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TEIL I: IN DER HAUPTSTADT

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Die Residenz des Fürsten Borran stand jenseits des Tempels des Einen Gottes am Hang des Zeuth. Der Fürst hatte mich zu sich beordert. Ich hoffte auf einen Auftrag, denn er zahlte gut, und Geld konnte ich gebrauchen. Doch ich war nicht sein Lakai. Deshalb ließ ich mir Zeit auf dem Weg zu ihm. Er sollte nicht den Eindruck bekommen, ein Wink von ihm genüge, um mich losrennen zu lassen.

Schon früh am Abend waren die Straßen der Altstadt menschenleer. Der Nebel trug den Gestank des Donnan mit sich und hielt die Bürger in ihren Häusern. Manchmal klangen Huftritte und undefinierbare Geräusche durch die Stille, ohne dass ich heraushören konnte, aus welcher Entfernung sie kamen.

Seit ein paar Sekunden spürte ich ein Kribbeln im Nacken. Sieben Jahre in dieser Stadt hatten mich gelehrt, auf solche Zeichen zu achten. Ich nutzte den nächsten offenen Toreingang, um von der Straße zu verschwinden. Ein kurzer Weg führte von dort in den Innenhof der Schänke Zum Schwarzen Krug. Gelbliches Licht drang aus ihren kleinen Fenstern. Sie waren mit Eisenstäben gesichert und so schmutzig, dass man nicht ins Innere sehen konnte. Um diese Zeit und bei so einem Wetter dürfte etwa ein Dutzend Männer dort zusammensitzen. Überwiegend anständige Kerle, soweit dieser Begriff in der Altstadt von Dongarth überhaupt eine Bedeutung besaß. Das war eine gute Rückendeckung, falls ich eine brauchte.

Eine hohe Mauer umgab den Hof, der sich nach links um das einstöckige Haus herum fortsetzte. Dort hatten in früheren Zeiten wohlhabende Gäste ihre Pferde angebunden. Heutzutage konnte sich keiner, der in dieser Schänke verkehrte, ein eigenes Pferd leisten. Es war also eine Sackgasse, in der ich mich befand. Bei allen Nachteilen bot das einen wichtigen Vorteil: Ich konnte hier nicht eingekreist oder von mehreren Seiten angegriffen werden.

Hinter dem Hauseck wartete ich außerhalb des schwachen Lichtscheins ab.

Es dauerte ein paar Minuten, bis drei dunkle Gestalten durch das Tor kamen. Ein kleinerer Mann vorneweg, zwei kräftige einen Schritt hinter ihm. Sie kannten sich hier nicht aus und blieben stehen, um sich zu orientieren. Flüsternd unterhielten sie sich, dann ging der Kleine zur Tür der Schänke und öffnete sie.

Im Licht der Öllampen, das nun durch die Tür drang, konnte ich ihn ganz gut erkennen. Etwa dreißig Jahre alt, gut genährt, überhebliche Miene. Er trug eine dunkle Hose und ein schwarzes Hemd, dazu eine Lederweste, alles von schlechter Qualität und nicht passend zum Wetter. Es war einfach, ihn einzuschätzen: Ein Angeber aus der Provinz, der glaubte, auch in der Hauptstadt jemand zu sein. An seinem Gürtel glänzte der Griff eines Degens, genau in der richtigen Höhe, um ihn schnell zu ziehen.

Der Mann warf einen Blick in den Schankraum, dann schloss er die Tür wieder und sah sich suchend um.

Ich beschloss, nicht noch mehr Zeit zu vertrödeln, und trat vor. „Suchst du mich?“

Er konnte von seinem Standort aus nur meine dunkle Silhouette erkennen, die wegen des Regenumhangs mit der Kapuze keine weiteren Hinweise auf meine Person gab.

„Kann sein. Wer bist du?“ Er lockerte mit einer schlenkernden Bewegung die rechte Hand, um bereit zu sein für das Ziehen des Degens. Die beiden Begleiter schlossen zu ihm auf. Mit einer Kopfbewegung wies er sie an, hinter ihm zu bleiben.

„Du zuerst!“, forderte ich.

„Man nennt mich Rellmann.“ Er schwieg einen Moment, als erwarte er eine Reaktion auf diesen Namen.

„Kann jedem passieren. Wen suchst du?“

„Einen vorlauten Typen wie dich, der sich Aron von Reichenstein schimpft.“

„Nehmen wir an, du hättest ihn gefunden. Was dann?“ Ich sprach von oben herab, um ihn zu provozieren, weil ich ahnte, was er war. Sein leichter Dialekt klang nach dem Nordosten der Ringlande. Aber er kam nicht aus meiner Heimatregion, sondern aus den Waldgebieten entlang des Donnan-Tales. Händler, die wertvolle Waren den Strom herunter in die Hauptstadt brachten, heuerten manchmal ein paar örtliche Schläger wie ihn an. Deren Schutz war preiswerter, als den Sold für ehemalige Soldaten zu bezahlen, die aus dieser Art von Eskorte ein Geschäft gemacht hatten.

„Du bist es also“, folgerte er. Er wandte sich zu seinen Begleitern um, die nun Knüttel in den Händen hielten. „Geht zum Torbogen und passt auf, dass niemand von der Straße hereinkommt, während ich ihn zurechtstutze.“

Das klärte für mich die Situation. Jemand hatte ihn mir auf den Hals gehetzt, ihm aber nicht gesagt, mit wem er sich da anlegte. Das Adelsprädikat ‚von‘ in meinem Namen mochte ihn dazu verleitet haben, einen verwöhnten jungen Kerl als Gegner zu erwarten. Menschenkenntnis schien nicht seine Stärke zu sein, sonst hätte er in mir den landlosen, verarmten Abkömmling einer Adelsfamilie erkannt, der nichts zu verlieren hatte.

„Da wir uns nicht von früher kennen, bezahlt dich jemand dafür, mich zu stellen“, sagte ich. „Wer und warum?“

„Nicht deine Sache. Es genügt, wenn du weißt, dass du die Wahl hast. Bist du mit einer ordentlichen Abreibung zufrieden, die dich für ein paar Wochen aufs Krankenlager wirft, oder bevorzugst du einen schnellen Tod?“

Er zog seinen Degen und hielt ihn schräg vor sich. Er handhabte die Waffe wie einer, der gewohnt war, sich gegen andere Raufbolde durchzusetzen. Er hatte das Fechten in den Gassen gelernt, nicht bei einem erfahrenen Lehrer.

Immerhin verfügte er über genügend Ehrgefühl, nicht sofort auf mich einzuschlagen. Er wartete, bis auch ich gezogen hatte. Dann schlug er eine Finte und versuchte anschließend, mich am Arm zu treffen und so zu entwaffnen.

Die Leichtigkeit, mit der ich diesen Angriff abwehrte, überraschte ihn. Er wich einen halben Schritt zurück und versuchte es noch einmal.

Ich wollte ihn nicht verletzen, jedenfalls nicht mehr als nötig. Es war mir wichtig, zu erfahren, wer ihn auf mich angesetzt hatte. Feinde, die man nicht kennt, sind die gefährlichsten. Also hielt ich ihn auf Abstand und wartete, bis er einen Fehler machte, der es mir erlauben würde, ihm die Waffe aus der Hand zu schlagen.

Das Spiel dauerte keine zwei Minuten, dann verließ ihn die Geduld. Weil ich drei Mal auf dieselbe Art parierte, ging er davon aus, dass ich es auch beim nächsten Schlag so tun würde. Ich überraschte ihn, indem ich seinen Degen in einem Bogen über mich hinweg lenkte, als er ungeduldig auf mich eindrang.

Statt nachzugeben und unverletzt wieder auf Abstand zu gehen, versuchte er die Klinge an meinem Degen entlang auf meinen Oberkörper zuzuführen. Mit einer schnellen Bewegung verhinderte ich das. Der Dummkopf reagierte falsch - und ich hieb ihm, ohne es zu wollen, das halbe Ohr ab.

Er merkte es nicht sofort. Als er Blutstropfen fliegen sah, während ich einen Schritt nach hinten trat, verführte ihn seine Überheblichkeit dazu, es für mein Blut zu halten. Höhnischer Triumph zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. Dann erst bemerkte er, dass etwas nicht stimmte. Mit der freien Hand fasste er sich an den Stummel des Ohres. Er stolperte vor Schreck zurück und stieß einen Schrei aus, der Schmerz und Wut zugleich war.

Seine Kumpane kamen heran, aber ich hielt sie mit der Klinge auf Abstand. Rellmann war es nicht gewohnt, zu verlieren und Schmerzen zu haben. Er brüllte, als hätte man ihm bei lebendigem Leib die Eingeweide herausgeschnitten, und versuchte, die Blutung zu stoppen, indem er ein Tuch auf die Wunde presste.

Sein Geschrei würde die Stadtwache alarmieren, die in der Altstadt abends nie weit weg war. Ich drückte ihm die Spitze meines Degens gegen die Kehle und fragte so laut, dass er es trotz seines Gebrülls hören musste: „Wer hat dich geschickt und warum?“

Aber da hörte ich schon rennende Männer in schweren Stiefeln näher kommen. Mit einer kreisenden Bewegung des Degens hielt ich meine drei Gegner auf Abstand, während ich mich auf die Tür der Schänke zubewegte. Als ich sie, ohne hinzusehen, mit der freien Hand öffnete, stürmten Angehörige der Wache in den Innenhof.

Die Provinzler waren dumm genug, an ihnen vorbei die Flucht durch den Torbogen zurück auf die Straße zu versuchen. Und Rellmann behielt tatsächlich seinen Degen in der Hand, um sich gegen die neuen Gegner zu wehren.

Ich wartete nicht, wie diese Konfrontation ausgehen würde, denn das war klar. Schnell trat ich in den Schankraum und schloss die Tür hinter mir.

Das Gebrüll des Verletzten hatte man natürlich auch hier drinnen gehört, aber niemand war deshalb aufgestanden. Wir befanden uns schließlich in der Altstadt von Dongarth. Ich zog ein paar neugierige Blicke auf mich. Doch dann benahmen sich alle so, als wäre ich nicht da.

Ein unscheinbarer kleiner Mann in einem grauen Umhang saß alleine an einem Tisch. Vor ihm standen ein Bierkrug und ein leerer Teller. Serron Barth! Es war ein Glücksfall, ausgerechnet ihn hier zu treffen. Serron verhielt sich wie die anderen Gäste. Er sah mich nur kurz an, als würde er mich nicht kennen. Gemächlich erhob er sich dann. Am Tresen vorbei ging er nach hinten aus der Schänke hinaus. Dort konnte man sich unter freiem Himmel in ein Rinnsal erleichtern, das durch eine kleine Öffnung in der Hofmauer direkt in den Donnan mündete.

Noch immer klangen Schreie vom Hof herein. Ich erkannte die Stimme Rellmanns, der nun wirklich brüllte, als wäre er tödlich getroffen. Dann brach er unvermittelt ab. Jemand gab in befehlsgewohntem Tonfall Anweisungen. Jeden Augenblick würden die Männer der Wache hereinkommen.

Ich folgte Serron.

Draußen, an der mehr als mannshohen Mauer, wartete er auf mich. „Ärger?“, wollte er wissen.

„Ja. Und ich weiß nicht einmal, warum.“

„Danach fragt die Stadtwache gewöhnlich nicht. Los!“ Er hielt die Hände mit verschränkten Fingern vor sich. Ich trat darauf und er stemmte mich hoch, bis ich mich oben auf die Kante der Mauer hieven konnte. Seine Körperkraft erstaunte mich immer wieder. Ich lag flach und sah mich rasch nach Beobachtern um. Es waren keine zu sehen. Der Nebel war weiterhin dicht und ein guter Schutz. Also streckte ich die Hand nach unten und zog Serron zu mir.

Wir sprangen auf der anderen Seite herunter auf den schmalen Grasstreifen und blieben unbeweglich liegen. Drei Schritte entfernt musste sich die gepflasterte Uferpromenade befinden, aber ich konnte sie nicht sehen. Aus der Schänke drangen wütende Worte zu uns, die ich nicht verstand. Vermutlich verhörte die Stadtwache die Gäste, und die behaupteten, alter Dongarther Tradition folgend, sie hätten nichts gehört oder gesehen.

„Wenn wir hinten um das Grundstück herum schleichen, können wir direkt am Torbogen wieder auf die Mauer steigen“, flüsterte Serron mir zu. „Von dort aus überblicken wir alles.“

„Kannst du Gedanken lesen?“, fragte ich. „Gerade habe ich überlegt, wie es meinen Gegner ergangen ist.“

Während wir in den Hof des Nachbargrundstücks eindrangen, erzählte ich ihm, was ich über Rellmann wusste. „Wenn er noch lebt und die Wache ihn laufenlässt, werde ich ihm folgen. Ich muss wissen, wer sein Auftraggeber ist.“

Wir erreichten die Stelle, von der Serron gesprochen hatte, und er half mir wieder nach oben. Er selbst blieb unten und passte auf. Ich lag flach auf der Mauerkrone und sah in den Hof der Schänke. Fünf Mann der Wache waren dort im Licht einer Sturmlampe damit beschäftigt, den beiden Begleitern von Rellmann Fesseln anzulegen. Die hatte man so übel zugerichtet, dass sie sich kaum auf den Beinen halten konnten. Aber es ging ihnen immer noch besser als ihrem Anführer. Jedenfalls nahm ich an, dass es Rellmann war, über dessen am Boden liegenden Körper einer der Wachmänner einen Umhang geworfen hatte. Die dunkle Pfütze daneben konnte nur Blut sein.

Ich hatte genug gesehen. Als die Tür der Schänke geöffnet wurde und der Lärm von drinnen herausdrang, sprang ich auf der anderen Seite von der Mauer.

„Wir verschwinden von hier“, flüsterte ich Serron zu.

Sobald wir sicher waren, dass die Wache uns nicht bemerkt hatte, trennten wir uns. Eigentlich hätte ich mich nun beeilen müssen, um nicht mit noch größerer Verspätung bei Fürst Borran zu erscheinen. Ihn zu verärgern konnte ich mir leisten, ihn wirklich wütend zu machen jedoch nicht. Aber meine Neugier war stärker. Ich wollte herausfinden, wer Rellmann auf mich angesetzt hatte. Deshalb blieb ich in der Nähe der Schänke.

Von einer Straßenecke aus beobachte ich, wie man die beiden Gefangenen wegbrachte. Ein Eselskarren holte wenig später den Leichnam ab.

Bis kurz vor Mitternacht trieb ich mich in der Nähe des Schwarzen Krugs herum. Es war möglich, dass Rellmanns Auftraggeber sich fragte, wo der blieb, und selbst kam, um nach dem Rechten zu sehen.

Der Nebel war weniger dicht, die Feuchtigkeit hatte sich als schmieriger Film auf Straßen und Mauerwerk gelegt. Ich konnte wieder abschätzen, wie weit die Ursache eines Geräuschs entfernt war, wenn ich etwas hörte. Aber außer ein paar zankenden Katzen in einem Hinterhof und dem Bellen eines Hundes klang nichts durch die Nacht.

Der Schwarze Krug schloss gewöhnlich um diese Zeit. Einige der Gäste kamen an mir vorbei, ohne mich zu bemerken. Ich verbarg mich in einer dunklen Ecke neben einer Regenrinne, die in ein undichtes Fass führte. Aus den Gesprächsfetzen, die ich auffing, ergab sich nichts Neues. Niemand wusste, wer die Raufbolde gewesen waren. Von auswärts, hatte einer der Wachleute gesagt. Sie besaßen keine Erlaubnis, sich nach dem Schließen der Stadttore, also nach Sonnenuntergang, noch in Dongarth aufzuhalten. Aber davon gab es in jeder Nacht Hunderte. So streng wurde nicht kontrolliert. Wir lebten in ruhigen Zeiten und die Zahl der Verbrechen nicht ungewöhnlich hoch.

Ich überlegte, ob es sich lohnte, in die Schänke zu gehen und den Wirt auszufragen, wartete aber noch ab.

Als sich eine schwere Hand auf meine Schulter legte und sich jemand hinter mir räusperte, hätte ich beinahe den Degen gezogen. Aber den Ton kannte ich, und es gab nur wenige Menschen in der Stadt, die sich unbemerkt an mich anschleichen konnten.

„So spät noch unterwegs, Hauptmann?“, fragte ich und drehte mich langsam um.

„Das ist mein Stadtviertel. Deshalb bin ich zu jeder Zeit hier anzutreffen. Besonders in einer Nacht wie dieser.“

Peer Sterrin musterte mich. Sein rundliches Gesicht, das nicht zu dem massigen Körper zu passen schien, zeigte einen strengen Ausdruck. Im Gegensatz zu den Männern seiner Wache legte er Wert darauf, von Fremden nicht sofort als das erkannt zu werden, was er war. Die Kleidung wirkte alltäglich, der Degen an seiner Seite war kaum länger als ein Dolch und sah nicht gefährlich aus. Doch in seiner Hand war er eine tödliche Waffe.

Ich sah über seine Schulter hinweg die Straße entlang. Zwanzig Schritte entfernt duckten sich zwei Gestalten in einen Hauseingang. Grinsend fragte ich ihn: „Begleitschutz? Ist etwas passiert?“

Er drehte sich kurz um. „Die beiden sind neu, ich arbeite sie gerade ein. Kräftige Kerle, aber großgeworden in Dörfern. Das Stadtleben müssen sie noch lernen.“ Wieder mir zugewandt ergänzte er: „Ein Fremder hat hier in der Nähe Streit angefangen. Eine Patrouille der Wache wollte ihn zur Ordnung rufen, da hat er sie mit dem Degen angegriffen. Morgen wird er draußen vor den Stadtmauern auf dem Fremdenfriedhof verscharrt.“

„Ein Dummkopf von auswärts, also. Kommt vor. Möge ihn Fannas Segen ins Totenreich geleiten. Was daran ist wichtig?“

Hauptmann Sterrin nahm ein zusammengefaltetes Tuch aus der Tasche. Er wickelte den Inhalt aus und zeigte ihn mir. „Kurz, bevor meine Leute eintrafen, hat man dem Fremden ein Ohr abgehauen. Hatten Sie heute Abend zufällig Streit mit jemandem?“

Ich musterte das Stück einer Ohrmuschel und schüttelte den Kopf.

„Schade!“, sagte Sterrin. Er warf das Beweisstück mit einer achtlosen Handbewegung in eine dunkle Ecke. „Sollen die Ratten es fressen. Kommen Sie mit, von Reichenstein!“

„Das würde ich nur zu gerne tun. Schon weil ich wissen möchte, wer dieser Fremde war. Er muss einen Grund gehabt haben, um hier in Dongarth nachts Streit anzufangen. Kennen Sie seinen Namen?“

„Die beiden Kumpanen sagen, er habe Rellmann geheißen. Kam mit einem Frachtkahn den Donnan herunter.“

„Zwei Kumpane, also. Das wird ja immer interessanter.“

Natürlich merkte Sterrin, wie ich Informationen aus ihm herauslocken wollte. „Es wird mir ein Vergnügen sein, Ihr Interesse zu befriedigen“, sagte er sarkastisch. „Auf der Wache.“

„Leider habe ich es eilig“, behauptete ich. „Werden die Kerle noch verhört?“

„Im Moment sind sie nicht in der Lage, etwas zu sagen. Morgen wird sich der Heiler um sie kümmern. Meine Männer waren übereifrig.“

„Zu schade.“

Sterrin musterte mich, bevor er sagte: „Ich überlege, ob ich beim Stadthauptmann einen Seher anfordere. Das ist kostspielig, aber mir gefällt die Sache nicht. Ich will wissen, was dahinter steckt.“

„Und wer!“, rutschte mir heraus.

„... und wer alles darin verwickelt ist“, nahm er meine Worte auf.

„Ich werde in den nächsten Tagen einmal auf der Wache vorbeikommen und nachfragen, was sich dabei ergeben hat“, versprach ich leichthin. „Die Aussagen von Sehern sind immer interessant, wenn auch nicht in allen Fällen hilfreich. Aber jetzt muss ich wirklich weiter.“

„Wenn es sein muss“, sagte er mit falschem Bedauern in der Stimme.

Ich ging die Straße entlang und überlegte, warum er mich laufenließ. Irgendjemand aus dem Schwarzen Krug hatte ihm von mir erzählt oder mich zumindest beschrieben. Vielleicht war sogar ein Spitzel der Wache unter den Gästen gewesen. In Dongarth musste man immer damit rechnen.

Als ich mich an der Straßenecke nach ihm umsah, stand Sterrin unbeweglich dort, wo wir uns unterhalten hatten. Ich winkte ihm gutmütig zu, aber er reagierte nicht.

Von der nächsten Querstraße aus konnte ich die Residenz des Fürsten Borran über den Dächern der dunklen Altstadt sehen. Hinter einigen Fenstern brannte noch Licht. In meiner Tasche fühlte ich nach dem Zettel mit der Nachricht, die er mir durch einen Boten am Nachmittag hatte zukommen lassen.

Melden Sie sich umgehend beim mir!, stand darauf. Wie immer signiert mit dem Zeichen, mit dem er all seine private Korrespondenz beendete. Es war ein liegendes Rechteck; links davon erstreckte sich eine gebogene Linie, länger als die kurze Seite des Rechtecks. Als ich es das erste Mal sah, brauchte ich eine Weile, um den Sinn zu verstehen. Nun ja, kann man machen. Wenn man reich und mächtig ist und zeigen will, was man denkt, ohne es zu sagen.

Ich würde mit etlichen Stunden Verspätung bei ihm erscheinen. Das versprach ein ungemütlicher früher Morgen zu werden.

Der Elfenstein

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