Читать книгу Der Mythos des Athamas in der griechischen und lateinischen Literatur - Manuel Caballero González - Страница 34
I.1.4 Met. XI 194–196OvidMet. XI 194–196
ОглавлениеHier geht es um den HellespontHellespont. Der Kontext dieser Textstelle ist die Rückkehr von Apollon, nachdem er Midas in Troja bestraft hat, weil er den mit ApollonApollon selbst und Neptun geschlossenen Pakt gebrochen hatte.
Der Hellespont wird angustum citra pontum Nepheleidos Helles genannt, im Gegensatz zu D.P. 506–519Dionysios PeriegetesD.P. 506–519, D.P.Par. 513–516 MüllerParaphrase zu Dionysios PeriegetesD.P. Par. 513–516 Müller und Et.GudEtymologicum GudianumEt.Gud. ε 459. ε 459, die HelleHelle zu Athamas Tochter machten. Dieser Beleg kommt zum ersten Mal vor und, wie Bömer erklärt, „nur hier in der klassischen Dichtung“1. Es stimmt, dass Valerius Flaccus nachher von pecoris Nephelaei uellera (I 56) reden wird, aber nicht von dem Meer des Hellesponts; zwei spätere Textstellen aber, und zwar Lucan. IX 956LucanusLucan. IX 956 und Auson. MosAusoniusMos. 287–288. 287–288, folgen ja ganz genau Ovids Spur.
Das Wort citra bedeutet „zwischen Pontus und Tmolus“2; das heißt, dass man sich von Tmolus aus gesehen auf der asiatischen Seite befindet, und dass man nordwärts geht. In der Tat benutzt Ovid in den Metamorphosen nur die griechischen Namen von Ino, Melikertes (beide schon divinisiert), PhrixosPhrixos und Helles Mutter (LeukotheaLeukothea, PalaimonPalaimon und NepheleNephele), und nicht ihre lateinischen Varianten oder Übersetzungen, wie es z.B. Hygin macht.
Ovid erwähnt den HellespontHellespont in seinen Werken sieben weitere Male3, aber jedes Mal auf andere Weise. Lohnenswert ist es, diese Textstellen kurz zu analysieren, um pauschal betrachten zu können, wie sich der Dichter auf Helles MeerMeer bezog.
1’) Fast. IV 561–568OvidFast. IV 561–568: Keres, die von Triptolemos’ Mutter entdeckt wird, verlässt ihr Haus; sie geht an vielen Orten vorbei, unter anderen auch am Hellespont.
2’) Tr.OvidTr. I 10, 24 I 10, 24: Dies ist die zehnte Elegie, in der Ovid sich wünscht, ein Schiff zu haben, um zur SeeSee zu fahren und aus dem Pontus zu fliehen. Dann benutzt Ovid hier ein Adjektiv: Hellesponticas … aquas.
3’) Tr.OvidTr. I 10, 27–28 I 10, 27–28: Ein wenig weiter unten in derselben Elegie bezieht sich der Dichter auf die zwei berühmten Städte von Sestos und Abydos. Er deutet Helle (uirginis) und ihren SturzSturz (uectae male) in dieser Meerenge an (angustas … undas).
4’) Ep. XVIII 107–108OvidEp. XVIII 107–108: Dies ist eine sehr schöne und emotionale Textstelle, wenn Leander Hero einen Liebesbrief schreibt. Wie schon bekannt, wohnte Leander in Abydos und jeden Tag sollte er den HellespontHellespont durchschwimmen, um seine Geliebte Hero zu treffen, die in Sestos wohnte und ihm mit einer Lampe den Weg zeigte. Eines Tages löschte der Sturm das Licht; Leander verlor den Weg und ertrank. Als Hero dies erfuhr, warf sie sich ins MeerMeer und ertrank ebenfalls. In diesem Gedicht von Ovid wird der Hellespont nur als Adjektiv genannt: Hellespontiaci … maris (108). Diese SeeSee habe weniger Algen als die beiden Verliebten in einer denkwürdigen Nacht Freuden hatten.
5’) Ep. XVIII 136–145OvidEp. XVIII 136–145: In dieser Textstelle nennt Leander den Hellespont Athamantidos aequora und erzählt, dass der aufkommende Sturm das MeerMeer so aufwühlen werde wie damals, als Helle in ihm versank und ihm ihren Namen verlieh. Das Wort Hellespont ist eigentlich von Anfang an mit Leiden und Blut befleckt. Leander gibt noch einen Hinweis: Er beneide Phrixos, quem per freta tristia tutum4 / aurea lanigero uellere uexit ouis (142–143); so spielt er auf die Reise von Phrixos und Helle auf dem Seeweg5 an.
6’) Ep. XIX 31–32OvidEp. XIX 31–32: Hero antwortet Leander. Das Mädchen küsst die Kleider, die Leander trug, als er den Hellespont durchschwamm.
7’) Ep. XIX 121–128OvidEp. XIX 121–128: Eine großartige Textstelle aufgrund ihrer Zusammenstellung und ihres Pathos. Hero blickt auf das tobende MeerMeer des HellespontHellesponts und findet zwei mögliche Antworten auf diese Gewalten, obwohl sie keine von ihnen kategorisch bejaht6. Der erste Grund könnte die dunkle, den Himmel bedeckende WolkeWolke sein (höchste Ebene). Hero glaubt, dass der die See beschädigende Regen die Tränen von Nephele sind, die angstvoll sieht, wie ihre Tochter versinkt. Zum ersten Mal wird Nephele pia (123) genannt. Der Schmerz der Mutter veranlasst das Toben. Der zweite Grund liegt in der Tiefe des Meeres (unterste Ebene). Hero fragt sich, ob der Hass der StiefmutterStiefmutter die SeeSee toben lässt: Ino, schon in eine Nereide verwandelt, peitscht die Wellen, um Helle von dem Widder stürzen zu lassen. In diesem Fall ist der Groll einer StiefmutterStiefmutter für die Aufregung des Meeres verantwortlich.Allerdings gehören sowohl der erste als auch der zweite Grund zur Vergangenheit. In der Gegenwart ist es Leander, der den Hellespont durchschwimmt. Der gegenwärtige Sturm spiegelt den Zustand der See, als Helle auf dem Widder reiste. Selbstverständlich denkt Ovid an eine Seefahrt, denn es ergibt keinen Sinn, dass Ino die See aufwühlt, wenn Helle durch die LuftLuft fliegt.Außerdem mischt Ovid absichtlich die I-P-H- und die I-L-M-Version im Meer von Hellespont und bietet eine sehr konkrete ‚Chronologie des Mythos‘: Ino hat gegen Phrixos und Helle intrigiert; diese haben dem OpferOpfertod entfliehen können und begeben sich auf dem Widder mit dem goldenen Vlies nach KolchisKolchis. Athamas verfolgt sofort Ino und Melikertes, die sich ins Meer stürzen. Ino wird zu Leukothea, aber ihr Hass gegen Nepheles Kinder bleibt unvermindert bestehen7. Nachdem sie die Macht über die Wellen empfangen hat, ist sie – zum ersten Mal wird dies angedeutet – die für ihren SturzSturz letztlich Verantwortliche, nicht der Widder oder die schwache Natur von Helle. Ovid hat also eine besondere Erklärung für den Absturz von Athamas’ Tochter. Sehr schön ist auch der letzte Vergleich zwischen HERO und HELLE8, bei dem Hero sich über die Ungunst dieses MeerMeeres teneris … puellis (127) beklagt.