Читать книгу Der Mythos des Athamas in der griechischen und lateinischen Literatur - Manuel Caballero González - Страница 27

A) Die Handlung

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Bevor die Handlung dieser Tragödie analysiert wird, muss man mit Jouan / Van Looy bedenken: „L’état fragmentaire des deux « hypotheseis » rend toute conclusion aléatoire“1; aus diesem Grund sind alle hier vorliegenden Vorschläge mit Vorbehalt anzunehmen.

Dank der beiden in zwei Papyri von Oxyrhynchos erhaltenen Hypothesen kann man die Handlung des ersten und des zweiten Phrixos vermuten und eine bessere Vorstellung dieser Tragödien gewinnen. Nun sollen diese beiden Texte analysiert werden.

Luppe erklärt, wie sich einige Teile von P. Oxy. 3652 mit P. Oxy. 2455 überschneiden, eine Tatsache, die zum dritten Mal in Euripides’ Hypothesen auftaucht. Das erste Mal geschah es mit dem 1966 veröffentlichten P. Oxy. 2544, der aus dem 2. und 3. Jh. v. Chr. stammt und den Anfang des Phoinix beinhaltet. Das zweite Mal geschieht es mit dem 1968 veröffentlichten, aber bis 1979 nicht als solche anerkannten P. Mich. Inv. 1319; dieser Papyrus verknüpft sich mit P. Oxy. 2455 Frg. 107 der Tragödie Temenos. Der dritte Beleg, der die Hypothesis des ersten Phrixos betrifft, ist der aus dem 3. Jh. n. Chr. stammende P. Oxy 3652 Sp. II 16–31, der sich mit einigen Zeilen von P. Oxy. 2455 Sp. XVI 221–232 + Frg. 78 überkreuzt. Mit anderen Worten, die Quellen für die Rekonstruktion dieser Hypothesis sind die letzterwähnten Papyri von Oxyrhynchos, P. Oxy. 2455 ed. Turner (s. Austin) und P. Oxy. 3652 ed. Cockle.

P. Oxy. 2455 „consists of 138 fragments, only the first eighteen at all substantial, of a roll of hypotheses of Euripides’ plays“2, wie Lloyd-Jones erläutet; diese Sammlung ist ähnlich entweder Callimachus’ Diegesis oder den Hypothesen der Werke von Euripides in PSI 1286. Der Papyrus gibt normalerweise den Titel der Tragödie, die erste Zeile und eine kleine Zusammenfassung des Werkes an. Erhalten sind die Hypothesen der Tragödien, deren Titel mit folgenden Buchstaben beginnen: von M bis O und von C bis X. Leider ist der Zustand dieses wesentlichen Papyrus nicht so gut. Luppe weist darauf hin: „die Zeilen des ‚neuen‘ Papyrus sind, wie jeweils die Zeile mit dem Zitat des Anfangsverses und die erste Text-Zeile zeigt, etwas breiter (durchschnittlich 2 Buchstaben) als die ‚alten‘ (29 bis 31 gegenüber 27 bis 29 Buchstaben)“3.

Hier sind die zwei Texte nach Luppe4:

P. Oxy. 2455 P. Oxy. 3652
1 Φρῖ[̣ξο]ς̣ πρῶ̣τος, οὗ ἀρχή 1 Φρ[ῖξος πρῶτος, οὗ ἀρχή·
2 εἰ μὲν τόδ᾿ ἦ̣μ̣αρ ̢ π̡ ρωτοσ, ἦν κακουμ̢̣ έ- 2 εἰ ̡ μ̣ὲν τόδ ἦμ̣ ̢ αρ πρῶτον ἦν κακουμένοι.
3 νωι. ἡ δ᾿ ὑπόθεσις· 3 Ἀ̣θάμας υἱὸς μὲ[ν] ἦν Αἰολου· βασιλεὺς δὲ
4 Ἀθάμας υἱὸς μὲ[̣ν] ἦ̣ν Αἰολου· βασιλεὺς 4 Θετταλῶν ε [
5 δὲ Θετταλία̣ς [ε – - -] δὲ παῖδα̣[ς] ἐκ 5 Φρῖξον· ἔτι δὲ [
6 [Νεφ]έλης Ἕλ̣λ[ν τε κ]α̣ὶ Φρῖξον [.]..[ 6 Κάδμο]υ παιδ.[ κα-
7 ..].εν Εἰν.ι τη[. Κάδμο]υ πα[ιδ – - – 7 τὰ τῶν προγόν̣[ων έπιβουλὴν ἐμηχανή-
8 [.]ο̣[ κα]τ̣ὰ δὲ τῶν̣ π̣[ρο- 8 σατο καθάπερ [φο τὸν τῆς μη-
9 [γ]όν̣ω[ν ἐπιβουλὴν] ἐμηχανᾶτο κα]θά- 9 τρυιᾶς πικρὸν .[ ηι· συγκα-
10 π̣ε̣ρ̣ φο̣[ τ]ὸ̣ν τῆσ μητρυι[ᾶ]ς 10 λέσασα γὰρ τῶν [Θετταλῶν γυνα[ῖκας ὅρ-
11 πικρὸν̣[ ]ηι· συνκαλέ- 11 κοις κατησφαλ[ίσατο
12 [σασα γὰρ τῶν Θετταλῶν γ]υ̣να[ῖκας ὅρ- 12 νον ἐπὶ τὴν χ.[
13 ἀκαρπίας [[αγει.̣]] [
14 λυσιν, εἰ Φρῖξοσ [σφαγείη Διί – - –
15 εἰς Δελφοὺς ἀπ[̣ ἄγγε-
16 λον ἔπεισε ὡς .[

Wichtig ist es nun, die bedeutungsvollen Züge dieser Fragmente kurz zu analysieren. Für die Zeile 7 des ersten Papyrus meint Luppe: „Εἰνωι̣ [sc. scheint] eher ein Akkusativ mit einem – gerade in diesem Papyrus häufigen – überflüssigen Iota als ein Schreibfehler für den Dativ Εἰνοῖ zu sein“5. Lloyd-Jones liest sie folgendermaßen: συνώικησ-]εν [ε]ἴνωι τῆ[ι Κάδμο]υ πα[ιδὶ, es sei denn, dass das Iota nach ινω „one more of the intrusive iotas so common in this manuscript“6 und folglich έπήγαγ]εν zu lesen sei. Für die Zeile 9 desselben Papyrus bevorzugt er das Wort ἐμηχανήσατο – wie man in den Zeilen 7 und 8 von P. Oxy. 3652 annehmen kann – dem Terminus ἐμηχανᾶτο, denn die erste ist die übliche für die Aufzählung von Hypothesen verwandte Verbalform. 1986 schlägt er für die Zeilen 5–6 vor: πα[ῖδας δὲ | τ]ο[̣ύτωι οὐκ ἔτεκεν. Diese Behauptung ist meiner Meinung nach schwer zu begründen: „Diese Frau fürchtet das Leben einer StiefmutterStiefmutter, die wie eine Mutter ihr Leben Kindern widmen muß, die ihr ganz fremd sind, also Sorgen und Pflichten einer Mutter hat, ohne doch selbst Mutter zu sein“7. Nirgendwo aber wird Ino als unfruchtbar dargestellt, ein Motiv, das ihr Leben bitter machen könnte.

Für den Satz von καθάπερ8, meint Luppe9, dass Cockle den richtigen Pfad zeigte, als er dieses Wort mit φο[βουμένη verband. Luppe lehnt Parsons’ Vorschlag (μὴ τ]ὸν τῆς μητρυιᾶς πικρὸν θ[̣άνατον πάθ]ηι) ab, „denn von einem sprichwörtlichen bitteren Tod der Stiefmutter, wie ihn diese Ergänzung doch wohl voraussetzt, ist m.W. nichts bekannt“10. Aber in derselben 2. Fabel von Hygin wird Ino zu der Qual verurteilt, auf dem Opferaltar zu sterben, was auch als ‚ein bitterer Tod‘ zu betrachten ist. Zeile 11 des zweiten Papyrus will – meiner Ansicht nach zutreffend – das wahrscheinliche ὅρ]|κοις κατησφαλ[̣ίσατο mit der Verschwörung, den Samen zu verbrennen, in Verbindung bringen.

Letztendlich sind die Unterschiede zwischen beiden Texten geringfügig. So hat man eine kleine Variante Θετταλíας (Z. 5 von P. Oxy. 2455) – Θετταλῶν (Z. 4 von P. Oxy. 3652), oder z.B. das Verb ἐμηχανᾶτο (Z. 9 des ersten Papyri) statt des möglichen ἐμηχανήσατο (Z. 7–8) von P. Oxy. 3652. Hier ist der von Luppe vorgeschlagene Text11:

1 Φρῖξος πρῶτος, οὗ ἀρχή·
2 εἰ μὲν τόδ ἦμαρ πρῶτον ἦν κακουμένωι.
(ἡ δ᾿ ὑπόθεσις)
3 Ἀθάμας υἱὸς μ ̢ ὲ[ν] ἦν Αἰολου· βασιλεὺς | δὲ
4 Θετταλῶν (-ίας). ε[ἴχε(ν) δ(ὲ παῖδα[ς]) ἐκ | [Νεφ]έλης Ἕλλη[ν (τε) κ]αὶ
5 Φρῖξον. ἔτι δὲ [ἐπέγημεν ([ἐ]πέ|[γη]μεν‘δ᾿’) Ἰνὼ τὴ[ν τοῦ (τοῦ om. A)
6 Κάδμο]υ παιδα[ς δὲ | τ]ο[ύτωι; οὐκ ἔτεκε(ν); κα-
7 τὰ (δὲ) τῶν προ|γόν ̢ ω[ν έπιβουλὴν] ἐμηχανή-
8 σατο (-νᾶτο) καθά|περ ̢ φο[βουμένη τ]ὸν τῆς μη-
9 τρυιᾶς πικρὸν β[ίον περὶ ἑαυτ]ῆι· συγκα-
10 λέ]σασα γὰρ τῶν [Θεττάλων γ]υνα[ῖκας ὅρ-
11 κοις κατησφαλ[ίσατο πυρὸν πεφρυγμέ-
12 νον ἐπὶ τὴν κα[τασπορὰν διδόναι. τῆς δὲ
13 ἀκαρπίας [ἔπεισε γενήσεσθαι (bzw. ἐπίστωσεν ἔσεσθαι) ἔκ-
14 λυσιν, εἰ Φρῖξος [σφαγείη Διί· τὸν γὰρ
15 εἰς Δελφοὺς ἀπ[οσταλησόμενον ἄγγε-
16 λον ἔπεισε ὡς λ[έγοι τοῦτο κεχρησμέ-
17 νον12 εἶναι.

Das P. Oxy. 2455 (Z. 236–241) enthält den letzten Teil der Hypothese, der in das P. Oxy. 3652 nicht überliefert wurde.

Der erhaltene Text lautet: Luppes Version:
]-τ̣ο[̣ [ μητρὶ (- – -) ἑαυτῶ]ι ̣π̣ó[̣ρον
[…]ηι· τ[ κ]ινδυν[ π[̣ορισάσ]ηι· τ[οῦ φυγεῖν ἐκ κ]ι̣νδύν[ου·
διδόν[αι] ων[ ἀ]ναγκαιό- διδόν[αι] ω̣ν[ ἀ]ναγκαιό-
τερον ἡγησά[μεν ]νος· ἤ πατρὶ κίνδυνον τερον ἡγησά[μεν ]νος· ἤ πατρὶ κίνδυνον
ἐπιστήσαν[τ.(.)] δ̣ι̣ὰ̣ γυναῖκα. ἐπιστήσαν[τ.(.)] δ̣ι̣ὰ̣ γυναῖκα.

Luppe meint, „es ginge um die Rettung durch Nephele aus der Gefahr, in die Athamas seinen Sohn der Ino wegen (die seine Opferung forderte) gebracht hatte“13.

Dieser Text unterscheidet sich wesentlich von dem Vorschlag, den E.G. Turner, der erste Herausgeber des Textes, anbot und den Luppe in einem früheren Artikel kritisiert hatte14; Turner liest die Textstelle so: ἀ]λλ[᾿ ἀ]ναγκαιό|τερον ἡγησά[̣με]νος ἤ̣ πατρικὸ̣ν κε[ρ]αυνὸν ἐπιστήσαν[τα] δ̣ι̣ὰ̣ γυναῖκα, und vermutet als mögliches Subjekt entweder Dionysos oder HermesHermes oder sogar ApollonApollon15. Lloyd-Jones16 bringt Turners Übersetzung der Zeilen 39–40: „but thinking it (or him) more closely akin than one who set in motion his father’s thunderbolt because of a woman“. Eine genauere Leseart der Textstelle dank einer vergrößerten Abbildung, „löst das Rätsel und lässt den ‚väterlichen Blitz‘ im Nichts verschwinden“17. Zum oben geschriebenen Text bietet Luppe eine Alternative dar:

238 διδόν[τ]ω̣ν [ἐπιμελεῖσθαι ἀ]ναγκαιό- τερον ἡγησά[̣με
]νος ἤ πατρὶ κίνδυνον
240 ἐπιστήσαν[τος] δ̣ι̣ὰ̣ γυναῖκα18.

„Von welchen Personen gesprochen wird, lässt sich allenfalls raten“19, fasst Luppe zusammen; er deutet darauf hin, dass sich ἐπιστήσαν[τ- entweder auf Phrixos oder sogar auf Melikertes oder am wahrscheinlichsten auf Learchos beziehen könnte. Mit διδόν[τ]ω̣ν würden Phrixos und Helle angedeutet. Der Vater ist angeblich Athamas, die Frau Ino. Es gilt aber nicht als sicher.

Wie schon vorher gesagt, benutzt Lloyd-Jones die Information dieser Handschrift, um Wilamowitz’ Fehler deutlich zu machen: Der deutsche Gelehrte hatte in Analecta Euripidea bestritten, dass zwei Tragödien mit dem Titel Phrixos existierten.

Kannicht hat persönlich beide Papyri untersucht und meint „Phrixi I argumentum quantum nunc in P. Oxy. 2455+3652 exstat (test. iia) cum Apollod. BiblApollodorosApollod. I 9, 1. I 9, 1“20. Er nimmt an, dass die Geschichte von Athamas, Ino und Phrixos aus den Ereignissen zweier Orte entstanden ist: Der eine Ort ist Laphystios, ein Berg in BöotienBöotien mit dem Tempel von JupiterJupiter Laphystios, der andere ist die Stadt HalosHalos, in der thessalischen Phthia.

Zum Schluss lässt sich die Handlung folgendermaßen zusammenfassen: Athamas, Aiolos’ Sohn, war im ersten Phrixos König von ThessalienThessalien. Er heiratete Nephele, die ihm Helle und Phrixos gebar; daraufhin heiratete er erneut Ino. In diesem Drama wurde auch über eine StiefmutterStiefmutter, die die Frauen aus Thessalien zusammengerufen hatte, über die Sterilität, über eine Befreiung, nachdem Phrixos etwas zugestoßen ist21, über Delphi und über eine Überzeugung22 geredet. Die Szene sollte in Thessalien, und zwar in der Stadt HalosHalos stattfinden. Die Personen waren Athamas, Ino, Phrixos, …

Aélion denkt, dass die Rekonstruktion des ersten Phrixos schwieriger ist als die des zweiten. E.G. Turner glaubte nach der Meinung von Aélion23, dass es in beiden Phrixos um dasselbe Thema ging. Interessanter ist Websters Überlegung, ob es sich bei diesem Drama nicht um Phrixos’ AbenteuerAbenteuer in Kolchis handeln könnte24; laut Aélion will Webster dadurch die unterschiedliche Lokalisierung des Königs Athamas in der jeweiligen Tragödie rechtfertigen; meiner Meinung nach wird dieser Punkt auf diese Weise nicht geklärt25. Auf jeden Fall ist es sehr wahrscheinlich, dass es in einem der zwei Phrixos um ein Rettungsschema ging, worauf Aélion hinweist: „un personnage affronté à un danger grave, qui menace sa vie ou sa liberté, finit par lui échapper, au terme d’une action qui s’achève de façon heureuse“26; in der Tat ist dieses Schema so generell, dass es für fast jedes Theaterstück gilt.

Kannicht zufolge27 schrieb Riedweg das Frg. 835 Kannicht und Frg. 490; 624 Kannicht / SnellEuripidesPhrixos A-B:Frg. 490 Kannicht / SnellEuripidesPhrixos A-B:Frg. 835 KannichtEuripidesPhrixos A-B:Frg. 624 Kannicht / Snell der Adespota dieser Tragödie zu.

Der Mythos des Athamas in der griechischen und lateinischen Literatur

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