vor ihrer eigenen Vergangenheit zu flüchten. Doch ich bin der Meinung, dass man sie als Erfahrung abspeichern sollte. Nicht als etwas, was die Zukunft bestimmen wird, sondern als etwas, was uns Hoffnung geben kann. Nichts lässt uns schwerer vergessen, als der dringliche Wunsch, etwas unbedingt vergessen zu wollen. Sie würden sich durch das bewusste Verdrängen nur selbst belasten, akzeptieren Sie Ihre Vergangenheit, denn wie gesagt, sie bestimmt nicht über unsere Zukunft. Es mag gut sein, dass wir durch das Wissen anderer Personen gelehrter werden, aber Weiser wird man nur durch seine eigene Weiterentwicklung. Wir sollten uns am jetzigen Zustand erfreuen, ohne uns mit anderen durchgehend zu vergleichen.
Jeder Spieler kennt irgendeinen Spieler, der seinen Lebensunterhalt angeblich mit dem Spielen bestreitet. Sein Arbeitsplatz wäre der Spielautomat und irgendwie hat fast jeder Spieler schon mal von diesem einen legendären Spieler gehört; Richtig?
Diese Art von Spieler, den jeder Spieler irgendwie vom „hören und sagen“ zu kennen scheint, war ich. Sie lesen richtig, ich war einer dieser besagten Spieler, denen genau diese Illusion nachgesagt wurde. Wie diese Illusion zustande kam, ist im Grunde einfach erklärt – ich habe es zugelassen. Ich wollte diese Lüge leben, weil ich nur dadurch zu einem Spieler mutierte, den man beneidete, anstatt ihn zu bemitleiden. Spieler stehen auf Respekt, Anerkennung und zum Teil auch auf Aufmerksamkeit – je nachdem. Wird der Spieler als Spieler entlarvt, kann er seiner Meinung nach nichts mehr davon anstreben. Hätte ich die Wahrheit gesagt, wäre ich nicht zu einem Spieler geworden, den man für das Spielen feierte, man hätte mich bemitleidet, weil ich eine Krankheit besitze, die ich einst nicht als solche wahrhaben wollte. Ich lebte in dem Glauben, ich sei etwas Besonderes, weil ich spielte. Es mag merkwürdig klingen, aber ich denke, dass ich damals das Gefühl besitzen wollte, dass ich etwas ganz Besonderes konnte, wofür man mich beneiden müsste. Wie jeder Spieler, hatte ich mir eine eigene bzw. persönliche Spielweise angeeignet, um den Automaten per „Risiko-Taste“ hochzudrücken und zum Höhepunkt meiner „Spielkarriere“, klappte dies sogar täglich. Ich räumte jeden Tag einen Automaten aus, der Trick bestand im Grunde in der Illusion selbst, ich verspielte so viel Geld, bis der Automat automatisch wieder einen Teil der Einnahmen ausbezahlte. Dadurch erwirkte ich den Anschein, ich könnte nicht verlieren. Da Spieler niemals auf die Ausgaben achten, sondern immer nur auf den Gewinn fixiert sind, erkannte ich als Spieler nicht mehr, wie ich mich immer weiter in der Suchtspirale abwärts bewegte. Die Sucht hatte mich vollständig infiziert.
Geprägt und gefesselt von der Sucht, bewegte ich mich immer weiter in die Sucht hinein. Anstatt das zu beenden, was mich auf längere Sicht definitiv töten würde. Ich hielt daran fest, das Richtige zu tun. Ich lebte in dem Glauben, ich wüsste, was ich tat. Das genaue Gegenteil war der Fall, doch ich erkannte es nicht, weil mich die Sucht bzw. meine suchtgesteuerten Gedanken daran hinderten.
Ich dachte über Jahre hinweg, dass sich alles irgendwie wieder automatisch beruhigen würde, womöglich einen Jackpot gewinnen könnte, der mein Leid lindern würde, doch dieses Leid entstand durch das Spielen – wie könnte ich das Leid durch das Spielen lindern?
Die Entscheidung, für immer dem Spielen zu entsagen, war für mich kein Gedanke oder eine kurzzeitige Einsicht, es mutierte zu meinem Lebensinhalt. Ich habe durch meinen Spielzwang erkannt, dass es völlig egal ist, was andere behaupten oder was Spieler als „gut“ oder „schlecht“ betiteln, denn diese gehen ihren und ich gehe den meinen Weg. Heute weiß ich, dass ich den richtigen Weg einschlug, ich kehrte der Sucht den Rücken und alles, was sich dadurch ebenfalls verabschiedete, war Ballast, den ich grundlos jahrelang mit mir herumschleppte. Die Spielsucht war nicht mein Schicksal, die Spielsucht war eine falsche Entscheidung. Mein Schicksal wurde es, dass ich der Glücksspielindustrie mit Wissen und Entschlossenheit entgegentrete. Man kann im Leben alles werden, alles erreichen und wirklich alles umsetzen, aber dafür müssen wir verstehen, dass eine Entscheidung erst dann unser Schicksal bestimmen kann, wenn wir das Gesagte in die Tat umsetzen. Ich stand mir jahrelang selbst im Weg, ich bestrafte mich regelrecht am Automaten, ich war der Versager in diesem Spiel, doch anstatt dies zu begreifen, ließ ich mich dafür feiern, dass ich mein Leben vergeudete und letzten Endes alles verspielen wollte.
Die Zeit eines Spielers ist im Grunde durchgehend eine verdammt dunkle Zeit, doch es ist nicht Mitleid, was ein Spieler benötigt, sondern Gewissheit. Ich kann jedem Spieler mit Gewissheit sagen, dass es seinen Untergang bedeuten wird, wenn er weiterhin sein Geld verspielt. Denn letzten Endes bezahlt man das Spiel nicht mit Geld, sondern mit seinem Leben.
Ich hatte nochmal Glück, Glück in dem Sinne, dass ich keine Maschine benötige, um mein „Glück“ erkennen zu können. Doch diese Einsicht dauerte Jahre, bis sie sich entwickeln konnte. Das Leben wird weitergehen, die Welt wird sich auch dann noch weiterdrehen, wenn wir als Spieler dem Spielen für immer entsagen. Wir werden weiterleben, weil es unser Wille ist, der nie verschwand. Kein anderer muss es Ihnen zutrauen, nur Sie müssen es sich selbst zutrauen. Sie müssen einzig und allein Ihr Wissen nutzen, um Ihre Gedanken umsetzen zu können. Halten Sie mit derselben Hingabe am Leben fest, wie Sie es Tag für Tag am Automaten taten – dann können Sie nicht scheitern.
Wer vom Leben flüchtet, läuft dem Tod schnurstracks entgegen. Ich spielte, um vor der Realität flüchten zu können, meine Gedanken kreisten um alles und jeden, ganz besonders um den Automaten, denn der war mein Bezugspunkt in dieser bzw. in meiner Welt. Doch erst ab den Zeitpunkt, als ich meine eigenen Gedanken gezielt hinterfragte, änderte ich die Gegebenheiten. Ich musste die Welt nicht verändern, um zufrieden sein zu können, ich musste meinen Blickwinkel sprich meine Wahrnehmung weiterentwickeln, um die Welt akzeptieren zu können. Mein Hass hätte mich getötet, davon bin ich heute fest überzeugt. Aus der Aussichtslosigkeit heraus, lenkte ich einst meine Sicht gegen die extrem ansteigende Glücksspielsucht und bemerkte, dass ich jeden spielfreien Tag, etwas mehr am Leben festzuhalten begann. Je gefestigter ich am Ausstieg festhielt, desto stärker wurde der Gegenwind gewisser Personen und Institutionen. Ich brachte mein Leben auf Papier und es folgten viele Ausstiegsmethoden. Pro Monat festigte sich meine Haltung zum Leben und ich hielt mehr denn je am Ausstieg fest. Der Ausstieg wurde mein Leben. Meine Bestimmung. Mein Schicksal. Als ich mich das erste Mal öffentlich entschlossen gegen Spielsucht und dem daraus folgenden Endresultat „Suizid“ aussprach, legte man ihn mir persönlich auf Seiten der Glücksspielindustrie nahe. Man hätte es begrüßt, wenn ich das stille Ende gewählt hätte.