Читать книгу Jenseits der Augenlider - Marc Dorpema - Страница 17
XV
ОглавлениеDieser verdammte Beutel. Garandor konnte sich nicht vorstellen, mit so einem Ungeheuer am Rücken – und zusätzlich in eine massive Rüstung gehüllt und mit einem gigantischen Streithammer bewaffnet – bis ans Ende der Insel spazieren zu müssen. Der Zwerg packte hastig die letzten, unentbehrlichen Sachen für seinen langen Marsch zusammen. Er hatte das Äußere der Festung erst an wenigen Gelegenheiten mit eigenen Augen gesehen und selbst dann hatte er sich nie aus der umliegenden Stadt entfernt.
Nachdem der Zwerg jegliche Utensilien und Rationen in seinem Beutel verstaut hatte, schoss Balira ihm durch den Kopf, doch er schüttelte den Gedanken, sie zu besuchen, wie frisches Laub aus seinem Geist.
Widerwillig verließ Garandor seine Kammer und schlenderte – unterbrochen von einigen Pausen, verursacht durch winzige Details in den verzierten Wänden, welche ihm noch nie zuvor aufgefallen waren und ihn mit ihren geschlängelten Linien an den Boden wurzeln wollten – zum Haupttor. Er stolperte einige Male ungeschickt aufgrund des enormen Gewichts auf seinem Rücken und fluchte nach jedem gerettetem Fall zischend auf Zwergisch.
Plötzlich spürte er wie sich eine Hand um seine Schulter schloss und ihn sachte umdrehte. Sie sahen sich mehrere Monde lang an. Beide wussten, was das Gegenüber aussprechen wollte. Schließlich überwand Balira sich und schloss Garandor in ihre Arme. Der Duft von ihm unbekannten, zermahlten Blüten und Mineralien kroch durch die breite Nase in seine Erinnerungen und nistete sich gegen Garandors Willen dort ein.
„Ich liebe dich Garandor. Versprich mir, dass du wiederkehrst.“ Stille Tränen erstickten ihre sanfte Stimme.
„Ich – Ich liebe dich auch, Balira. Ich werde zurückkehren. Das verspreche ich dir.“ doch seine Augen straften ihn einen Lügner. Die Zwergin wusste, dass er diese Reise mit einer hohen Wahrscheinlichkeit nicht überstehen würde.
„Ich muss jetzt gehen.“ flüsterte Garandor hölzern. Balira nickte und löste sich zögernd. Ihre Blicke trafen sich, als der Auserwählte sich umdrehte, davonstampfte. Mit jedem Schritt klirrte seine Rüstung metallisch.
Am Tor angekommen, stellte er fest, dass seine Gefährten bereits zum Aufbruch bereit waren. Dante war sichtlich aufgeregt, während der Elfenfürst vollkommen gelassen wirkte, als er auf die verabschiedenden Worte wartete.
„Garandor. Du hast zu uns gefunden. Wir warten bloß auf dich, mein Freund.“ Der König sprach mit einem Kern aus tiefster Sorge, welcher jedoch – von einem Schleier aus Pathos verdeckt – nicht zum Vorschein kam. Er umarmte Garandor, was dieser als eine enorme Ehre empfand.
„Ich werde dich nicht enttäuschen, mein König.“ Zaghafte Stimme, Zittern.
„Du kannst mich nicht enttäuschen, Garandor.“ Die Fassade des Pathos bröckelte leicht. Die Sorge kam zum Vorschein. Nach einem langen Blick klopfte Torabur dem jungen Zwerg im Wegdrehen auf die Schulter.
Das aufmunternde Lächeln, welches der junge Dante ihm zuwarf, verwirrte Garandor zutiefst. Sein Magen verknotete sich, während sein Kopf leicht wurde, sich von seinem Torso löste und durch die Halle schwebte. So fühlte sich also eine Mischung aus überwältigender Sympathie und verstörender Angst an.
Der alte König hatte mittlerweile von jedem der drei Auserwählten Abschied genommen und blickte trist in die Runde.
„Ich bin froh, dass ich nicht an eurer Stelle stehe. Die Verantwortung, welche diese Offenbarung der Weisen auf die Schultern von vier gewöhnlichen Wesen gestapelt hat, ist enorm. Lasst euch nicht von dieser Last zerquetschen und behaltet einen klaren Kopf. Wenn ihr zusammenhaltet, könnte diese Reise das Schicksal des Ostens der Insel zum Guten wenden. Könnte ihn retten.“ Torabur suchte nach den richtigen Worten, um die drei auf die Reise vorzubereiten, doch sie versteckten sich geschickt im Inneren des Kerns aus Trauer.
„Mögen alle Götter und alles Glück der Insel mit euch sein.“
Mit diesen Worten ertönte ein ohrenbetäubendes Krachen und die Pforte setzte sich knirschend in Bewegung. Kein Sonnenstrahl stach durch den Spalt. Lediglich die Tränen des grauen Himmels.