Читать книгу Chicas Welle - Manou Rabe - Страница 7
Change the Game
Оглавление„Na Eddie, ist noch ein Stückchen Kuchen da für einen ausgehungerten Vagabunden?“
Obwohl ich geahnt habe, dass er kommt und ich mir bereits hunderte Male ausgemalt habe, wie es sein wird, wenn er vor mir steht, gerfriert mir kurz mein Blut in den Adern.
„Kennen wir uns?“, möglichst gleichgültig drehe ich mich um und schaue Blake direkt in seine bernsteinbraunen Augen. Ich lese Schmerz, Hoffnung und; Liebe?
Er trägt eine verschlissene, gut sitzende oldschool Levis Jeans und einen ausgeblichenen marineblauen Billabong Hoodie. Seine gebräunten Füße stecken in einfachen Flip Flops.
Wie immer sind seine dunklen Locken windzerzaust und ähnlich wie bei mir, schimmern auch seine Haarspitzen ein wenig goldblond.
Seawashed hair- wie wir so schön im Surferjargon sagen. Mit seinen Koteletten und dichten, dunklen Haar, ähnelt Blake dem ebenso bildhübschen wie coolen Schauspieler Hugh Jackmann. Ein Werwolf unter den Surfern.
„Hast du mich etwa schon wieder vergessen?“, fragt er rau, setzt noch einen drauf und entlädt sein charmantestes Lächeln.
„Deine Surfikonen sind mega, Eddie! Wirklich, mir gefallen alle Bilder deiner Vernissage. Wann hast du das alles gemalt? Respekt!“, ...drei, zwei, eins- Dackelblick!
„Du musst mir unbedingt auch eines für meinen neuen Van King malen!“, raunt mir Blake nun laziev ins Ohr.
Ich kann kaum meine Augen von seinem Gesicht lassen und seine Bewunderung tut mir unendlich gut.
Aber trotz, dass ich tiefe Liebe und Zuneigung zu diesem Mann spüre, empfinde ich gleichzeitig grenzenlose Enttäuschung und Wut.
„Wozu?“, frage ich also giftig. „Damit du Riu Tussen deine Kunstsammlung zeigen kannst?“
Bang. Bang. My Baby shot me down.
Blakes Gesicht läuft knallrot an.
In derselben Sekunde weiß ich, dass meine Vermutung gegenüber der Halterin des Renault 4, der neben Blakes Mercedes Bus King parkte, ein Schuss ins Schwarze war.
„Ich habe sie nicht flachgelegt!“, entgegnet Blake merklich abgekühlt.
„Blödsinn!“, fauche ich nun. „Und ich bin Kelly Slater!“
„Eddie!“
Blakes Stimme klingt auf einmal ganz weich und er setzt erneut diesen endfiesen Dackelblick auf, den nicht mal sein Schäferhundmischling Kuh-Joe im Repertoire hat, um Würstchen zu erbetteln.
„Linda bedeutet mir nichts! Du aber schon Eddie...“, sagte er.
„Himmelherrgott nochmal, Blake!“, fauche ich gereizt
„Verschon mich mit deinem Gesülze. Ich hab kein Bock mehr auf das Hickhack! Das On Off. Heiß, kalt! Ich hab keinen Bock mehr auf ewigen Herzschmerz und Sehnsucht. Nie weiß ich, wo du steckst. Ob ich dich jemals wiedersehe. Und immer wenn es mir grade wieder gut geht; Zack: Ploppst du aus dem Nichts auf und es riecht wieder nach Drama.“, jetzt komme ich so richtig in Fahrt. Holla die Waldfee!
„Nein, Blake! Ich hab keinen Bock, dir was zu malen für dein Bumsmobil King. Weder Surfikonen noch Strichmännchen- nicht einmal das Haus vom Nikolaus. Schluss aus – Mickey Maus.“
So! Das musste jetzt raus.
Um meine Absichten zu unterstreichen, knalle ich noch mein Tinto de Verano Glas mit Schmackes auf die Theke der Bar, funkel Blake ein letztes Mal zornig an, drehe mich erhobenen Hauptes, und sehe zu, dass ich Land gewinne.
Aus den Augenwinkeln sehe ich einen wie ein begossener Pudel dreinschauenden Blake.
Auch sein Hund Kuh-Joe scheint entsetzt, aber das ist mir grad alles egal! Piepegal! Ich spüre, dass es mal wieder Zeit ist, ein altes Buch zu schließen.
Es bringt einfach nichts, die Kapitel wieder, wieder und wieder zu lesen. Sie ändern sich nicht. Der Inhalt ist derselbe, auch wenn du das Buch zwanzigmal durchkaust!
Blake ändert sich nicht. Unsere Geschichte wird sich nicht ändern. Wer sich ändern muss, bin ich selbst.
Es liegt in meiner Hand, was die Zukunft bringt. Und manchmal ist es einfach besser, ein neues Buch zu öffnen und eine neue Geschichte zu schreiben.
Das Kapitel Blake ist somit beendet. Punkt!
Am Abend der Vernissage liege ich erschöpft, aber auch sehr glücklich mit mir und zufrieden mit der Welt auf dem großen Bett der gemieteten Choza und lasse den Tag Revue passieren. In meinem Arm eingekuschelt liegt wie immer mein Zwerg und knarzt bereits.
Ich grinse stolz wie Oskar.
Die Entscheidung, Ikonen zu malen und sogar eine Vernissage zu veranstalten, waren die perfekte Lösung, mein angeschlagenes Selbstwertgefühl sowie meine Gesundheit zu verbessern. Obendrein habe ich mein Herz wieder einmal vor lästigen Liebeskummer bewahrt und mir erneut einen Traum erfüllt.
Wie heißt es doch so schön?
Verwandle deinen Schmerz in Wut.
Deine Wut in Motivation.
Und deine Motivation in Erfolg!
Ha! Endlich spüre ich das erste Mal keine Sehnsucht und keine Verbindung mehr zu Blake.
Ich fühle mich gerade, als würde sich ein kilometerlanger Verkehrsstau auflösen! So befreit und energiegeladen!
Fast schon albern.
„Jaja, lieber Blake; wenn es irgendwo Kuchen oder Drinks umsonst gibt, dann kann man auf dich zählen. Das war so was von klar, dass du Heini auf der Vernissage auftauchst.“, ich muss kichern.
„Schluss, aus, Mickey Maus!“, kennt jemand noch das kultige HB Männchen aus der Werbung, das immer steil ging, wenn es sauer war? So ähnlich muss ich gewirkt haben.
Ach herrlich! Mal die ganze Wut rauslassen, dem Ärger Luft machen und richtig Dampf ablassen: Ich finde, das hat schon was.
Und ja, ich denke, es war richtig, Blake verbal in den Arsch zu treten und das Kapitel ein für alle mal zu beenden.
Ich habe die Schnauze voll von: Es ist kompliziert!
Es ist immer besser, einen Schlussstrich zu ziehen und umzudrehen, als weiter und weiter in die falsche Richtung zu laufen. Oder?
Erstaunt bemerke ich, wie sich mein ganzer Köper immer mehr entspannt und sich ein wohliges Gefühl einstellt.
Ich erkenne, dass ich kurz davor bin, etwas sehr Wichtiges für mich zu verstehen. Seit geraumer Zeit versuche ich, etwas Bedeutendes zu erlernen: Das Loslassen!
Das Problem am Loslassen jedoch ist, dass man denkt, es sei zu schwierig; oder man will es einfach nicht.
Vielleicht, weil zu viele Momente so schön waren.
Man hält an etwas fest, ob an einer Beziehung, einem Job, einer Wohnung; egal an was, obwohl man tief ich sich drin schon weiß, dass es das Beste wäre, die Sache zu beenden oder gehen zu lassen.
Und dann pendelt man sich ein zwischen Loslassen und Festhalten bis es beginnt Energie zu rauben.
Dabei kann Loslassen ganz einfach sein.
Eigentlich muss man es nur wollen, und es ist ähnlich wie mit dem Rauchen aufhören.
Einfach machen!
Es ist nun weit nach Mitternacht und mir kommen immer mehr schöne, positive Gedanken in den Sinn.
Nochmals grinse ich frech in mich rein. Ich weiß nun, dass ich alles schaffen kann; dass ich alles erreichen kann, was ich mir nur vornehme.
Grad noch unglücklich und kränklich; kurz vor dem Aufgeben; und nun habe ich schon wieder neue Hirngespinste, die sich ausbreiten.
Ich habe mal wieder Blut geleckt.
Wie damals, als ich wie eine Wölfin um den VW Bulli herumschlich, und mir ausmalte, wie es damit on the road sei.
Aber ich hab es ja geschafft, ich bin mit Bus Lee von Nord Europa bis an das südlichste Zipfel Europas gereist.
I did it! Check! Häkchen. Done.
Und jetzt?
Wieder zurück? Zurück auf Los? Nach Kiel?
Was war denn mein eigentlicher Traum?
Im Bulli abzuhauen, und mal eine Auszeit zu nehmen, zu surfen und mich frei zu fühlen wie ein Fisch im Ozean?
Oder ist mein Traum eventuell, grundsätzlich am Meer zu leben? An einer Welle? An dem wunderschönen Kap?
Ist das sogar meine Welle?
Chicas Welle?
Ich glaube, ich muss das genau hier und jetzt alles neu definieren. Worum geht es mir denn im Leben?
Ich rolle das jetzt mal für mich auf!
Es geht doch darum im Leben, dass wir uns von zu erwartenden Schwierigkeiten oder negativen Energien nicht davon abhalten lassen dürfen, unsere Träume zu verwirklichen! Richtig?
Natürlich sind steinige Strecken auf dem Weg zu erwarten.
Aber wenn wir nicht vollkommen zufrieden sind, mit dem Leben, das wir gerade führen, dann sollten wir daran etwas ändern!
Bin ich denn vollkommen zufrieden? Ja. Nein. Jein.
Also, das Leben im Bulli ist toll. Es war toll, aber wie soll es denn nun weiter gehen.
Ich muss mir wohl endlich überlegen, die gewohnten Pfade zu verlassen und Dinge grundlegend zu verändern!
Gut, dass ist immer unbequem. Aber sollen wir in einem nicht glücklichen Zustand bleiben, oder besser gesagt wieder zurückkehren, um zu vermeiden, auf dem Weg zu einem Leben, das uns vielleicht besser gefällt, in eine schwierige Phase zu kommen? Nein!
Aber mit der Befürchtung, dass es schwierig werden könnte, setzen sie sich schwer auf unsere Schultern – die Hindernisse in uns selbst.
Sie sorgen dafür, dass wir kein Bein in die erträumte Richtung vor das andere kriegen.
Ja es fällt sogar zu schwer aufzustehen und überhaupt einen aller ersten Schritt zu tun…
Klar, also der neue Traum ist schon ein Mammut Projekt. In einen Bulli zu klettern und auszubüchsen, temporär, ist eine Geschichte.
Auswandern, ganz alleine mit Kleinkind, ist eine ganz andere Liga! Kreisliga beim Fußball ist nicht die Bundesliga, auch wenn beide einem Ball hinterherrennen. Einen Fiat 500 kann man nicht mit einem Formel Eins Ferrari vergleichen. Auch wenn beide vier Räder haben und aus Italien kommen!
Ein Sabbatjahr ist Langzeiturlaub. Es ändert sich nichts im Leben, außer, dass man mal weg ist!
Auswandern bedeutet Zelte abbrechen. Abbauen. Neu aufbauen. Das ist Loslassen hoch zwei. Sozusagen promovieren im Loslassen! Und ich trage ja auch noch die Verantwortung für ein zweites Lebewesen! Meinem Kind!
Allein der Gedanke, mit dem Rattenschwanz, den er nach sich ziehen könnte, lässt mich vor Schreck erstarren!
Auf der anderen Seite lässt der Gedanke aber auch mein Herz schneller schlagen! Sehe ich mich hier?
Könnte ich hier unten in Andalusien leben?
Allein? Egal was passiert? Ich würde alles aufgeben! Alle meine Freunde eventuell verlieren! Wenn ich krank bin, ist keiner für mich da! Niemand!
Ist es die Welle wert diesen riesen Schritt zu gehen?
Bin ich stark und mutig genug es durchzuziehen?
Ja! Ja, das bin ich! Ich bin stark genug und ich will das!
Ich will an einer Welle leben! DAS ist mein Traum!
Nicht der Bulli. Der Bulli war nur Mittel zum Zweck!
Der Fahrschein ins Glück! Wenn ich aber glücklich bleiben will muss ich den Fahrschein nun auch einlösen! Richtig?
Ich grinse. Ich glaube ich habe die Lösung gefunden!
Nun gähne herzhaft und fühle mich seltsam erleichtert.
Erleuchtet! Und trotz, dass mir fast die Augen zufallen, finde ich immer mehr Gefallen an der Idee hier in Andalusien in einem Beach Haus nahe meinem geliebten Atlantik zu leben und zu arbeiten.
Irgendwann will man ja auch mal ankommen und so schön das Vanleben ist, ich spüre, dass ich angekommen bin und ich hier sein will.
Was wäre denn, wenn ich hierbleibe? Ich kann es ja erstmal testen! Ich fühle mich hier wohl und Miki auch. Ich kann Geld verdienen mit Malen und mit Surf Fotografie.
Klar war es mein Traum im Bulli durch Europa zu reisen, aber das mache ich ja nun schon seit geraumer Zeit und ich stelle fest, ich will nirgendwo anders hin.
Ich will ganz genau hier sein.
Ich schaue auf die Uhr. Es ist nun schon weit nach Mitternacht! Um mich ein wenig zu beruhigen und zu sammeln, lese ich vor dem Einschlafen noch ein bisschen in meinem Lieblingsbuch; der Alchimist von Paulo Coelho.
Aus dem Buch hatte mir einst Blake vorgelesen. Ich fand das Buch so schön, dass ich es mir selbst ebenfalls gekauft habe.
Der Satz „Erst die Möglichkeit, einen Traum zu verwirklichen, macht unser Leben lebenswert” bleibt mir tief im Gedächtnis hängen.
Dann lege ich das Buch beiseite, verschränke die Arme unter meinen Kopf und mein Blick schweift nochmals aus dem kleinen Holzfenster der Choza.
Millionen Sterne funkeln und zwinkern mir freundlich und aufmunternd zu.
Mit einem glücklichen, breiten Grinsen und letzten selbstzufriedenen Seufzer schlafe ich endlich ein.