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Neustart
ОглавлениеStellen Sie sich vor – für einen kurzen Moment – Sie würden aus einem Koma erwachen. Der Grund hierfür spielt gar keine Rolle, aber gehen wir nun etwas weiter in der Geschichte. Sie hätten ein völliges Blackout; eine Amnesie. Und nun kommt zuerst der Arzt, erzählt Ihnen, wer Sie sind, wie Ihr Name lautet usw. – dann kommt Ihre Familie ins Zimmer (Mann, Frau, Eltern etc. – wie auch immer). Wie gesagt, Sie könnten sich an rein gar nichts erinnern. Darum erzählt Ihnen eine nahestehende Person, dass Sie häufig am Automaten spielen. Was würde Ihnen in diesem Moment sofort durch den Kopf gehen? Würden Sie sich als pathologischen Spieler betrachten, wenn Ihnen eine nahestehende Person erzählt, was Sie fast schon wie „ferngesteuert“ Tag für Tag gemacht haben?
Drehen wir Ihre Gedanken einmal kurzerhand um: würden Sie die identischen Fehler noch einmal begehen, wenn Sie das Ende bereits am Anfang erfahren könnten?
Selbst ein schlafender Spieler, wird trotzdem immer ein Spieler bleiben. Die Frage ist, ob man eines Tages noch freiwillig aufwachen möchte? Die Geschichte wirkt immer so fiktiv, als ob es zu unwahrscheinlich sei, dass man sich an nichts mehr erinnern könnte. Aber es kommt vor, Amnesie ist kein übernatürliches Phänomen, ähnlich wie die Spielsucht – die kommt sogar weitaus häufiger vor. Ich habe schon oft darüber nachgedacht, wie es wohl sei, wenn man eine Amnesie erleiden würde und dritte Personen erzählen müssten, was oder wer man zu sein scheint. Würde die Geschichte auch nur Ansatzweise den Tatsachen entsprechen bzw. der eigenen Wahrnehmung gleichen? Würde ich ins alte Fahrwasser geraten oder würde ich die auf mich zukommende Zukunft womöglich unbewusst besser angehen können? Doch die entscheidende Frage, die ich mir häufig stellte; hätte man aus begangenen Fehler instinktiv etwas dazugelernt? Wenn wir an diesem Gedanken festhalten, müssen wir zwangsläufig über unser bisheriges Leben nachdenken. Und genau das tun wir jetzt – denken Sie einmal beispielsweise 10 Jahre zurück, denken Sie an all die schönen Dinge, aber auch an die schlechten bzw. negativen Situationen, die Ihnen wiederfuhren. Würden Sie behaupten, Ihr Verhalten führte zwangsläufig dazu, dass Sie heute spielen bzw. Spieler wurden?
Ein „Reboot“ oder Neustart wäre aus Sicht eines Spielers wirklich von Vorteil, nie gespielt zu haben, hört sich mehr als nur vernünftig an, aber egal wie vernünftig wir einst waren – wir wurden dennoch zu Spielern. Wie würden Sie reagieren, wenn Sie heute kein Verlangen mehr nach dem Automaten verspüren und plötzlich erfahren müssten, dass Sie einst alles verspielten? Wären Sie schockiert oder gefasst; würden Sie sagen, dass es eine logische Schlussfolgerung ist oder eine Fehlinterpretation? Denken Sie einmal darüber nach, denken Sie in der dritten Person über sich selbst nach – wie werden Sie tatsächlich wahrgenommen? Bei vielen Spielern stößt man ab hier an einen Punkt, den der Spieler nicht wahrhaben möchte. Ihre Gedanken werden Ihnen derzeit vortäuschen, dass Ihnen die Meinung der Anderen völlig egal ist, doch mal ehrlich – das ist sie ganz und gar nicht, nicht wahr? Wichtig ist, wie Sie sich selbst in naher Zukunft wahrnehmen werden, lernen Sie aus Ihrer Wahrnehmung. Sie sind ein Spieler – akzeptieren Sie es. Doch was werden Sie in der Zukunft sein bzw. was wollen Sie sein? Sie benötigen reale Ziele im Leben, denn sobald Sie ein Ziel besitzen, können Sie einen Weg dorthin erschaffen. Aber wenn Sie weiterhin in einer Traumwelt gefangen sein wollen, dann werden Sie jeden Tag ein Wachkoma erleiden, in dem Sie täglich am Automaten ein Stück Ihres Lebens verspielen – ohne dass Sie es selbst noch bemerken.
Sie sind die notwendige Kraft, die Sie in diesen schweren aber machbaren Zeiten benötigen. Sie sind die Kraft, die sich täglich daran erinnern wird, dass Sie es schaffen, dem Automaten endgültig zu entsagen. Sie besitzen eine Kraft, mit der man rechnen sollte, denn sie ist unbegrenzt vorhanden. Aber Sie müssen diese Kraft für sich nutzen, ohne sich davor zu fürchten. Sie müssen eine Gefahr abschätzen können, denn zumeist ist die Angst fehl am Platz, eine Befürchtung ist nicht weiter tragisch, aber sobald Ihnen Ihre Angst gewisse Grenzen aufweist, müssen Sie Ihre Angst bekämpfen, um voranschreiten zu können. Spieler entwickeln solch eine enorme Angst davor, bei der Suchtisolierung zu scheitern, dass sie den Ausstieg nicht wagen. Hier ist die Angst der größte Feind des Spielers, doch sie ist im Grunde genommen nur Ballast, den Sie unnötigerweise mit sich herumschleppen.
Nehmen wir als Beispiel einen Boxer, der einen Kampf bestreitet bzw. den Boxring betritt. Ein Boxer denkt nicht an Sieg oder Niederlage, er kämpft und gibt sein bestes. Er trainiert nur bedingt über Wochen (oder Monate) seinen Körper, er trainiert seine Wahrnehmung, damit er die Angst beherrschen kann. Wenn ein Sportler durchgehend daran denken würde, was ihm geschehen könnte, dann wird der Sportler niemals erfolgreich sein, weil Sport zu großen Teilen eine reine Kopfsache ist. Alles ist eine Kopfsache, wenn man die Dinge explizit analysiert. Training formt beim Kampfsport nur zu sehr geringen Teilen den Körper, es formt den Geist. Alles ist eine Frage des Trainings und somit ist alles eine Frage der Wahrnehmung. Und ähnlich wie ein Sportler, müssen Sie Ihre Sinne und Instinkte trainieren. Selbstverständlich erfordert dies ein hohes Maß an Disziplin.
Die Glücksspielindustrie spielt mit unserer Hoffnung, während Spieler hoffnungsvoll Geld verspielen. Die Glücksspielindustrie musste sich noch nie rechtfertigen, sie behaupten, sie würden den Menschen das Paradies auf Erden ermöglichen, aber müssen sich nicht dafür verantworten, wenn sie von zehn Spielern mindestens sechs ruinieren. Wo sind die Glückspilze, wenn mehr Pech als Glück folgt? Nehmen Sie meinen Rat an, verändern Sie die Gegebenheiten, hören Sie damit auf, sich so zu verhalten, als würden Sie sich im Wachkoma befinden. Das Geldverspielen muss ein Ende finden, der Spieler muss seinem Trieb den Rücken kehren.
Wir Spieler haben uns angewöhnt, wichtiges zu verdrängen, während wir unwichtiges als lebensnotwendig im Gedächtnis abspeichern. Das Spielen wirkt plötzlich so enorm wichtig, wobei es nie etwas Unwichtigeres gab, als das.