Читать книгу Der Wald, der die Seele nahm. - Marcel Kraeft - Страница 12

Der Arzt

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Es knallte, polterte, bebte und vibrierte, die Wände knarrten und knirschten, sein Bett ruckte heftig. Nach und nach trat wieder Ruhe ein. Die „Extensa“ hatte ein schweres Anlegemanöver hingelegt.

Plötzlich wurde die Tür von jemandem wild aufgerissen. Nebek stürmte gut gelaunt und fröhlich in Steves Kajüte. „Noch nie was von Anklopfen gehört?“, knurrte Steve, aber Nebek scherte sich nicht darum, schnappte sich einen Sessel und setzte sich neben Steves Bett. „Tut mir leid wegen Helen.“ Verwundert schaute Steve seinen Berater an. Dass er von Helen wusste, ärgerte ihn. „Was soll ich sagen ... ich hab‘ gerade noch gesehen, wie ich Frühstück ans Bett bekam!“ Nebek stand wieder auf und versuchte, Steve mit Worten zu beruhigen. „Es wird schon alles gut werden, ich glaube fest daran.“ „Ich weiß ja nicht einmal, ob ICH an all das glauben kann, was hier passiert.“ Steve war immer noch mürrisch, die Aussicht auf Helen und Frühstück im Bett stand noch deutlich vor seinen Augen.

Seufzend stieg Steve aus dem Bett und begann sich seine Sachen anzuziehen, die schon in der Kajüte bereitlagen. Er schaute in den Spiegel und sah, dass der Schwarze Reiter wieder da war. Noch immer schlecht gelaunt ging er auf die Brücke, um nach dem Rechten zu sehen. Alle waren bereits versammelt: Nebek, Kleitos, und Akleta, nur Leonides fehlte. „Na“, rief der Kapitän gehässig, „dann kann’s ja endlich losgeh’n!“ Falscher Zeitpunkt, falscher Ort. Jetzt war er richtig sauer. Mit seinen Gedanken war er noch bei Helen im Bett und das Letzte, was er jetzt brauchen konnte, war Akletas bissiger Kommentar. Als der gerade die Brücke verlassen wollte und an Steve vorbeiging, drehte Steve sich wutentbrannt um, packte den Mann am Hals und drängte ihn an die Wand. „Rede nicht noch einmal in diesem Ton mit mir!“, brüllte der Schwarze Reiter, griff noch einmal nach und drückte Akletas Hals so fest zu, dass er würgen musste. „Gerade von dir, als Kapitän“, er spukte Akletas Rang verachtend heraus, „erwarte ich mehr Respekt, also halte dich dran!“ Angewurzelt und mit offenen Mündern standen die anderen da und schauten beeindruckt zu Steve hoch. Ihre Gedanken standen deutlich in ihren Gesichtern zu lesen: Endlich mal jemand, der Akleta die Stirn bietet! „Na, auch nicht mehr so frisch unterwegs, was?“, höhnte Kleitos erheitert in Richtung Akleta. Steve ließ den Kapitän wieder los, der gedemütigt und schweigend die Brücke verließ. „Das wurde ja auch mal Zeit“, meinte Kleitos freudestrahlend. Steve war sich nicht sicher, was er von seinem Ausbruch halten sollte. Jähzorn hin oder her, normalerweise bin ich doch zurückhaltender. Trotzdem freute er sich über sein neues Selbstbewusstsein. „Genug geredet“, Nebek klatschte in die Hände, „wir haben keine Zeit. Folgt mir.“ Kleitos lief neben Steve her und versuchte ihn damit zu beeindrucken, wie er die Mannschaft stolz herumkommandierte. „Ja, Erster Maat Kleitos, wird erledigt!“, lautete jedes Mal die zackige Antwort der Crew. Als sie von Bord gingen, wurden sie bereits von Leonides erwartet. Während des Landspaziergangs erzählte Leonides von vergangen Taten, gab Weisheiten zum Besten, teilte Ratschläge aus, wie man sich am besten zu verhalten hatte und wie sehr es ihm gefiel, wie Steve mit Akleta verfahren war. Woher er davon wusste, war Steve ein Rätsel, er war doch gar nicht dabei gewesen, doch er dachte sich erst einmal nichts dabei.

Sie wurden von Nebek unterbrochen, der schreiend auf sie zukam. „Wir sind so weit, es kann losgehen!“ Sie gingen zum Schiff zurück. Leonides gab Kleitos ein Zeichen, dass er sie Mannschaft bereit machen sollte. Der Erste Maat war in seinem Element, brüllte, schrie und feuerte seine Männer an, was das Zeug hielt. Die Crew versammelte sich und stellte sich neben die Seile, die an der Seite des Schiffs angebracht worden waren. Sie zogen, auf Kommando von Kleitos gleichzeitig an den Seilen und mit einem Ruck ging eine riesige Klappe auf, die so lang war wie der Rumpf der „Extensa“. Die gesamte Seite war aufgeklappt und so weit offen, dass man in den Bauch des Schiffes schauen konnte. Ein gewaltiger Lagerraum bot sich den Augen dar. „Wir haben schon ein bisschen Platz“, witzelte Nebek. Steve staunte immer noch, als Kleitos seinen Männern erneut ein Zeichen gab. Einige rannten los und holten große, dicke Seile, die sie an einer Felswand befestigten. Die Enden führen sie über eine Umlenkrolle, die an der „Extensa“ angebracht war. Es wirkte auf Steve, als würde ein großes Tauziehen beginnen. Die Männer ergriffen sie Seile und schauten erwartungsvoll zu Kleitos, der nur noch seinen Arm fallen lassen musste zum Zeichen, dass sie beginnen konnten. Daraufhin zogen sie mit angestrengten Gesichtern und lautem Stöhnen an den Seilen. Immer wieder schauten sie erwartungsvoll zur Felswand. Plötzlich spürte Steve ein leichtes Beben unter seinen Füßen und einen kurzen Augenblick danach öffnete sich ein Tor aus Gestein. Kleine Steinchen splitterten ab, Staub und Dreck rieselten zu Boden. Steve war schwer beeindruckt von dem, was er sah. Hinter dem Tor lag eine riesige Höhle. „Fackelmänner, los!“ Auf Nebeks Geheiß machten sich einige der Männer auf den Weg. Steve und Leonides näherten sich langsam der Höhle und sahen ihnen nach, bis das Licht der letzten Fackel in der Tiefe verschwunden war. Zischen und Fauchen drang an ihre Ohren. Um ihr Leben schreiend stürmten die Fackelmänner aus der Höhle heraus. „Vorsicht!“, schrien Leonides und Nebek im Chor zu Steve. Einer Explosion ähnlich schoss ein großer Feuerring aus der Höhle ins Tageslicht und verpuffte in der Luft. „Wir haben jetzt Licht“, meinte Leonides trocken. Steve folgte seinen Offizieren in die Höhle und wieder staunte er über die enorme Größe. Die „Extensa“ müsste hier leicht Platz haben! „Jedem Anführer, der hierherkommt, stehen Waffen und Vorräte zu. So viele hatten wir noch nie!“, erklärte Leonides. Kleitos freute sich wie ein kleines Kind, als er den glänzenden Stahl und die vielen Fässer sah und auch die Mannschaft machte gebührend beeindruckte Gesichter. „Ihr werdet es brauchen, ladet alles ein.“ Verdutzt sahen sich alle um, alle außer Steve. Er wusste sofort, zu wem die Stimme gehörte, er hatte sie erkannt. Quanta war hier. Sie war zwar nicht zu sehen, sehr wohl aber zu hören. Zögernd gingen sie weiter in die Höhle hinein und wurden immer schweigsamer, bis niemand mehr einen Ton von sich gab. Pferde, Rüstungen, noch mehr Vorräte, Munition, Schusswaffen, Schwerter und Dolche reihten sich aneinander. Der Anblick war schlichtweg überwältigend, so etwas hatte noch keiner jemals gesehen. Steve sah aus dem Augenwinkel, wie Nebek Leonides etwas zuflüsterte. Beide taten sehr geheimnisvoll und Steve hörte nur ein leises „Einverstanden“ von Leonides. Daraufhin drehte Nebek sich um und ging auf Steve zu. „Wir haben uns kurz beraten und sind der Meinung, dass es nicht schadet, Euch nochmal nach Hause zu schicken, während wir die ‚Extensa‘ beladen. So könnt Ihr Euch zu Hause noch um Helen und andere Dinge kümmern. In drei Tagen kommen wir Euch wieder holen.“ Zwinkernd fügte er hinzu: „Versucht gar nicht erst, wach zu bleiben“, und mit einem vertrauenswürdigen Lächeln, „ruht Euch aus, aber seid bereit, es kommen harte Zeiten.“ Vor lauter Freude und Dankbarkeit wusste Steve gar nicht, was er sagen sollte und ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.

Seine Augen begannen höllisch zu brennen und Steve rieb sie mit seinen Händen. Als das Gefühl endlich nachließ, bemerkte er, dass er wieder zu Hause war. Sofort setzte er sich auf und suchte mit seinen Blicken Helen. Erschrocken fuhr er zusammen. Vor ihm saß ein Mann, den er nicht richtig erkennen konnte, seine Augen tränten noch immer. „Wer sind Sie?“ „Doktor Panto, der Dorfarzt“, kam die kühle Antwort. Steve kannte den Arzt. Sie hatten keine guten Erfahrungen miteinander gemacht. Vor einiger Zeit hatte er Steve Medikamente verschrieben, woraufhin Steve dachte, dass Panto ihn vergiften wollte. Das Resultat ihrer Diskussion war, dass sie sich in der Praxis geschlagen hatten und Steve alles verwüstet hatte. Seitdem standen sich die Herren mit Skepsis gegenüber.

Dr. Panto war ein durchschnittlich guter Dorfarzt, der seine Arbeit immer sehr ernst nahm und unter den Dorfbewohnern Respekt und Vertrauen genoss. Das war nicht immer so gewesen. Das Dorf und seine Bewohner waren anders gewesen, als alles und jeder, den Panto bis dahin kannte. Sein hohes Ansehen musste er sich erst schwer verdienen. Meistens blieb er nur ein paar Jahre in einem Dorf, bevor er weiterzog, um mehr zu lernen, und eigentlich wollte er schon lange wieder in die Großstadt zurück. Dort hatte er sich immer am wohlsten gefühlt. Am Ende jedes Arbeitstages fragte er sich, warum er noch immer in diesem gottverlassenen Dorf war. Er wohnte nun schon länger in dem Dorf als je in einem anderen zuvor, irgendetwas hielt ihn hier fest. Er hatte noch keine Antwort dafür gefunden, was ihn dazu bewegte, Nachforschungen über das Dorf anzustellen. Diese gestalteten sich meist schwierig genug, denn die Leute waren sehr eigen und zurückhaltend. Kaum jemand redete gern, was in einem kleinen Dorf schon auffällig genug war. Er wollte seinen hart erarbeiteten guten Ruf nicht aufs Spiel setzten, deshalb musste er immer sehr vorsichtig sein und genau überlegen, was er tat, fragte und sagte. Trotzdem, er war ehrgeizig.

Helen betrat das Schlafzimmer und fiel Steve gleich in die Arme. „Du bist wieder wach! Ich hab‘ mir solche Sorgen gemacht und deshalb Dr. Panto geholt. Ich weiß ja, wie du über ihn denkst, aber vielleicht kann er dir helfen. Du musst ihm deine Geschichte erzählen, bitte!“ Steve und Panto schauten einander misstrauisch in die Augen. „Ich unterliege der ärztlichen Schweigepflicht, und da ich meiner Funktion als Arzt hier bin, wird niemand etwas von diesem Gespräch erfahren.“ Panto traute Steve zwar nicht, war aber sehr neugierig. Helen hatte nicht viel erzählt und jetzt brannte er darauf, mehr zu erfahren. Steve schaute zu Helen. „Ich habe nur noch drei Tage ...“ Helen fing sofort an zu weinen und umarmte Steve. „Sag es ihm“, forderte sie. Steve fühlte sich in Helens Umarmung geborgen, es gab ihm ein wenig Sicherheit. Alle schauten sich einen Moment schweigend an. Steve räusperte sich. Wenn nicht jetzt, wann dann? Wer weiß, ob es noch einmal so eine Möglichkeit geben wird. Steve begann zu reden, nahm kein Blatt vor den Mund, erzählte alles, von den Träumen und dem Schiff, von Anfang bis Ende. Vielleicht gibt es doch eine Lösung. Wofür genau, wusste auch Steve nicht, er konnte noch immer nicht so recht an die Existenz der „Extensa“ und ihrer Crew glauben. Trotzdem, alles war so real, und die Geschichte von Helen, wie sie mich heimgebracht hat ...

Steves Erzählung war fast beendet, er war gerade an der Stelle, wo Nebek und Leonides ihm die drei Tage Schonfrist zugestanden hatten. Helen rutschte vom Bett auf die Knie und versuchte, ihren Weinkrampf unter Kontrolle zu bringen. Hin und her gerissen zwischen ihrer Liebe zu Steve, seinen Träumen und ihrer Sorge um ihn versuchte sie, ihre Fassung zu bewahren. Der Arzt kratzte sich am Kinn und schaute nachdenklich und stumm auf den Boden. Steve half Helen hoch aufs Bett und nahm sie in die Arme. Sie kuschelte ihren Kopf auf Steves Brust und hielt sich an ihm fest. Steve wurde unruhig, da keiner etwas sagte und er die Situation so nicht einschätzen konnte. Nach einer Weile fragte er vorsichtig: „Was denken Sie?“ Panto stand auf, ging ein paar Schritte im Zimmer umher. „Ich kann es kaum glauben, aber ...“ Steve unterbrach ihn aufgebracht: „Was aber?!“ „Ja, ich habe schon davon gehört, vor einigen Jahren. Es war, als ich die Praxis neu bezogen hatte und meinen ersten Patienten behandelte. Er gab mir den Rat, von hier zu verschwinden und wieder in die Stadt zu gehen. Er meinte, dass vor Jahren hier etwas passiert war, es nicht mit rechten Dingen zugegangen wäre, und deshalb Neuankömmlinge nicht gern gesehen sind - vor allem nicht, wenn sie herumschnüffeln. Er wiederholte seinen ‚Ratschlag‘, trat gegen die Vitrine und verschwand aus der Praxis. Ich habe mir nicht viel dabei gedacht. Außerdem hatte die Warnung den gegenteiligen Effekt, es hat mich neugierig gemacht. Ein paar Tage später lief mir ein alter Pfarrer über den Weg. Er rempelte mich an, drückte mir einen Zettel in die Hand und ging weiter, als ob nichts gewesen wäre. Auf dem Zettel standen eine Uhrzeit und ein Ort. Ich nahm an, dass er mich zu der angegebenen Zeit dort treffen wollte. Es war der Steinbruch ...“

Steve schaute auf. Er war überrascht, dass Panto ihn scheinbar Glauben schenkte. Helen hörte für einen Moment auf zu weinen, löste sich von Steve und machte ein verstörtes Gesicht. „Wieder dachte ich mir nichts dabei und ging zum Steinbruch. Es war ein schöner Sommerabend, ich genoss die Aussicht und glaubte schon gar nicht mehr daran, dass der Pfarrer noch kommen würde. Ich dachte, dass man mich einfach ärgern wollte, um mich schneller wieder aus dem Dorf zu bekommen. Aber plötzlich trat jemand zwischen den Felsen hervor, stand einfach da, wie aus dem Boden gewachsen.“ „Der Pfarrer?“, unterbrach Steve aufgeregt und fragte nach, wie er denn ausgesehen hatte. Der Arzt überlegte kurz, es war ja schließlich schon einige Jahre her und er hatte den Mann seither nie mehr gesehen. Das war auch eines der Rätsel, die ihm das Dorf aufgegeben hatte. „Er war groß, hatte einen braunen Mantel an, die Kapuze tief in die Stirn gezogen. Ich konnte sein Gesicht nicht wirklich erkennen, nur sehen, dass er einen Vollbart trug.“ „Wie hat sich seine Stimme angehört?“ Steve hatte einen Verdacht, wer der „Pfarrer“ gewesen sein könnte. Der Arzt musste bei der Erinnerung ein wenig schaudern. „So eine Stimme hatte ich noch nie gehört, stumpf, trotzdem unerbittlich, tief und sehr rau.“ Steve fand seinen Verdacht bestätigt, er wusste, wen der Arzt gesehen hatte. Es war Akleta gewesen. „Er sprach von seltsamen Dingen und drohte, dass das Dorf dafür bezahlen wird, was damals geschehen ist. Alle würden sich wünschen, dass sie es nie getan hätten. Ich fragte nach, was er denn meinen würde. Immer und immer wieder unterbrach ich ihn und fragte nach, aber eine Antwort habe ich nie bekommen. Ich hatte eher das Gefühl, dass er immer wütender würde. Er brüllte, dass sie so lange weitermachen würden, bis sie frei wären, bis sie das zurückgeholt hätten, was ihnen zustünde. Dabei lachte er ... kein angenehmes Lachen war das! Ich verstand kein Wort und tat die Sache ab. Ich dachte mir, dass es wohl ein Verrückter war, oder dass die Dorfleute so versuchten, mich zu vergraulen. Heute macht es zum ersten Mal Sinn - durch deine Geschichte. Vielleicht ist wirklich alles wahr, vielleicht BIST du der Auserwählte.“ Helen sprang wütend auf. „Das kann doch nicht alles wahr sein, das geht doch nicht!“ Sie packte Steve am Kragen und flehte ihn an: „Bitte, geh nicht, lass mich nicht allein, bitte!“

Sie hatte gehofft, der Doktor würde dem Spuk ein Ende bereiten, eine logische Erklärung für alles finden, auch für das, was sie gesehen hatte. Nun musste sie sich wohl damit abfinden, dass es nicht so war. „Ich kann doch auch nichts dagegen tun!“, meinte Steve, schloss Helen wieder in seine Arme und fragte den Doktor, was sie tun könnten. Panto schüttelte leicht den Kopf. „Du wirst wohl in einen langen Schlaf fallen und ich kann euch nur anbieten, dass ich regelmäßig nach dir schaue, deine Körperfunktionen im Auge behalte und dafür sorge, dass du künstlich ernährt wirst. Da du dann in einer Art Koma bist, wäre es am besten, wenn du bei Helen bleiben würdest. Ihr Haus ist näher an der Praxis und kann schneller da sein, sollte etwas passieren. Ich werde in den kommenden Tagen immer wieder reinschauen, und ich gebe mein Ehrenwort als Arzt, dass niemand davon erfährt. Ich habe einen Freund in der Stadt, der helfen könnte, etwas Licht in die Angelegenheit zu bringen. Vielleicht kann er der Geschichte folgen und auf den Grund gehen, er kennt sich mit solchen Dingen aus. Ich vertraue ihm, ihr könnt es also auch.“ Mit diesen Worten suchte er seine Sachen zusammen und gab so zu verstehen, dass er sich nun verabschieden wollte. Steve und Helen bedanken sich bei Panto für seine Hilfe und begleiteten ihn zur Tür.

Der dritte Tag brach heran, es dämmerte gerade. Steve und Helen saßen zusammen und ließen alles noch einmal Revue passieren. Sie hatten viel erlebt und darüber zu reden, half beiden ein wenig. Steve hatte sich bei Helen ein wenig eingerichtet und bereitete sich auf den langen Schlaf vor. Der Tag verging viel zu schnell, die Sonne ging bereits unter und es wurde immer schneller dunkel. Sie wurden müde, wollten den Schlaf aber so lange abwehren, wie es ihnen möglich war. Sie gingen ins Schlafzimmer und unterhielten sich bei einer Flasche Wein. Unter vielen Umarmungen beteuerten sie einander, wie viel sie sich bedeuteten, wie sehr sie sich liebten. Immer wieder schlich sich die eine oder andere Träne in die Unterhaltung. Ohne es einander zu sagen, hofften beide, dass die Nacht vorüberging und am nächsten Morgen alles normal sein würde. Es ist schon alles ein wenig absurd. Steve vermied es, darüber nachzudenken, was genau denn so absurd war - die Träume, dass er daran glaubte, oder dass er hoffte, dass nichts passieren würde. Immer öfter fielen ihnen die Augen zu, Steve kämpfte mit dem Schlaf, um noch ein wenig länger bei Helen sein zu können.

Ein lautes schnelles Klopfen an der Tür ließ beide hochschrecken. „Wer kann das sein?“ „Vielleicht der Doktor? Ob er etwas herausgefunden hat?“ Steve war schon sehr schlaftrunken und Helen zuckte nur mit den Schultern, als sie aus dem Bett kletterte. An der Schlafzimmertür drehte sie sich noch einmal zu Steve um: „Dass du mir jetzt ja nicht einschläfst!“ Steve schüttelte den Kopf und versuchte, ein verantwortungsbewusstes Gesicht zu machen. Helen deutete es als „Nein“, und ging beruhigt zur Haustür. Es war tatsächlich Panto. Vor Ungeduld fiel er beinahe durch die Tür. „Ist Steve noch wach?“ „Er ist im Schlafzimmer.“ Helen war durch die Eile des Doktors so erschrocken, dass sie nicht fragte, um was es denn ginge. Auf dem Weg zum Schlafzimmer rief der Doktor schon von weitem zu Steve, dass er noch wach bleiben sollte. Steve hatte aber das Gefühl, dass seine Augen zugeklebt wären, und konnte sie um nichts in der Welt mehr öffnen. Der Sog war einfach zu stark. Er musste schlafen.

Leise hörte er den Doktor noch rufen: „Halte durch, ich werde versuchen, dir zu helfen!“ Als Helen und Panto ins Bett traten, war Steve schon eingeschlafen. Helen starrte auf ihn hinunter und eine Woge der Verzweiflung brach über ihr zusammen. Trauer, das Gefühl der Verlassenheit, Einsamkeit, Wut und Hilflosigkeit schnürten ihre Kehle zu. Ihre Beine zitterten so stark, dass sie fast auf Steve fiel. Sie legte ihre Hände an seinen Kopf und beugte sich über sein Ohr: „Ich liebe dich, mein Schwarzer Reiter, komm bald zurück. Ich warte auf dich ...“

Der Wald, der die Seele nahm.

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