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Uranos


Uranos, Allerzeuger, des Alls

Ewig unzerstörbarer Teil,

Erstgeborener, Anfang und Ende

Aller Dinge, Beherrscher der Welt,

Der in Kugelgestalt

Um die Erde sich rundet!

Orphischer Hymnus 29

In der altindischen Religion, deren heilige Texte die Veden sind, gibt es einen Gott namens Dyaus, auch Dyaus-pita oder Daus-pitri, das heißt „Licht des Himmels“ oder „Himmelsvater“; man kann ihn – gewiss auch mit Vorbehalten – mit dem griechischen Uranos gleichsetzen. Er ist der Urhimmelsgott schlechthin, denn „Uranos“ bedeutet ja übersetzt soviel wie „Himmel“. Uranos ist der gestirnte Himmel, das Weite, das Offene, das Weltall mit seinem Sternenkosmos. In der altindischen, vedischen Religion wird als seine Gattin Prithivi genannt, die Erde, die personifizierte Natur mit all ihrer Fruchtbarkeit, die dann wiederum mit der altgriechischen Gaia mit gutem Recht verglichen werden kann. Gemeinsam wird das Paar Dyaus-Prithivi genannt und als Stammeltern der Götter und Menschen betrachtet. Die Wesensverwandtschaft aller indoeuropäischen Religionen ist hier deutlich zu erkennen.

Uranos gilt als der Urvater des ersten und ältesten Göttergeschlechts auf Erden, der Uraniden; diesem folgt, von seinem Sohn Kronos begründet, das der Kroniden und zuletzt das der Olympier, auf Zeus zurückgehend. Diese Chronologie mag, was das Alter betrifft, sicher recht haben; denn, so schreibt Britta Verhagen: „Uranos ist ein sehr früher Name des Himmelsgottes, identisch mit dem Varuna der Indoarier und dem Ahura der Iranier. Dieser ‚Urahn‘ muss also in jener Zeit, als die Trennung zwischen Ost- und Westindogermanen stattfand, den Himmel beherrscht haben, denn beide Völkerkreise kennen seinen Namen als den des obersten Gottes.“30

In den Hymnen des Rigveda, aus indischer Frühzeit, begegnet uns nun dieser Urahn der Götter sehr häufig unter dem Namen Varuna; ob dies ähnlich klingt wie Uranos, mag einmal dahingestellt bleiben. Varuna ist eine sehr vielschichtige Gestalt. In den ältesten vedischen Zeiten galt er noch als der König des Universums und des sternklaren Himmels sowie als der Spender des Regens, bis diese letztere Aufgabe ihm von Indra, dem Donnergott (mit Zeus vergleichbar) abgenommen wurde. Später wurden seine Aufgaben auf die eines Meergottes beschränkt; aber in seiner ursprünglichen Macht und Majestät erscheint er noch in dem folgenden Hymnus aus dem Rigveda:

Den Himmel stützte der allweise Weltgeist

Und hat der Erde Weiten ausgemessen.

Er thront als König über alle Wesen,

Denn Varunas sind alle Schöpfungswerke.

Lobsinge denn Gott Varuna,

Und bet‘ ihn an, den Weisen, den Uralten!

O schirm‘ er uns mit dreier Panzer Stärke!

Himmel und Erde, schenkt uns euern Schutz auch!31

Was Uranos betrifft, so kommt er in der griechischen Mythologie eher am Rande vor. Er ist derjenige, der mit der Urgöttin Gaia die Heilige Hochzeit vollzieht; aber er hasst seine Kinder und will sie in den Schoß der Erde zurückstoßen. Ein schändliches Vergehen! Dafür wird er von seinem ältesten Sohn Kronos kastriert und aus dem Himmel gestoßen. Uranos ist also ein Gestürzter, ein Verworfener. Andere Göttergeschlechter sind an seine Stelle getreten. Alles, was von ihm blieb, ist eine blasse Erinnerung. Und da es in klassischer Zeit keinen Kult um Uranos gab, so existieren auch keine bildlichen Darstellungen von ihm.

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