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Die Subjektivität am Ende der Welt

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Man stelle eine Fernsehkamera und einen Interviewer mit Mikrofon vor einen Durchschnittsbürger der Metropolen und wird häufig folgendes Verhalten beobachten: Wenn er nicht gleich in dem berauschenden Gefühl des „Ich-bin-im-Fernsehen!“ sich aufplustert, als sei er eine bedeutende Person der Zeitgeschichte (oder als Zaungast sich winkend ins Bild drängt), so wird er zumindest sich tief geschmeichelt fühlen, einmal gefragt zu werden, und er wird loslegen, die Worte werden nur so fließen; denn sein kleines, bescheidenes Leben, das sich so wenig von dem anderer unterscheidet, ist im Mittelpunkt des medialen Interesses jetzt etwas Besonderes, seine kleinen Vorlieben für dieses oder jenes nicht einfach eine Frage des Geschmacks, sondern ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zur Einteilung der Menschheit in in und out, hip und hop, etc. Nicht einmal das bemerkt er, wie sehr er in seinen modischen Abgrenzungen von den anderen ihnen wieder gleicht, wie wenig individuell das Resultat der Anstrengung ausfällt, ein ganz besonderes Subjekt darstellen zu wollen. Dieses Selbstbewusstsein lebt in und von der Geschwätzigkeit.

Drei Fischer der Magellanstraße vor der Kamera: Der linke, der mit dem reglosen Gesicht und den herabhängenden Augenlidern, sagt gar nichts, die Antworten gibt der in der Mitte mit der stattlichen Haarpracht, einmal nur schaltet sich der zur rechten ein. Aber auch der Chef in der Mitte ist nicht sehr mitteilsam, die Informationen müssen ihm einzeln mit immer neuen Fragen aus der Nase gezogen werden. Man erfährt von ihrem harten Leben in den gefährlichen stürmischen Gewässern, davon, wie unsicher der Ertrag ihrer Arbeit. Dasselbe bei den Goldwäschern und Campesinos: die Preise ihrer Produkte verfallen, das Auskommen durch die Arbeit wird immer unsicherer. Es ist offensichtlich: diese Männer reden nicht viel. Bei der Arbeit weiß jeder, was zu tun ist – was muss man darüber sprechen? Das Persönliche ist tief zurückgedrängt hinter undurchdringliche Gesichter. Die Männer, die tagtäglich auf engem Raum zusammenleben, haben gelernt, es an kleinen Zeichen zu erraten. Hier am Ende der Welt fehlen die Mittel, über Moden des Konsums und der Selbststilisierung sich und anderen eine exklusive Subjektivität vorzugaukeln, die am Ende doch nur von den Marketingabteilungen der Konzerne gesteuert wird; es fehlen aber auch die Mittel für Wissenserwerb und die mannigfaltigen Weisen, sich zu betätigen und sich auszudrücken, durch die man etwas über sich erfährt.

So ist das Subjektive, das Persönliche dieser Menschen wie ein Geheimnis, das sie mit sich herumtragen und das sie selbst kaum aussprechen können. Es ist umgeben von einer Scheu : sie schrecken davor zurück, ihr Herz auf der Zunge zu tragen, und dringen umgekehrt nicht in die Privatheit der anderen. Wenn Kamera und Mikrofon den Männern in ihre armselige Wohnbaracke folgen, dann wird man als Betrachter das Gefühl nicht los, als sei diese unsichtbare Grenze der Scheu verletzt: wo sie nur können, ziehen sich die Männer in ihr Schweigen zurück. Verglichen damit erscheint die Selbstdarstellungstrunkenheit in den hiesigen Breiten einfach schamlos.

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