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Van Life
Оглавление„Aiaiai- mi morena, aiaiai mi corazon“ schmachtet ein schnulziger spanischer Barde aus dem lokalen RN3- Radio Nacional Tres und jault mir damit aus der Seele.
Mir geht es gar nicht prima. Mir geht es richtig dreckig!
Fast genau zwei Jahre Vanlife in meinem kultigen 1971er VW Bulli T2 sind nun ins Land gezogen.
Zwei Jahre Vanlife. Zwei Jahre Surfen, Freiheit, Wildniss, Freicampen, Abenteuer, Strand, Dünen, Natur pur.
Zwei Jahre ist es her, dass ich, nachdem ich einen Sommer in einem Surfcamp in Cantabrien als Surf-Fotografin jobbte, den Entschluss fasste, nicht heimzufahren.
Ich beschloss, nicht nach Deutschland zurückzukehren, sondern die Picos de Europa zu überqueren, um weiter Richtung Süden zu reisen und die Winter im Van im südlichsten Teil des europäischen Festlands in Andalusien zu verbringen.
Die Sommer verbrachte ich in Kantabrien, wo ich regelmässig einen Job im Liquidsurfcamp und Stellplatz in Langre für meinen Bulli Bus Lee hatte.
Der Stein kam damals ins Rollen, als ich mit meinem Ex-Freund, dem Surfer und Vantraveller Blake einige Zeit am legendären Kap Trafalagar verbrachte.
Genau genommen waren es nur ein paar Wochen über die Jahreswende. Wir hatten uns damals zu viert mit meinem Söhnchen Miki und seinem lieben, unfaßbar charmanten Schäferhundmischling Kuh-Jo ein hübsches Appartement direkt hinter den Dünen gemietet.
Aus der Beziehung ist schlussendlich nichts geworden, da es Blake nervte , dass ich bereits ein Kind habe und es immer wieder zu Reibereien kam.
Trotz, dass mein Herz maulte, entschied mein Verstand die Sache schleunigst zu beenden, noch bevor sie richtig begann. Sprich, den „großen“ Mann mit seinem tollen Hund Kuh-Joe ihres Weges ziehen zu lassen und loszulassen.
Naja. So richtig geklappt hat das nun auch wieder nicht.
Das Loslassen. Denn Blake ploppt noch immer wieder mal auf, und wie das so ist, wenn man verliebt ist, immer wieder werde ich butterweich und mein Herz schmilzt dahin, wenn er mit diesem endfiesen, sehnsüchtigen Dackelblick mal wieder vor mir steht.
Was dann kam, kennt der ein oder andere, ein sich bis dato dahin ziehendes On-Off Geplänkel.
Und nun bin ich mal wieder hier, das dritte mal in Folge in Andalusien, ohne Blake, dafür das zweite Mal mit einem tollem 1971er Bulli, Westfalia Ausbau und meinem Sohn Miki, der mittlerweile sechs Jahre alt ist.
Also nicht ganz einfach. Auf Facebook gibt es dafür sogar den Beziehungsstatus: „Es ist kompliziert.“ Ich würde behaupten- ein einziges Tohuwabohu!
Erst gestern hat mir Blake wieder gesimst. Er hat ganz unverbindlich nachgefragt, wo ich denn so bin, was ich so treibe, und dass er auf dem Weg in den Süden sei.
Jaja! Und was macht mein verweicheiertes Herzchen? Das Mistviech hat doch glatt einen kleinen Freudenhüpfer gemacht! Verräter!
Aber egal! Ob mit oder ohne Blake, aus irgendeinem Grund zieht mich das Kap Trafalgar, mit seiner magischen Bucht, der freien Sicht bis nach Afrika und den traumhaften Longboardwellen an.
Kennt ihr das Gefühl, wenn man irgendwo hinkommt und man denkt, ganz genau hier und nirgendwo sonst auf der Welt möchte ich jetzt sein? Genauso fühlt es sich an!
Hinzu kommt, dass ich passionierte Wellenreiterin bin.
Seit einem Jungendtripp als knapp Achtzehnjährige mit Freunden nach Biarritz hat mich die Leidenschaft des Surfens gepackt und seit knapp zwei Jahrzehnten jage ich nun schon auf der ganzen Welt den Wellen hinterher.
Ich habe schon nahezu jede bekannte Welle auf der Welt gesurft, ob Uluwatu auf Bali, Padang Padang auf Sumatra, Jaws und Pipeline, die Mütter aller Wellen in Hawaii, Mundaka in Nordspanien, Puerto Escondido in Mexico oder gar Long John in Jütland, einer der letzten Secret Spots in Dänemark. Ich war da. Ich kenne sie alle.
Das hört sich jetzt an, als wäre ich einer der weltbesten Surfer. Nicht unbegedingt. Ich bin da bescheiden. Ich surfe gut und das reicht mir. Ich bin und bleibe Soul Surfer, habe noch nie an einem Contest teilgenommen, hatte noch nie Classes oder Coaching in meinem Leben, aber ich behaupte mal, einen schönen Longboard Stil zu surfen.
Ich würde sogar noch weiter gehen und sagen, ich surfe nicht, ich tanze! Ich tanze mit dem Meer. Ich gebe mich hin und lasse mich fallen. I am an ocean dancer!
Das ist meine große Liebe. Meine Passion. Auch achte ich immer drauf, dass die Wellen an den Tagen, an denen ich surfe, nicht allzu schnell und hoch sind. Maximal kopfhoch oder Doppelkopf hoch und lange laufend, so sehen für mich perfekte Wellen aus.
Denn ich bin Longboarderin. Sprich, mein Surfbrett ist groß und lang, wie ein Laufsteg oder eine kleine Bühne, auf der man tanzen kann. Das macht das Longboarden eben aus.
Kleiner Tipp! Für den Fall, dass du etwas aus unserem Surfer Fachchinesisch nicht verstehen solltest. Im angehängten Glossar findest du Eddies Surfer ABC mit all dem Kauderwelsch, den ich so von mir gebe.
Den Spaß am Surfen hat auch nicht die Geburt meines Söhnchens Miki getrübt. Ganz im Gegenteil, die viele Freizeit in der Elternzeit habe ich genutzt, um einfach noch mehr zu surfen und noch mehr zu reisen. Und was soll ich sagen?
Wo ein Wille- da eine Welle!
Nun verbringe ich wie erwähnt bereits meinen dritten Winter in Andalusiens Wellenparadies am legedären Kap Trafalgar.
Meine Lieblingswelle hier heißt Maria Sucia, was eigentlich nur die Einheimischen wissen. Warum die Welle schmutzige Maria heisst?
Keine Ahnung, ich habe mal rumgefragt, aber weiß eigentlich keiner so genau. Vielleicht weil, wenn man einmal infiziert ist, nur noch an Maria denken kann?
Aber eins ist so was von klar- die Wassersportbedingungen an der Costa de la Luz, oder Cadizfornia wie die lokalen Surfer liebevoll diese Region um die Landeshauptstadt Cadiz nennen, sind einzigartig, wenn nicht sogar fantastisch im Winter.
Selbst in der kalten Jahrezeit, ist das Meer unanständig türkis und die weißen, unendlichen sowie menschenleeren Strände traumhaft schön.
Die unbebaute, wilde Dünenlandschaft erinnert an Sylt oder an Jütland in Dänemark, die Pinienwälder im angrenzenden Barbarte duften wie das wunderschöne Aquitaine am Atlantik in Südfrankreich.
Darüber hinaus punktet Andalusien besonders in den Monaten Dezember und Januar mit konstantem Swell und einem sonnigen und sehr mildem Klima, das selbst das gute alte Mallorca temperaturtechnisch alt aussehen lässt.
Das Meer hat derzeit eine Temperatur von fünfzehn Grad Celsius. Wenn ich daran denke, dass Jungs und Mädels in Cold Hawaii -so wird eine besonders gut surfbare Gegend rund um Kittmöller in Dänemark genannt- bei gerade mal vier Grad Celsius surfen gehen, dann kann man sagen, fünfzehn Grad sind noch echt human. Da gibt es nichts zu meckern.
Dennoch habe ich heute morgen irgendwie Mist gebaut. Ich war zu lange im Wasser, der Swell hatte eine hohe Periode, was bedeutet, das man immer wieder mal zwanzig Minuten im Wasser abhängt, einfach nur auf seinem Surfbrett sitzt, ewig wartet, obwohl kaum eine Welle ins Becken kommt.
Wenn man dann meint, noch nicht genügend derer abbekommen zu haben, denkt man sich: „Ach, eine noch!“ Und wartet. Und noch eine. Und wartet. Und noch eine.
Zack- und ehe man sich versieht, sind dann schon zwei, drei Stunden verstrichen. Oft komme ich erst aus dem Wasser, wenn ich meine Füße und Finger kaum noch spüre oder der Hunger mich an Land treibt. Oder wenn meine Energie Reserven definitiv vebraucht sind, und ich bereits im Wasser friere wie ein Schneider. So wie heute.
Ich war mal wieder viel zu lange im Wasser, sprich surfen und habe die Zeit völlig vergessen. Jetzt sterbe ich fast vor Hunger und Durst und friere wie eine kleine Katze, die beim Fischangeln in ein Eisloch gefallen ist.
Wir schreiben gerade mal den neunten Januar. Das Jahr ist also noch frisch. Ich liege Mutterseelenallein in meinem Bus Lee und habe bereits sowas ähnliches wie meinen ersten Zusammenbruch. Na super!
Rien va plus!
Nachdem ich mit schnellen Schritten aus dem Meer zurück zu meinem Bulli Bus Lee kam, den nassen Neopren ausgezogen hatte und Kuschelkram sowie Uggboots anzog, überfielen mich bereits aus dem Nichts Symptome wie Frieren, Schwitzen, Muskelzittern und eine beschleunigte Herzfrequenz.
So etwas hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht.
Während Miki, der neuerdings seit einigen Wochen in einer kleinen spanischen Vorschule in El Palmar steckt, liege ich zitternd wie Espenlaub und völlig erschöpft in meinem Bulli.
Weil ich so stark zittere und friere, stapel ich alle vorhandenen Decken und Kissen über mir zu einem monströsen Iglu auf.
Plötzlich setzen zudem krasse Kopfschmerzen ein. Sie pochen wie Hämmer in einem Stahlwerk auf meine Schläfen.
Ich bekomme schrecklichen Durst und versuche aufzustehen, aber mein Gleichgewichtszentrum macht bescheuerte Sperenzchen. Entnervt und schlapp wie eine gekochte Spagetti in einem Kochtopf falle ich kraftlos in mein Iglu zurück.
Alles tut mir weh; nicht nur der Kopf! Ich habe sogar stechende Schmerzen in den Händen, in den Fingern, Beinen, sogar bis in die einzelnen Zehen.
Mit Konzentration auf meinen Atem und mit progressiver Muskelentspannung versuche ich, mich dem Schmerz in Kopf und Gliedern entgegenzustemmen.
Nach einiger Zeit schlafe ich ein.