Читать книгу Der Mythos des Athamas in der griechischen und lateinischen Literatur - Manuel Caballero González - Страница 29
A) Die Handlung
ОглавлениеIm P. Oxy. 2455 folgt die Zusammenfassung dieser Tragödie auf die von Phonix und Philoctetes.
Leider „sind lediglich Beginn und Ende der Hypothesis erhalten“1, worauf Luppe hinweist, der diese Hypothesis ausfühlich analysiert. Hier ist der von Luppe vorgelegte Text:
Fr. 17
Kol. XIX | Kol. XX | |||
267 | Φρῖξος δ[ε]ύ[τ]ε[̣ρος,] οὗ ἀρχή· | 280 | τῷ ἐπιβ̣ο̣[υλ]ευμέ̣ν[ω· | |
281 | ἡ δὲ [τ]ὸν̣ Διόν[υσον] ἐπικαλε [__ | |||
268 | Σειδ̣ώνιον τότ᾿ ἄ̣στυ Κ̣ ̢ άδμος ̡ ἐγλ̣ιπὼ | 282 | θάνατον̣ διώλ̣ισ{σ}θεν· ἐμμανεῖς γὰρ π[οι- | |
269 | ἡ δ᾿ ὑπόθ[̣εσις·] | 283 | ήσας· Δ[ι]όνυσος Φρῖξον τε [κ]αὶ Ἕλλην [τ]ὴν | |
270 | Ἀθάμας ἐν Ὀρχομε[̣νῶι ___________ | 284 | ἀδε[λ]φ[ὴ]ν προηγάγετο εἰς τὴν ἐρή[μη]ν | |
271 | Εἰ]ν̣ο̣ῖ τῆ Κάδμ[̣ο]υ _______] π̣αῖδ̣α̣ς | χώ[ραν | ||
272 | ἐκ Νε]φέλης προγε̣γεν[̣νηκὼς Ἕλλην τε | 285 | ___ αναλω[μ]α τῶν Μαινάδω̣ν̣ π̣ο̣ι- | |
273 | καὶ Φ]ρῖ̣ξον· οἷς μ… [ | 286 | ήσω[ν]· Νεφήλη{ι} δ̣ὲ κ̣αταπτᾶσα καὶ διαρ | |
………… | 287 | πάσασα τοὺ[ς] ἑαυ[τῆ]ς̣· κρει[ὸ]ν̣ ἔ̣δωκε[̣ν] αὐ- | ||
274 | ]ρι[|]. ειτο[ | 288 | τοῖς ὁδηγ___________________ | |
……… | ||||
275 | ]πολ[ | |||
276 | ]τεινομ[ | |||
277 | ]αντες· Ἀθ[άμα | |||
278 | ]τον[ | |||
279 | ]. ρι[ | |||
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Zwischen der 19. und 20. Spalte sollen vierzehn Zeilen fehlen. Sowohl Turner als auch Luppe sind der Meinung, dass dieses Fragment viele Kontaktpunkte mit der 3. Fabel von Hygin hat, auf die auch Kannicht Bezug nimmt2. Anschließend werden die wichtigsten Züge dieses Fragments in Hinblick auf die Textkritik präsentiert.
Z. 270: Luppe sagt: „zerstört sind vor allem zwei Verbformen, von denen die eine ein Partizip gewesen sein dürfte“3. Turner rekonstruiert am Ende dieser Zeile das Verb βασι]λεύ[̣ω]ν, aber Luppe nimmt diese Deutung nicht auf und schlägt eine finite Verbform διῆ]γη vor.
Z. 271: Turner rekonstruiert den Dativ [Ἴν]ω̣ι, Luppe aber zieht die Form [Εἴ]νο̣ι vor. Er denkt auch an σ̣υ̣γ̣[οικῶν δύο] für die dazwischenliegende Leerstellen des Verses.
Z. 272: Luppe nimmt Parsons Lesart auf und liest προγε̣γεν[νηκὼς und gibt damit „der Ehe mit Ino als Athamas’ Zweitehe den Vorzug“4. Jouan / Van Looy übernehmen Turners Vorschlag προσεγέν[νησεν; „dans ce cas, Néphéle est la maîtresse d’Athamas; elle lui donne les deux qui sont donc des bâtards“5.
Z. 281–2: Luppe folgert, „es ist von Ino die Rede, die nach Aufdeckung ihres Mordanschlags gegen Phrixos bestraft werden soll“6.
Z 284: Bemerkenswert ist die Stellung von χώ[ραν. Normalerweise sind die Wort-Endungen, deren Länge der Kopist nicht richtig ausgerechnet hat, am Schluss oberhalb der betroffenen Zeile geschrieben; hier fällt auf, dass ein ganzes Wort unter der Zeile zu finden ist. Luppe meint, „es handelt sich nicht um Wortlaut (sic) der Hypothesis, sondern um eine Glosse“7.
Z. 285: Statt ἀνάλω[μ]α, das keinen Sinn in diesem Kontext ergibt, ist die Form παρανάλω[μ]α vorzuziehen, weil man den Ausläufer von π erraten kann.
Z. 287: Befremdend ist m.E. das Wort κρει[ὸ]ν, das sich in L & S nicht findet und das LfE als hapax von κρέας betrachtet; Luppe ersetzt sie treffend durch κρι[ὸ]ν.
Nach Luppes Analyse erhält man folgenden Text:
Kol XIX | Kol. XX | |||
267 | Φρῖξος δ[ε]ύ[τ]ε[̣ρος,] οὗ ἀρχή· | 280 | τῷ ἐπιβ̣ο[̣υλ]ευμέ̣ν[̣ω· | |
281 | ἡ δὲ [τ]ὸν̣ Διόν[υσον] ἐπικαλε[σα]μ̣ένη̣{ι}· τ[̣ὸν | |||
268 | Σειδώνιον τότ᾿ ἄ̣στυ Κ ̢ άδμος ̡ ἐγλ̣ιπὼ̣ν̣ | 282 | θάνατον̣ διώλ̣ισθεν· ἐμμανεῖς γὰρ π[οι- | |
269 | ἡ δ᾿ ὑπόθ[̣εσις·] | 283 | ήσας· Δ̣[ι]όνυσος Φρῖξον τε [κ]αὶ Ἕλλ̣η̣ν [τ]ὴ̣ν̣ | |
270 | Ἀθάμας ἐν Ὀρχομε[νῶι8 διῆ]γε τ̣ῆ̣{ν} | 284 | ἀδε[λ]φ[ὴ]ν προηγάγετο εἰς τὴν ἐρή[μη]ν | |
(bzw. ἔρη[μο]ν) | ||||
271 | Ἰ]ν̣ο̣ῖ τῆ Κάδμ[̣ο]υ̣9 σ̣υν[̣οικῶν δύο] παῖδας | 285 | ὡς π̣α̣ρανάλω[μ]α τῶν Μαινάδω̣ν̣ π̣ο̣ι- | |
272 | ἐκ Νε]φέλης προγεγεν[νηκὼς Ἕλλην τε | 286 | ήσω[ν]· Νεφήλη δ̣ὲ κ̣ατ̣απτᾶσα καὶ διαρ- | |
273 | καὶ Φ]ρῖξον· οἷς μ… [ | 287 | πάσασα τοὺ[ς] ἑαυ[τῆ]ς· κρι[ὸ]ν̣ ἔ̣δωκε[̣ν] αὐ- | |
………………… | 288 | τοῖς ὁδηγε[̣ῖν ε]ἰ[̣ς Κόλχ]ο[̣υ]ς. | ||
274 | ]ρι[|]. ειτο[ | |||
……………… | ||||
275 | ]πολ[ | |||
276 | ]τεινομ[ | |||
277 | ]α̣ντες· Ἀθ[άμα | |||
278 | ]τον[ | |||
279 | ]. ρι[10 |
Neun Jahre später schlägt Luppe11 eine andere Lesart des Anfangs dieser Hypothesis nach dem Frg. 139 vor:
Ἀθάμας ἐν Ὀρχομε[̣νωι βασι]λ̣εύ[̣ω]ν
Ἰ]νωι (lies: Ἰνοῖ) τῇ Κά̣δμ[̣ου σ]υν[̣ώκει δύο] π̣αῖδ̣α̣ς
ἐκ Ν]ε̣φέλης προγεγεν̣[νηκὼς Ἕλλην τε
καὶ Φ]ρῖξον·
Er ändert auch die letzten zwei Zeilen der Hypothese, indem er an einigen früher bestimmten Buchstaben zweifelt: κ̣ρ̣ιὸν ἔ̣δωκε[̣ν] αὐ|τοῖς ὁδηγε[̣ῖν ε̣ἰ[̣ς Κόλχ]̣ο̣υ̣ς.
Die dank diesem Papyrus erhaltene Information der Tragödie12 ist folgende: Athamas herrscht mit Ino, Cadmus’ Tochter, in OrchomenosOrchomenos. Er hat schon zwei Kinder mit Nephele, Helle und Phrixos. Es wird von einer Person gesprochen, gegen die eine Intrige durchgeführt wird. Sie, möglicherweise Ino, ruft Dionysos an und flieht vor dem drohenden Tod. Der Gott schickt Phrixos und Helle den Wahnsinn und führt sie zur Wüste, damit die Mänaden sie töten. Nephele stürzt steil herab und holt ihre Kinder. Lloyd-Jones erläutert, „the word καταπτᾶσα seems to indicate that Nephele was not an ordinary wife, but a supernatural being, an opinion which is confirmed by her ability to produce the ram when it was most needed“13. In der Tat ist es dieser Zusammenfassung gemäß Nephele, die ihren Kindern einen Widder gibt, um nach Kolchis zu gelangen.
Abschließend werden nun die allgemeinen Schlussfolgerungen über die zwei Phrixos betitelten Tragödien präsentiert.
Dank der in den Papyri von Oxyrhynchos gefundenen Hypothesen kann man etwas mehr über die Handlung beider Dramen aussagen als nur aufgrund der Fragmente. Allerdings ist es schwierig, beide Tragödien mit Sicherheit zu rekonstruieren und vor allem je nach Handlung zu trennen. Man hat den Eindruck, dass es bei beiden um die gute Ehefrau, die Stiefmutter, die Diener, den verbrannten Samen, die Gerechtigkeit, das Leben und das Sterben, und insbesondere um den Tod als gerechte StrafeStrafe ging.
Hier werden jetzt einige Behauptungen aufgestellt, deren Eigenschaften nur hypothetisch sein können, denn die überlieferten Hypothesen und Fragmente gestatten es nicht weiterzugehen.
1) Der erste Phrixos käme logischerweise vor dem zweiten.
Auffällig ist, dass die Handlung der Tragödie in ThessalienThessalien lokalisiert wird, weil dieses Gebiet mit dem Umherirren von Athamas nach Learchos’ und Melikertes’ Tod im Nachhinein verknüpft wird. Dieses Drama erzählt die bekannte Episode des verbrannten Samens, das heißt, die Intrige der StiefmutterStiefmutter, die Orakel von Delphi und den Befehl des Opfertods von Phrixos. Aus zwei Gründen will der Aiolide über die Leiden am Anfang des Werkes sprechen: Entweder weil Euripides’ Ino schon aufgeführt worden war und er sich auf den Tod der Kinder von Themisto bezieht oder weil er den Tod der Kinder von Ino mutmaßt14.
Der Tragödie werden die Frg. 822a, 824, 828 und 835 KannichtEuripidesPhrixos A-B:Frg. 822a KannichtEuripidesPhrixos A-B:Frg. 824 KannichtEuripidesPhrixos A-B:Frg. 828 KannichtEuripidesPhrixos A-B:Frg. 835 Kannicht zugeschrieben.
2) Der zweite Phrixos käme logischerweise nach dem ersten.
Die Handlung findet in BöotienBöotien statt. Eine andere Version der Tatsachen wird erzählt: Die Intrige wird enthüllt und Ino riskiert, hingerichtet zu werden. In diesem Drama sollte angeblich die freiwilligfreiwillige Bereitschaft von Phrixos, für das Vaterland zu sterben, auftauchen; wichtig ist zu unterstreichen, dass diese Theorie durch kein Fragment unterstüzt wird, und dass kein Autor der Antike diesen Vorschlag erwähnt. Wahrscheinlich wurde Phrixos’ Opfertod nicht durchgeführt, sonst hätte Inos Bestrafung keinen Sinn. Ino würde Dionysos anrufen, der Phrixos und Helle den Wahnsinn schickt. Nepheles Kinder fühlen sich verpflichtet, zum Berg, zu den Mänaden, zu gehen, denn Ino war einst Teil dieser Gruppe, wie man dank E. Ba. 229 weiß. Nephele gibt ihnen den Widder, nicht um sie vor einem vermuteten Opfertod zu retten, sondern um sie aus den verbrecherischen Händen der Mänaden zu befreien. Diese Rekonstruktion würde zum ersten Phrixos passen, weil dieser den Präzedenzfall von Ino, ‚Ko-Protagonistin‘ von Phrixos im Werk, erzählen würde. In beiden Fällen würde das negative Bild von Ino präsentiert.
Könnte diese Tragödie einen ‚dionysisch‘ geprägten Farbton haben? Phrixos und Helle, die wie Pentheus mit dem von Dionysos geschickten Wahnsinn bestraft werden, sind kurz davor, von den Mänaden vernichtet zu werden. Euripides wollte Athamas an Agave heranführen: Beide Figuren waren unglücklich wegen ihrer Neffen. Das Problem liegt in der Frage, warum er dann seine Tragödie Phrixos betitelte; möglicherweise deshalb, weil diese Person von vornherein im Werk vorhanden ist und in Kolchis lebendig ankommt.
Der Tragödie werden die Frg. 822b, 831, 838 KannichtEuripidesPhrixos A-B:Frg. 822b KannichtEuripidesPhrixos A-B:Frg. 831 KannichtEuripidesPhrixos A-B:Frg. 838 Kannicht zugeschrieben.