Читать книгу Der Elfenstein - Manfred Rehor - Страница 9
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Die hohe, gewölbte Form der Außenmauern der Akademie des Zeuth zeigte ein schwaches Rot. In der Stadt steckten die Leute die Köpfe zusammen und tauschten tuschelnd Vermutungen aus, was die Magier erzürnt haben mochte. Ich erledigte an diesem Vormittag ein paar Besorgungen für Jinna und kümmerte mich zunächst nicht darum. Erst, als ich im Vorbeigehen den Namen Borran in Verbindung mit den Magiern hörte, wurde ich aufmerksam.
Die vergangene Nacht hatte ich nicht in seiner Residenz verbracht, sondern im Handelshaus Oram. Auf dem Weg dorthin achtete ich darauf, nicht verfolgt zu werden. Die Befürchtung, ich könnte durch meine Anwesenheit eine Gefahr für Jinna darstellen, ließ mich nicht los. Auch wenn ich das nun, da die vier Kumpane von Rellmann die Stadt verlassen hatte, für übertrieben hielt.
Ich eilte die Straße hoch zur Residenz und sah eine Gruppe von zwei Dutzend Schaulustigen. Sie streckten vor dem Eingangstor zum Grundstück die Hälse, um etwas zu sehen. Wachsoldaten des Fürsten drängten sie zurück. Mich ließen sie passieren. Die Tür stand offen, wurde jedoch ebenfalls von zwei Soldaten bewacht, so dass Neugierige nicht eindringen konnten.
Romeran war nirgends zu sehen, und auch sonst niemand von der Dienerschaft. Ich rannte die Treppen hoch, denn ich hörte Stimmen aus dem rechten Flügel des Gebäudes, wo sich die Sammlung magischer Artefakte befand. Auch hier stand ein Soldat. Er kannte mich nicht und hielt mich zurück. Durch die offene Tür rief er in den Saal mit der Sammlung: „Darf der hier passieren?“
Es dauerte eine Minute, bis Romeran erschien. „Lassen Sie ihn herein“, sagte er.
„Was ist passiert?“, fragte ich. Doch dann war ich durch die Tür, konnte in den Saal sehen und blieb abrupt stehen.
In der hinteren Hälfte schien ein Feuer gewütet zu haben. Wände und Decken waren geschwärzt, Möbel angesengt und das Glas von Vitrinen geplatzt.
Menschen in farbigen Roben standen diskutierend beisammen. Zwei Magi und vier Adepten der Akademie des Zeuth beschäftigten sich mit einem Gegenstand, den ich nicht erkennen konnte. In einer Ecke beugten sich ein Heiler und ein Priester der Göttin Fanna über jemanden, der am Boden lag. Die Gegenwart des Priesters war es, die mich am meisten erschreckte.
Fanna hatte, wie alle Götter, zwei Gesichter, und man wusste nie, welches sie den Menschen gerade zuwandte. Sie war die Göttin der Heilung und des Todes zugleich. Deshalb erbat man ihren Beistand nur, wenn man schwer erkrankt oder verletzt war. Sie besaß die Kraft, einen Menschen schnell zu heilen - oder noch schneller zu töten. Bat man sie um ihre Hilfe, wusste man nicht, welche der beiden Gnaden sie einem zuteilwerden ließ.
Romerans Gesicht war blass, zeigte aber einen gefassten Ausdruck. Doch seine Augen waren ständig bei dem Heiler und dem Priester. Es war klar, wer der Mann war, um den sich die beiden kümmerten.
Ich rannte zu ihnen und sah Fürst Borran verkrümmt und bewusstlos am Boden liegen. „Was ist geschehen?“, fragte ich.
Der Heiler war dabei, mit behutsamen Griffen die verkrampften Glieder seines Patienten zu strecken. Ein strenger Geruch lag in der Luft, offenbar hatte er Borrans Brandwunden im Gesicht bereits mit einer Salbe behandelt. Der Priester murmelte mit gefalteten Händen ein Gebet. Beide würdigten mich keiner Antwort, sondern konzentrierten sich auf ihre Aufgabe. Was auch besser war. Ich benahm mich schon wie einer der Schaulustigen bei einem Unfall, der die Rettungsarbeiten störte, nur um genau sehen zu können, was vor sich ging.
Beschämt trat ich ein paar Schritte zurück und stieß beinahe mit einem anderen Mann zusammen. Er trug die blaue, samtene Robe eines Lehrers der Akademie des Zeuth, war also nicht nur ein voll ausgebildeter Magi, sondern hatte besondere Befähigungen bewiesen.
Unter dicken Brauen hervor musterte er mich. Sein Gesicht wirkte jünger, als seine Gestalt und vor allem seine Augen es andeuteten. Er hielt sich gerade und bewegte sich gemessen, ohne Hektik, während er sich umwandte, um einem der Adepten eine unverständliche Anweisung zu geben. Dann widmete er mir seine volle Aufmerksamkeit. Für einen Moment dachte ich, sein neugieriger Blick würde bis in mein Inneres dringen - aber dann lächelte er und sagte: „Aron von Reichenstein! Ich habe von Ihnen gehört. Gehen wir beiseite, um die Helfer nicht zu behindern. Ich muss mit Ihnen zu reden.“
Das hörte sich freundlich und doch bestimmt an. Da ich ihn noch nie gesehen hatte, war er entweder erst seit kurzem in der Akademie, oder er gehörte zu den einsiedlerischen Magi, die ihr Studierzimmer so gut wie nie verließen. Sein von der Sonne gebräuntes Gesicht sprach jedoch nicht für die letztgenannte Vermutung. Er trug einen kurzen Vollbart, was ihn ebenfalls von anderen Magi unterschied, die lange, wehende Bärte bevorzugten, um ihre Bedeutung hervorzuheben.
Er schien meine Gedankengänge zu ahnen, denn er sagte: „Mein Name ist Achain. Ich bin selten in Dongarth, deshalb sind wir uns noch nicht begegnet. Es ist ein glücklicher Zufall, dass ich ausgerechnet heute hier bin. Ich kann helfen, die Folgen des Unfalls zu beseitigen.“
„Was für ein Unfall?“, fragte ich. „Es sieht nach einem Brand aus, aber es riecht nicht danach.“
„Sehr aufmerksam beobachtet“, lobte er. „Um was für einen Unfall mag es sich wohl gehandelt haben?“
Er behandelte mich wie einen seiner Adepten, der noch viel zu lernen hatte und durch hilfreiche Fragen zur Lösung eines Problems hingeführt werden musste. Ich mochte das nicht, ließ es mir aber in dieser Situation gefallen. „Da Sie hier sind, hat es etwas mit Magie zu tun. Die Sammlung magischer Artefakte ist zwar von der Akademie des Zeuth genehmigt und wird regelmäßig von ihr kontrolliert. Aber das schließt nicht aus, dass sich ein gefährlicher Gegenstand hier befindet.“
„Was mag einen solchen Gegenstand gefährlich gemacht haben?“, fragte er weiter und sah mich mit einem aufmunternden Lächeln an wie einen Prüfling.
„Die Formulierung Ihrer Frage impliziert, dass er es nicht von Anfang an war. Das kann sich beispielsweise ändern, wenn man zwei magische Artefakte zusammenbringt, die miteinander eine neue, unerwünschte Kraft entwickeln.“
„Sie sind nicht nur intelligent, sondern auch bis zu einem gewissen Grade gebildet“, stellte Magi Achain fest. „Ganz, wie man Sie mir geschildert hat. Sehr gut. Kommen Sie mit.“
Er führte mich zu einer Vitrine, von der nur noch das hölzerne Gestell übrig war. Das zersplitterte Glas hatte bereits jemand zu einem kleine Haufen zusammengefegt.
Ich strich mit den Fingern vorsichtig über das Holz, denn es sah verkohlt aus, ohne Brandgeruch auszuströmen. Die Oberfläche zerfiel bei meiner Berührung zu feinem, schwarzem Pulver.
„Holzkohle“, sagte ich. „Als wäre das Material langsam erhitzt worden.“
„Die Seele des pflanzlichen Lebens, die in jedem Stück Holz vorhanden ist, hat sich verwandelt“, erklärte Magi Achain. „Die Gewalt der Luft, die bei einem Feuer mit dem brennbaren Material zusammengeführt wird, um die Essenz aus beidem in Licht und Hitze umzusetzen, ist in das Holz eingedrungen. Aber ohne die äußerlichen Eigenschaften eines Feuers zu entwickeln.“
„Was bedeutet das?“
„Fürst Borran hat versucht, zwei gegensätzliche Kräfte zu vereinen. Etwas Lebendes und etwas Totes. Dort liegen die Objekte, in denen diese Kräfte gebunden waren.“ Der Magi zeigte auf zwei geschwärzte Gegenstände, die in einer Ecke der Vitrine lagen und die ich für Holzstückchen gehalten hatte. Nun griff er nach einem davon und wischte es mit einem Tuch sauber.
Das schwarze Pulver ließ sich leicht entfernen und gab den Blick frei auf ein zierliches Messer. Es war kaum länger als ein Finger und reichhaltig ziseliert, sowohl am Griff als auch auf der Klinge.
Der zweite Gegenstand war wegen seiner rauen Oberfläche nicht so einfach zu reinigen. Er sah aus wie ein Kieselstein, schien aber porös zu sein, ähnlich einem feinen Schwamm. Seine Form war länglich, etwa von der Größe des Messers und in der Mitte ausgebuchtet.
„Welche magischen Eigenschaften haben diese Dinge?“, fragte ich.
„Sehen Sie sich genau an, um was es sich handelt. Was vermuten Sie?“
Ich hätte dem Magier am liebsten gesagt, dass mich seine lehrerhafte Art ärgerte. Aber ich riss mich zusammen und nahm das Messer in die Hand, um es genauer zu betrachten. „Es ist mit Pflanzen und Bäumen verziert“, stellte ich fest. „Auffallend feine Arbeit. Auch ohne magische Wirkung wäre es ein wertvolles Schmuckstück. Die Klinge fühlt sich scharf an. Es könnte von Elfen stammen.“
„Sehr gut. Und der Stein?“
Zunächst legte ich das Messer weg, um zu verhindern, dass sich die beiden Gegenstände in meiner Hand berührten. Womöglich steckte immer noch magische Kraft in ihnen. Der Stein war auffallend leicht, fast wie Kork. Ich drückte ihn vorsichtig mit den Fingern, aber er gab nicht nach, bestand also tatsächlich aus festem Material. Seine blasige Struktur war ungleichmäßig, folglich war er vermutlich nicht von Menschen geschaffen worden. Ich legte ihn wieder weg und sah den Magier fragend an. „So etwas habe ich noch nie gesehen und auch nichts davon gehört“, sagte ich.
„Gehört vielleicht schon, in den Sagen und Geschichten, die man sich entlang der Meeresküste erzählt. Man nennt es dort Quallenseele.“
Der Begriff erinnerte mich an etwas, aber ich kam nicht darauf, an was.
Magi Achain sah es und erklärte: „Eine Qualle ist ein Meerestier von feinster Struktur und kann einen Menschen verletzten oder sogar töten, wenn sie ihn berührt. Meist sind sie klein, doch die Sage berichtet von Exemplaren, die Hundert und mehr Fuß lang sein sollen. Das sind magische Wesen, deren Lebenswelt nicht die unsere ist. Stirbt eine Riesenqualle, so bildet sich aus ihrem innersten Körper ein solcher Stein. Er nimmt das Luftige, das Leichte des Wesens in sich auf und steigt hoch zur Oberfläche des Meeres. Dort entdecken ihn manchmal die Fischer und bringen ihn an Land.“
„Was kann man damit machen?“, wollte ich wissen.
„Er gilt als Glücksbringer, wie alles, was selten ist und nur durch Zufall gefunden werden kann. Pulverisiert soll er helfen, Krankheiten zu überwinden, die tödlich enden können. Man sagt, er gebe dem menschlichen Körper die Leichtigkeit zurück, die er aufgrund eines Leidens verloren hat.“
„Und das Messer?“
„Wofür könnte man ein so kleines, scharfes Messer benötigen?“, fragte er zurück. Als er sah, wie ich die Augen verdrehte, lächelte er und fuhr fort: „Es ist ein Skalpell, wie es Heiler verwenden, wenn sie Wucherungen aus dem Körper eines Menschen entfernen müssen. Dieses Exemplar ist zusätzlich mit magischen Kräften versehen worden, die der Unterstützung der Wundheilung dienen. Es ist wahrscheinlich, dass das Messer auch den Verlauf anderer Krankheiten günstig beeinflusst, wenn man es bei sich trägt.“
„Also zwei magische Gegenstände, die vor allem für einen Kranken von Nutzen sind.“ Mein Blick wanderte hinüber zu Fürst Borran. Er war zu sich gekommen. Der Heiler und der Priester halfen ihm gerade auf die Beine.
„So ist es. Der Stein bezieht seine Wirkmächtigkeit aus dem Meer und das Elfenmesser die seine aus dem Wald. Meer und Wald sind Gegensätze. Der Versuch, sie zu vereinen, kann Außerordentliches bewirken. Große Magie - oder große Zerstörung.“
Borran wirkte benommen und reagierte kaum auf die Fragen, die der Heiler an ihn richtete. Deshalb stützte man ihn, damit er mit kleinen Schritten zur Tür gehen konnte, wo Romeran mit besorgter Miene wartete.
Ich sah Magi Achain eine Weile an, bevor ich sagte: „Also ist Fürst Borran krank?“
„Entweder sehr krank oder sehr neugierig. Er hat versucht, die Wirkung dieser beider Artefakte zu vereinen. Sobald er dazu fähig ist, werde ich ihn zu einem Gespräch in die Akademie bitten und mit ihm über seine Sammlung reden. Es ist ein gefährlicher Zeitvertreib, sich mit magischen Gegenständen zu beschäftigen, ohne selbst Magier zu sein.“
„Warum erzählen Sie mir das?“
„Sie haben mich danach gefragt, junger Mann. Und ich halte es für gut, dass Sie das alles wissen. Wie man mir zugetragen hat, leben Sie von jetzt an hier im Haus.“
„Vorübergehend“, schränkte ich ein.
„Davon habe ich nichts gehört“, sagte er und wandte sich einem der Adepten zu, der bei den Aufräumarbeiten offenbar einen Fehler gemacht hatte.
Ich sah mich um. Viele Gegenstände aus der Sammlung des Fürsten waren von dem kalten Feuer betroffen, das hier gewütet hatte. Sie mussten aus ihren halb zerstörten Vitrinen genommen und anderweitig untergebracht werden. Und zwar, das sah ich nun ein, ohne dass sich zwei davon berührten und so womöglich noch einmal eine unerwünschte Reaktion auszulösen.
Ich beschloss, diese Arbeit der Fachleute nicht zu stören, und verließ den Saal.
Am Abend des zweiten Tages nach dem Vorfall ließ mich der Fürst in sein Arbeitszimmer rufen. Ich hatte bis dahin nichts mehr von ihm gesehen und nur von Romeran gehört, dass es ihm wieder gut ging. Zwar sah der Heiler noch drei Mal täglich vorbei, um die passende Salbe aufzutragen und nachzusehen, ob nicht eine Entzündung eingetreten war. Doch dabei handelte es sich nur um eine Vorsichtsmaßnahme.
In der Stadt kursierten Gerüchte über ein kaltes Feuer, das jemand aus Rache entzündet habe. Aber niemand hatte eine genaue Vorstellung davon, um was es sich dabei handelte, und niemand wusste zu sagen, wer so einen Hass auf den Fürsten hegen könnte. Das Gerede würde sich bald legen.
Ich erwartete, mit ihm allein reden zu können. Aber es war ein Gast bei ihm, als ich eintrat. Ein schmächtiger Mann in abgenutzter Kleidung mit einem ungepflegten Bart und einer Halbglatze. Ich kannte ihn vom Sehen, er hieß Seliim und trieb sich meist auf dem Händlerwasen herum. Bisher hatte ich geglaubt, er sei einer von denen, die sich ein paar Heller verdienen, indem sie den eintreffenden Händlern beim Abschirren der Zugtiere und beim Einrichten provisorischer Unterkünfte für ihre Handlanger halfen. Aber so ein Mann passte nicht in das Arbeitszimmer eines Fürsten.
„Sie kennen sich?“, fragte Borran, ohne mich durch mehr als ein Kopfnicken zu begrüßen. Teile seiner Gesichtshaut waren gerötet und glänzten von der Salbe. Sein Bart war an der linken Seite weggesengt.
„Herr von Reichenstein“, kam mir Seliim mit einer Antwort zuvor. „Wir hatten bisher nicht direkt miteinander zu tun. Aber man sieht sich mal hier und mal dort, nicht wahr?“ Er grinste mich an, was seltsam aussah, weil er nur noch einen Zahnstummel im Mund hatte.
„So ist es“, stimmte ich zu.
„Sie beide werden künftig zusammenarbeiten“, sagte der Fürst. Als er meine Überraschung sah, fügte er hinzu: „Seliim hat immer ein offenes Ohr für die Geschichten, die die Händler mitbringen. Seine Aufmerksamkeit ist wertvoll für mich.“
Nun verstand ich. Das war ein Spitzel, der für den Fürsten arbeitete. Es war bekannt, dass sowohl Borran als auch das Königshaus sich solcher Zuträger bedienten. Angeblich sogar die Kurrether, die zwar niemand mochte, die aber gut bezahlten.
„Seliim, berichte noch einmal, was du erfahren hast.“
Der Schmächtige verbeugte sich, etwas tiefer, als es ein Diener normalerweise tat, und begann: „Es ist gestern ein Wagenzug aus der Provinz Krayhan eingetroffen. Sechs Planwagen, gezogen von Ochsen, was ungewöhnlich ist, und nur von einem alten Söldner begleitet. Beides lag darin begründet, dass die Wagen schwerbeladen waren mit einer Ware, die Diebe nicht zu schätzen wissen, nämlich Papier. Es stammt aus den Papiermühlen nahe Kerrk, ist von minderer Qualität, wird aber in den Städten im Südwesten gerne gekauft.“
Borran machte eine rotierende, ungeduldige Bewegung mit der rechten Hand. „Weiter!“
„Ich habe mich nützlich gemacht und derweil nicht nur mit den Treibern der Ochsen ein Gespräch angefangen, sondern auch mit dem Händler, der für den Transport die Verantwortung trägt. Sein Name ist Aldar Korqu. Er ist nicht von Bedeutung.“
Ich wollte fragen, warum er uns dann mit solchen Einzelheiten belastete, unterließ es aber. Womöglich hätte er in der Folge noch ausführlicher erzählt.
„Er hat mir von einer interessanten Begegnung unterwegs berichtet, in der letzten Raststätte vor Dongarth. Dort war ein Händler, den er schon einmal in Kerrk getroffen hatte. Der Name dieses Mannes lautet Serenhem Bendal.“
Überrascht zog ich die Augenbrauen hoch. Das war der Mann, der Fürst Borran den Elfenstein verkauft hatte. Hielt der sich hier in der Gegend auf?
„Bendal schien nicht erfreut darüber, erkannt worden zu sein. Er meinte, er wolle neue Geschäftsfelder in der Hauptstadt erkunden. Dabei sei es besser, unter anderem Namen aufzutreten. Sonst treibe man die Preise unnötig in die Höhe.“
„Hat er gesagt, um welche Art Geschäfte es ging?“
„Nein, er tat geheimnisvoll.“
Ich wandte mich an den Fürsten. „Vielleicht will Bendal mit Ihnen über den gestohlenen Stein reden.“
„Ich glaube nicht, dass er das vorhat. Seliim, berichte weiter.“
„Es bleibt nicht mehr viel zu sagen. Heute Morgen hat man Aldar Korqu tot aus dem Donnan gefischt. Jemand hat ihm in der Nacht erwürgt. Die Leiche sollte vermutlich den Strom hinab treiben, ist aber am Südufer hängengeblieben.“
„Könnte es sein, dass Serenhem Bendal besonders viel Wert darauf legt, in Dongarth nicht erkannt zu werden?“, fragte ich.
„Es ist eine der möglichen Erklärungen“, sagte Fürst Borran. „Danke, Seliim, du kannst jetzt gehen. Und pass auf, dass es dir nicht ergeht wie dem Händler Korqu.“
Seliim kicherte, rieb sich die Hände, dienerte und verließ das Arbeitszimmer. Vermutlich hatte ihm der Fürst bereits vorher einen Lohn für seine Arbeit gegeben.
„Aron, Sie müssen sich dieser Sache annehmen. Suchen Sie nach Bendal und finden Sie heraus, was er hier in der Stadt vorhat. Und vor allem, bringen Sie mir den Elfenstein!“
Der letzte Satz kam mit solchem Nachdruck heraus, dass ich nachzufragen wagte: „Brauchen Sie ihn so dringend?“
Sein finsterer Blick besagte deutlich genug, dass mich das nichts anging. Was aber an sich schon ein indirektes Eingeständnis. Er schien die Heilkräfte des Steines wirklich zu benötigen.
„Sie kümmern sich vorerst um nichts Anderes“, sagte er. „Ich bezahle Ihre Zeit gut, aber ich erwarte auch Ergebnisse. Bald!“
„Was heißt gut?“
„Fünf Silbertaler“, antwortete er.
„Das ist der Monatslohn, den ein einfacher Arbeiter bekommt!“, protestierte ich.
„Fünf Silbertaler pro Woche“, präzisierte er.
Ich stieß einen Pfiff aus. Das wiederum war ein unerwartet hoher Lohn, den zum Beispiel der angestellte Meister in einem Handwerksbetrieb verlangen konnte.
„Dafür werde ich jede wache Minute in den Dienst Ihrer Sache stellen“, versprach ich ein wenig hochtrabend.
„Dann fangen Sie am besten gleich damit an.“
Ich verstand und ging zur Tür.
„Ach ja“, rief er mir hinterher. „Hören Sie sich auch weiterhin nach diesem Reisenden um, der aus dem Osten gekommen sein soll. Haben Sie schon einen Bericht von dem Mann, den Sie Richtung Kerrk geschickt haben?“
„Nein, er wird sich aber sicherlich bald melden.“
„Er könnte unterwegs Serenhem Bendal begegnet sein. Falls Sie eine Möglichkeit finden, ihn zu kontaktieren, fragen Sie ihn danach.“
Ich nickte. Auf die Idee hätte ich auch kommen können.