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Prolog

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Für Yvonne

Not sister by blood, but sisters by heart















Du kannst nicht das nächste Kapitel deines Lebens beginnen, wenn du ständig den letzten Abschnitt wiederholst.

– Michael McMillan












Seit einer gefühlten Stunde ist der erste Gang drin, mein rechter Fuß drückt das Gaspedal bis auf das Bodenblech und wird langsam aber sicher taub. Der luftgekühlte Boxermotor meines T2 Bullis arbeitet so emsig wie die ersten spanischen Gastarbeiter, die nach Deutschland und vor allem nach Wolfsburg kamen, um genau die Autos zu bauen, mit denen die Deutschen wiederum gen Spanien und den Süden zogen.

Genau wie wir. Mein Sohn Miki und ich. Allerdings knapp fünfzig Jahre später. Wir sind zu zweit, nein, eigentlich zu dritt. Was denn nun? Aber von vorne. Ich bin Eddie, genau genommen Edith Maassen, 38 Jahre alt, hauptberuflich Fotografin und derzeit auf Surffotografie spezialisiert. Ich bin Mami eines fünfjährigen, süßen, blonden Zwerges und passionierte Surferin. Vintagecar Loverin! Bulli Liebhaberin! Surfvan Travellerin!

Wir leben seit sechs Monaten in einem knallroten VW Bulli T2.

Ich bin aus Kiel und meinem alten Leben ausgebüchst, um mit dem Bulli meine Freiheit zu geniessen, zu surfen, wann immer und wo immer ich will . Das war vor knapp sechs Monaten, solange sind wir nun schon im Bulli unterwegs. Du willst wissen, wie das alles kam? Dann lies gerne das Buch CHICA MIT BULLI! Dann bist Du im Bilde! Wer es schon gelesen hat, kann ja einfach hier weiterlesen! Aber an dieser Stelle ein Dankeschön von Herzen für deine Treue. Here we go!

Nun geht es aus Nordspanien, wo ich im Sommer als Surffotografin in einem Surfcamp in Langre jobbe in unsere Winterdestination nach Andalusien.

Zur Zeit befinden wir uns noch an der spanischen Nordküste, genaugenommen zwischen Asturien und Kantabrien. Doch vor uns ragen sie in den Himmel: die Picos de Europa! Eine gewaltige Kalkstein-Gebirgskette, die den ersten Nationalpark Spaniens bildet. Die Gipfel von Europa, wie sie übersetzt heißen, haben ihren Namen nicht von ungefähr. Mit einer Höhe von rund 2.500 Metern kann man diese Bergspitzen schon weit vom Atlantik aus sehen – das machten früher auch die Seefahrer und tauften das Gebirgsmassiv daraufhin Picos de Europa.

Und hier sind wir nun. Neben den traumhaften Bergen vor unserer Nase, passieren wir auch dichte Wälder, tiefe Schluchten, romantische Wasserfälle, karge Moorlandschaften, eine Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten, rustikale Dörfer und einsame Berghütten.

Leider bin ich hinter Santander schon falsch abgebogen, da ich immer ohne Navi fahre, und aus Versehen auf einem Pass geraten. Das war überhaupt nicht der Plan! Mal wieder geträumt, Eddie?! Zähne zusammen beissen ist nun die Devise. Der Bulli, mein Söhnchen Miki und ich!

Eigentlich soll der Bulli Spitze hundertzwanzig Stundenkilometer fahren! Zusammen schaffen wir nun bergauf dreissig Stundenkilometer. Echt jetzt! Nicht lachen! Wir sind sowas von im Schneckentempo unterwegs!

Siebzig Pferdestärken tuckern hinten unterm Bodenblech, ein Käfermotor. Hört sich zwar super an, wirklich ein toller Sound, aber siebzig Pferdestärken waren schon für den Käfer nicht viel, und so ein Bulli wiegt mit seiner aus Holz gefertigten Camping-Ausrüstung original Marke Westfalia mehr als eine Tonne! Und ich habe ja auch Gepäck dabei! Drei Surfboards, mein Mountain Bike, ein Kinderfahrrad für Miki und eine zweite gefühlte Tonne Lego. Spaß! Keine Tonne, aber ein bißchen Spielzeug muss schon mit. Auch wenn wir im Bulli leben und verdammt wenig Platz haben.

Ein paar flotte kantabrische Rennradfahrer heften sich nun an unsere Fersen, und so manchen anderen Urlauber in seinem Zweihundert -PS-Kombi kann ich im Rückspiegel fluchen sehen, weil der Bulli und ich seine Zeitpläne sowas von durchkreuzen. Trotzdem haben wir einen Mega-Spaß und supergute Laune. Denn es ist nicht nur eine Tour von Nord nach Südspanien, wo wir überwintern wollen, um am legendären Kap Trafalgar zu surfen und ein letztes mal Freiheit, Wildlife und Vanlife zu geniessen.

Es ist dank des alten Bullis irgendwie auch eine Fahrt zurück in die Pionierzeit des Reisens, als notgedrungen auch der Weg das Ziel war, bedingt durch schmächtige Technik und dünne Straßennetze.

Schon früh hatten die Menschen ja das Bedürfnis, sich nicht nur mit einem vollgestopften Kleinwagen auf den Weg zu machen – manche wollten auch ein Haus auf Rädern. Neudeutsch, Vanlife!

Ich habe mal recherchiert und folgendes herausgefunden: Ein britischer Soldat, dessen Name nicht überliefert ist, entkernt seinen VW Bus und lässt sich bei der deutchen Möbelfirma Westfalia eine Wohneinrichtung dafür zimmern, exakt auf Maß. Aus der Idee wird ein Produkt, es heißt Campingbus, und aus dem Produkt wird ein riesengrosser weltweiter Erfolg! Auch wenn zunächst nur Tisch, Sitzbank, sprich Klappsofa und ein paar Schränke ins Auto gestellt wurden.

Immerhin gibt es in meinem T2 sogar eine kleine Boardspüle neben der Tür, in die man Wasser füllen kann – für die Katzenwäsche am Morgen oder um mal Geschirr abzuspülen.

Ferner hat mein Westfalia-Ausbau auch einen eingebauten Gasherd, den kann ich herunterklappen und bei Bedarf kochen. Eine kleine Butangasflaschenklappe ist direkt hinter dem Fahrersitz eingelassen, und so kann man auch ganz einfach Gas wechseln.

Ich habe meinen Bulli Bus Lee genannt, weil er ein echter Fighter aus den Siebziegern ist. Angelehnt an Bruce Lee, der Ikone des Martial Arts Films, aber auch, weil mein Bus Lee mit seinem extravaganten Ersatzrad auf der Nasenspitze, sprich Frontschürze irgendwie ein Tigergesicht hat.

„Exit the Dragon, Enter the Tiger“ war der erste Bruce Lee Film, den ich sah. Mein Cousin Jörg fand ihn spitze und hatte damals tausende Videokassetten. Ja, richtig gehört Kassetten. Nicht DVD. Nicht Blueray und erst recht kein Netflix. Old School, oder? Na ja, ich finde, Bus Lee passt super zu solch einem siebziger Kult Van.

Aber zurück zur Geschichte! Zur Vorgeschichte! Zum Prolog!

Der Bulli stemmt sich also weiter gegen die Schwerkraft. Wir kämpfen uns die steilen Serpentinen empor. Da die Straße so eng ist und so viele Kurven aufeinander folgen, ist so ein alter Campingbus nicht nur schön, sondern auch ein Verkehrshindernis.

Mein Problem sind aber nicht die Autos hinter mir, es ist der plötzlich auftretende Regen vor mir. Die kleinen Scheibenwischer bekommen den Regen einfach nicht in den Griff, eigentlich fahre ich fast im Blindflug. Ich fluche!

Also weiter mit Vollgas, solange es bergauf geht, im Schneckentempo kann ja nichts passieren. Wenigstens habe ich die Rennrad Truppe abgehängt, oder sie haben sich schlauerweise in irgendeiner Berghütte untergestellt.

Ich umklammere konzentriert das riesige Lenkrad und schraube uns Stunde um Stunde die engen Kurven hinauf. Irgendwann ist es dann geschafft. Wir haben den Pass erreicht. Das Wetter änderst sich schlagartig von Starkregen auf fröhlichen Sonnenschein. Aber es ist noch lange nicht die Zeit, wieder aufzuatmen.

Im Gegenteil. Jetzt müssen wir wieder runter! Der Bulli gewinnt an Fahrt, ich will scharf bremsen, aber was ein echter Oldie ist, der gibt auch mal seinen Geist auf. Bergab krallen sich dann plötzlich die Trommelbremsen fest, so dass das Pedal steinhart wird und sich nicht bewegen lässt, auch nicht zurück. Ich bekomme Herzrasen, Blut schiesst mir in die Ohren, mir bleibt nur eins, ich knalle die Motorbremse rein. Da ich im zweiten Gang bergab noch immer zu schnell bin und Angst habe aus den Kurven zu fliegen, setze ich alles auf eine Karte und knall den ersten Gang rein.

Bus Lee heult ohrenbetäubend auf, wie ein Kojote bei Vollmond, er ächzt und krächzt. Und dann geht es genau so runter wie wir hoch gekommen sind. Das heisst dann auch, nur mit maximal dreißig Stundenkilometern, abermals im Schneckentempo. Ich gebe für heute auf. Für heute habe ich auch genügend Adrenalin in meinem Blut. Immerhin haben wir es bis San Isidro geschafft. Morgen ist auch noch ein Tag. Ich find einen hübschen Parkplatz an einem Rio, an einem Flüsschen.

Mittlerweile ist es draußen stockfinster und mein Söhnchen Miki gähnt bereits ununterbrochen. Ich schaue auf mein Handy. Es ist gerade mal neunzehn Uhr. Doch da es bereits Spätherbst ist, genaugenommen Ende Oktober sind die Tage kurz und es wird schon früh dunkel. Selbst in Spanien. Schnell baue ich unsere Sitzbank nach einem kleinem Porridge Snack zu einem Bett um und klappe mit nur einem Griff den Campingtisch weg. Dann breite ich unsere Kuschelkissen und Decken aus, die tagsüber unter den Sitzen einfach weggepackt werden und knipse, als wir uns eingekuschelt haben, meine parktische Kopflampe aus. Ich bin völlig gerädert.

Was für ein krasses Abenteuer, mit einem siebziger Bulli über einen Pass zu kriechen.

Aber dann breitet sich ein breites Grinsen auf meinem Gesicht aus, und ich muss fast lachen. Vor mir liegt mein dritter Winter im Bulli. Mein dritter und letzter Winter. Was das für mich bedeutet?

Sich einfach treiben zu lassen. Keine Verpflichtung. Keine Termine. Kein Stress. Fahren, wohin ich möchte, bleiben, wo es mir gefällt. Ich kann tun und lassen, was ich will. Ich kann unter dem schönsten Sternenhimmel einschlafen und vom sanften Rauschen der Wellen geweckt werden. Morgen werden wir die Picos überquert haben. Und dann im Anschluss gechillt die Extremadura durchfahren.

Mit neunzig Sachen durch Spanien.

Ich bin gespannt.

Liebevoll und erleichtert, dass wir den Pass im Oldie ohne weitere Pannen gemeistert haben, drücke ich meinen Sohn Miki fest an mich und schlafe ein.

Erschöpft, glücklich und voller Zuversicht.



Chicas Welle

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