Читать книгу Der Mythos des Athamas in der griechischen und lateinischen Literatur - Manuel Caballero González - Страница 15
II.2 Die PhrixosPhrixos betitelte Tragödie
ОглавлениеAbgesehen von den zwei schon analysierten Tragödien verfasste Sophokles ein weiteres Schauspiel über den Phrixos-Mythos. Leider sind nur wenige Fragmente dieses Dramas erhalten.
Der Leser könnte sich fragen, warum in dem vorliegenden Buch ein Werk untersucht werden soll, das sich nicht auf die Figur von Athamas konzentriert bzw. den Namen des Aioliden nicht als Titel trägt, wie die oben erwähnten Stücke von Aischylos und Sophokles. Fuhrmann erklärt treffend den Grund: „Denn wenn auch Athamas die zentrale Gestalt der Sage ist, so sind er und sein Schicksal keineswegs immer der Mittelpunkt der sie behandelnden Dichtungen, sondern ebenso seine Gemahlinnen und Kinder, also einerseits Nephele mit ihren Kindern Phrixos und Helle und Ino mit ihren Söhnen Learchos und Melikertes und andererseits diese und Themisto mit ihren Zwillingen. … So gehören zum Kreis der Dichtungen, die den Athamasstoff behandeln, auch die Tragödien nicht allein mit dem Titel ‚Athamas‘, sondern auch die mit den Titeln wie ‚Phrixos‘ und ‚Ino‘“1. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Die Handlung des Phrixos von Sophokles wird üblicherweise mit der in Hyg. Astr. II 20HyginusAstr. II 20 beschriebenen Geschichte in Verbindung gebracht. Nauck selbst weist auf diese Idee hin: „mythum in Hygini Poet. Astr. 2, 20 p. 446 repperisse sibi uisus est Welcker“2. Lucas de Dios ist aber vorsichtiger: „Respecto al Frixo sofocleo, poco puede decirse a través de los fragmentos conservados. Hay, sin embargo, una serie de conjeturas, basadas en criterios externos a la obra“3.
Vier Vermutungen werden im Folgenden vorgeschlagen, um die Handlung dieser Tragödie zu rekonstruieren.
1) Potiphars Motiv
Es geht um die verleumderische Anklage der Demodike, wenn ihr Neffe Phrixos sie zurückweist und es ablehnt, mit ihr zu schlafen4.
Der erste Gelehrte, der dieses Thema auf die Tragödie zurückführte, war Welcker: „Auf eine für die Tragödie gerade ganz geeignete Sage deutet Pindar, indem er (Pyth. IV, 162) sagt, daß Phrixos durch den Widder gerettet ward von der Stiefmutter bösen Geschoffen“5.
Pearson mutmaßt, dass die Handlung dieses Dramas „is referred to by Pind. Pyth. 4. 161“6, auch wenn die Aussage des Scholions zu Pindars Werk „does not in any way assist the conclusion that the Demodice-story was the central incident in the Phrixus“7. Gantz schenkt diesem Scholion auch keinen Glauben: „But possibly, too, the scholiast is confused“8. Diesem Forscher gemäß konnte die StiefmutterStiefmutter in Sophokles Tragödie nicht Nephele genannt werden.
In Bezug auf Welckers Vorschlag behauptet Pearson, „is thus little more than a guess“9, obwohl es möglich ist, dass Welcker Recht hatte, denn Phrixos musste die Hauptfigur der Tragödie sein und die Geschichte der Demodike beschreibt ihn auf diese Weise. Fontenrose ist in seiner Erklärung der Demodike als Tante, nicht als Stiefmutter, wahrscheinlich derselben Ansicht: „The nature of her plot is evident from a second (probably Sophoclean) version of the story, wherein Demodice or Biadice was not the stepmother of Phrixus but the wife of his uncle Cretheus10. Ganz anders ist die Ansicht von Lucas de Dios. Er meint nicht, dass Potiphars Motiv der Kern dieser Tragödie war, zumindest wenn man Euripides’ Tragödie im Sinne hat: „El tradicional paralelismo de contenido en correspondencia a la identidad de títulos11 hablaría igualmente en contra de aplicar al Frixo sofocleo el motivo de Putifar“12. Allerdings ist es nur eine Vermutung, dass Sophokles’ Phrixos einer der Tragödien des Euripides ähneln sollte.
2) Das Motiv der StiefmutterStiefmutter
Dieser Mutmaßung gemäß handelt es sich bei Sophokles’ Phrixos um die übliche IntrigeIntrige der Ino ihren Stiefkindern gegenüber. Pearson meint, „Phrixus contained the earlier part of the story of Ino’s plot up to the time of the escape of the two children, whereas the Athamas, as has already been suggested (I p. 2), narrated the subsequent punishment of their father“13.
3) Phrixos’ Rückkehr und seine endgültig erwiesene Unschuld
Pearson weist darauf hin, „Urlichs conjectured that the Phrixus related to the fortunes of the hero subsequent to his arrival in Colchis“14. So war es, denn Ulrichs beteuert, „Sophocles autem, quum in altero Athamante periculum, quod Phrixo eiusque sorori a patre instabat, descripsit, in Phrixo eius aduentum in Colchide uidetur repraesentasse“15. Welcker erwiderte ihm, es gäbe der Tradition nach kein solches AbenteuerAbenteuer, das die Handlung einer Tragödie darstellen konnte: „Allein von seiner That des Phrixos bey oder nach seiner Ankunft ist die geringste Spur in den Sagen“16.
4) Mangelnde Grundlage für eine Aussage
Zuletzt meint Ribbeck, Demodikes Geschichte „ist der Hippolytosfabel unverkennbar nachgebildet, muss also jüngeren Ursprungs sein, so dass … [sie] … nur einem späteren Tragiker, gewiss nicht dem Sophokles zuzutrauen ist“17. Zudem ist er auch der Meinung, es sei nicht auszuschließen, dass Sophokles’ Phrixos ein Satyrspiel war.
Schmid selbst entschließt sich nicht für eine bestimmte Handlung18 und viele andere Wissenschaftler geben zu, dass es sehr schwer ist, den Inhalt der Tragödie anzudeuten – vorausgesetzt es handelt sich um eine solche. So stellt Radt fest: „de argumento non constat“19; Mette erkennt, „der Inhalt des ‘Phrixos’ (frg. 721–723, P.) bleibt unbekannt“20. Pearson weist darauf hin, „the internal evidence is insignificant, and general probability can alone decide the issue“21. Lloyd-Jones vertritt die Auffassung, „there is no positive evidence“22 für Phrixos’ Handlung; er vermutet aber, „Phrixus may have been identical with one of the two Athamas plays“23, was meiner Meinung nach sehr unwahrscheinlich ist.
Nach allem, was bis jetzt gesagt worden ist, kann man über die Handlung von Sophokles’ Athamas folgendene Schlußfolgerungen ziehen:
1) Erster Athamas: Die I-L-M-Version mit der Übergabe des Kindes Dionysos durch HermesHermes an Athamas.
2) Zweiter Athamas: Wahrscheinlich die I-P-H-Version, aber es lässt sich nicht sicher feststellen. Das Opfer eines bekränzten Athamas und die Rettung durch HermesHermes sollte in diesem Theaterstück dargestellt werden.
3) Phrixos: Darüber herrscht Unsicherheit. Welckers Vorschlag (Potiphars Thema) ist ziemlich willkürlich, wenn er entweder nur auf den erhaltenen Fragmenten oder auf den sicheren Informationen über diese Tragödie aufbauen will.
Glaubwürdig sind m.E die Scholien zu Aristophanes für die Rekonstruktion des zweiten Athamas und die nach Fuhrmann erläuterten Fragmente des homerischen Bechers für die des ersten Athamas. Leider lässt sich nicht mehr sagen. Im nächsten Kapitel wird der mögliche Einweihungs- oder Reinigungsritus für Athamas analysiert, ein Thema, um das es sich in seinen Tragödien handeln konnte24.