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Das Kaminzimmer des Restaurants „Strandlust“ an der oberen Strandpromenade war gut besucht. Am heutigen Abend tagte der Gemeinderat der Nordseeinsel Wangerooge. Die Tagesordnung war vollgepackt mit teilweise sehr kniffligen Punkten wie z. B. den neuen Flächen- und Bebauungsplänen, Gebührenerhöhungen für Abwasser und Straßenreinigung, sowie der möglichen Einrichtung einer Pflichtfeuerwehr.

In der Zuhörerschaft befanden sich viele einheimische Vermieter, die sich durch die zunehmende Anzahl von Zweitwohnungen auf der Insel in ihrer Existenz bedroht fühlten. Die aktuelle Zinspolitik der EZB (Europäische Zentralbank) führte zu einer Flucht in das sogenannte „Betongold“, das eine Vorsorge gegen den vermeintlichen Währungsverfall sein sollte. Befeuert durch die Prognose vieler Volkswirte, die einen Crash in den nächsten zwei Jahren befürchten, investieren viele Festlandlandbewohner oder auch Investmentfonds in Ferienwohnungen auf den norddeutschen Inseln. Dauerwohnraum für Insulaner, vor allem aber für Saisonarbeitskräfte, wurde dadurch vernichtet. Dieses Phänomen hatte als „Syltisierung“ in den bundesrepublikanischen Sprachgebrauch Einzug gefunden. Die niedersächsische Landesregierung, als auch die Gerichte (Borkumer Urteil) hatten nun den Gemeinden die Möglichkeit eröffnet, per Bebauungs- und Flächennutzungsplänen, die Zahl von Ferienwohnungen in Wohngebieten zu begrenzen. Hierum sollte es nun in einem der Tageordnungspunkte gehen. In einem Entwurf sollte vorgeschrieben werden, wieviel Dauerwohnungen und Vermietungen in einem bestimmten Gebiet geduldet werden sollten.

Im Zuschauerraum sah man die altbekannten Gesichter der Wangerooger Bürger, die sich für Kommunalpolitik interessierten. Auch einige Ferienwohnungsbesitzer waren anwesend. Ein Mann allerdings fiel durch seine Kleidung aus dem Rahmen. Der Mann mittleren Alters, mit Kurzhaarfrisur und Dreitagebart, trug einen Nadelstreifenanzug. Auf seinem Schoß lag ein Tablet, in das er während der Redebeiträge pausenlos eintippte. Die Debatte wurde laut, als es um die weitere Bebauung der oberen Strandpromenade ging. Seit Jahren suchte die Gemeinde hier einen Investor, der dort ein Hotel bauen sollte. Einige Redner unterstellten der Gemeinde, selbst für neue Appartementanlagen zu sorgen, da ein Vollhotel sich nicht rechnen würde und, ähnlich wie beim Aparthotel „Anna Düne“, letztendlich ein solches Projekt nur als „Pseudohotel“ mit einer großen Anzahl von Appartements zu verwirklichen sei.

Auch der Tagesordnungspunkt, Einführung einer Pflichtfeuerwehr, hing irgendwie mit dem Thema des zu teuren Wohnraums für Insulaner und deren Arbeitskräfte zusammen. Die nötige Mindestbesetzung von 26 Mitgliedern bei der Freiwilligen Feuerwehr Wangerooge war nicht mehr gewährleistet, weil einige Mitglieder der Wehr angekündigt hatten, die Insel zu verlassen oder auch sich vom aktiven Feuerwehrdienst zurückzuziehen. Der Gemeinderat musste nun die Gemeindesatzung ändern, um die Einführung einer Pflichtwehr zu ermöglichen, was konkret hieße, dass Inselbewohner zum Feuerwehrdienst zwangsverpflichtet werden konnten. Nach der einstimmig beschlossenen Änderung der Satzung wurde eine zwei Monate-Frist eingeräumt, um die ungeliebte Entscheidung noch aufschieben zu können.

„Wenn wir in dieser Zeit nicht genügend Mitglieder anwerben können, dann kommt die Pflichtfeuerwehr“, verkündete sorgenvoll der Bürgermeister der Insel.

Nach Ende der Sitzung bildeten sich noch einige Diskussionsgruppen. Der Anzugträger hatte sein Tablet in seinen Aktenkoffer verstaut und blickte sich suchend um. Nach kurzer Wartezeit sprach er den Ratsherrn Immo Tammen an, der gerade im Begriff war, sich von einer Diskussionsgruppe zu lösen. Tammen war einer der Meinungsführer im Gemeinderat.

„Guten Abend, Herr Tammen“, sprach ihn der Anzugsträger an, „mein Name ist Torsten Schneider, ich bin Berater einer Immobilienfirma und würde mich gerne einmal mit Ihnen unterhalten.“

Tammen machte ein verdutztes Gesicht. „Was wollen Sie von mir? Ich habe nichts zu verkaufen.“

Diese Aussage Tammens entsprach nicht ganz der Wahrheit, denn er hatte vor einigen Wochen ein großes Haus von seinem verstorbenen Vater im Dorfgroden geerbt und ein Verkauf des Hauses wurde von ihm durchaus in Erwägung gezogen.

„Ich will kein Verkaufsgespräch mit Ihnen führen, keine Angst. Es geht um das Hotelprojekt an der Promenade.“

„Da ist der Bürgermeister zuständig, nicht ich.“

„Das weiß ich ja, es geht um ein Informationsgespräch, sozusagen im Vorfeld.“

Nach kurzem Überlegen willigte Tammen ein. Sie verabredeten sich für den morgigen Tag zu einem Gespräch.

November-Blues auf Wangerooge

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