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KAPITEL 7 Samstag, 9. Dezember 1950

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Das Mittagessen war vorüber. Der Duft von Sylvias Pilzsuppe hing noch in der Luft. Während Jack in der Kammer nach seinem dicken Mantel wühlte, klammerte sich Deena an seine Beine, steckte die Hände in seine Taschen und suchte nach Bonbons. Geistesabwesend strich er über ihr lockiges Haar.

Sylvia kam aus der Küche, trocknete sich die Hände an der Schürze ab. »Denk daran, dass Chanuka ist, Jack.«

»Zwei Paar Schlittschuhe, zwei neue Puppen, von zwei Ketten aus echten Perlen gar nicht zu reden – wie sollte ich da vergessen, dass Chanuka ist!«

»Komm bitte vor Einbruch der Dunkelheit nach Hause, ja? Dann können wir die Menora anzünden. Nicht dass du im Büro verloren gehst, wie so oft in letzter Zeit!«

Jack sah seine Frau forschend an, aber ihr Gesicht war ausdruckslos höflich, sie zeigte ein kleines Lächeln, die Augen waren offen und klar. Er klopfte ihr auf die Schulter. »Ja, ja.«

Deena klammerte sich an ihm fest und sagte: »Ich möchte mitgehen, Papa.« Sie stellte sich auf seine Füße und umschlang seine Taille.

Laut lachend marschierte er mit dem Kind auf den Füßen durch den Korridor. Am Ende blieb er stehen, drehte sich um und stieß fast mit Elaine zusammen, die aus ihrem Zimmer gerannt kam. »Lainie! Wie oft hab ich dir schon gesagt, du sollst aufpassen, wohin du trittst! Sei doch nicht so ungeschickt! Vielleicht solltest du wieder Tanzunterricht nehmen, damit du ein paar Pfund Übergewicht loswirst.«

Elaine blieb abrupt stehen und sah verzweifelt an sich hinab. Ihre Mutter sagte vom anderen Ende des Korridors: »Jack, du weißt doch, dass das Babyspeck ist. Elaine ist am Wachsen.«

Mit neun Jahren war Elaine in ihrer Klasse das erste Mädchen, das einen BH brauchte, und das erste Mädchen, das einen Freund hatte. Im Gegensatz zu ihrem molligen Körper war ihr Gesicht überraschend fein. Jetzt stemmte sie, in offensichtlicher Nachahmung eines Erwachsenen, ihre Hände in die Hüften und erklärte: »Ja, Papa, ich bin am Wachsen. Was soll das hier überhaupt? Ich denke, wir wollten ins Büro!«

»Wie redest du denn mit deinem Vater? Ich weiß noch gar nicht, ob ich dich mitnehme.«

Elaine grollte wie eine Gewitterwolke, rannte in ihr Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu.

Die Arme immer noch fest um ihren Papa geschlungen, sang Deena vor sich hin.

»Runter von meinen Füßen, du Äffchen! Beweg dich mit dem Fahrrad fort und nicht auf deinem müden, alten Papa!« Er grinste, gab ihr einen Klaps auf den Po und sah ihr liebevoll hinterher, als sie davonlief.

Sekunden später ertönte lautes Poltern und gleich darauf Geschrei aus dem Wohnzimmer. Sylvia und Jack, die herbeigeeilt waren, fanden Deena unter ihrem neuen Fahrrad begraben und die Scherben einer chinesischen Vase um sie verstreut vor.

»Deena!«, schimpfte Sylvia, während sie die Scherben aufsammelte. »Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du mit dem Rad nicht in der Wohnung herumfahren sollst. Jetzt sieh dir das an! Du hast meine schönste Vase kaputtgemacht und hättest dich verletzen können!«

»Ach, Sylvia, mach doch keine Staatsaffäre draus. Es ist doch nur eine Vase – ich kauf dir eine neue, meinetwegen ein halbes Dutzend ... Wein nicht, Bubbele, die Hauptsache ist, dass du nicht verletzt bist.«

»Ein halbes Dutzend antiker Vasen willst du mir kaufen?«

»Na ja, ein paar antike vielleicht. Deine Mutter hat irgendeinem Trödler zwei Rubel dafür gegeben.« Demonstrativ hob er Deena hoch und flüsterte hörbar: »Ich konnte die Vase sowieso nie leiden. Du hast mir einen Gefallen getan.«

»Jack! Wie kannst du so mit einem Kind reden?«

»Was ist wichtiger? Dein Kind oder ein Stück Trödel? Deena, geh und hol deine Schwester. Sag ihr, dass sie mit ins Büro kommen kann. Los, lauf!«

Sobald Deena weg war, wandte sich Sylvia ihrem Mann zu, die Hände in die Hüften gestemmt. »Jack, ich möchte wirklich wissen, was du dir dabei denkst!«

»Wobei?«

»Wie willst du rechtfertigen, dass du so grob mit Elaine umgehst und Deena alles durchgehen lässt? Sie wickelt dich um den kleinen Finger. Und wenn du meinst, dass die Große das nicht sieht ...«

»Ich weiß, ich weiß«, sagte Jack kopfschüttelnd. »Aber Elaine geht mir in letzter Zeit ziemlich auf die Nerven. Sie ist so laut, sie spielt sich auf, ist besserwisserisch und überzeugt davon, dass sie immer Recht hat. Und sie isst, als ob es morgen verboten würde. – Worüber lachst du denn jetzt?«

Sylvia ging zu ihm, legte die Hände auf seine Arme und lächelte ihn an. »Du meinst, sie ist so entschlossen, aggressiv, schlau und dynamisch und selbstsicher. Und sie liebt alles am Leben, einschließlich Essen ... Ist es so, Bubbele?« Sie wartete, bis er begriffen hatte. Dann fuhr sie fort: »Wie eine andere Person, die wir alle kennen?«

»Ich verstehe. Ja, vielleicht stimmt das. Sie ist mir zu ähnlich. Aber Deena ...«

Er kniff sie leicht in den Nacken. »Deena erinnert mich an dich. Das muss der Grund sein, warum ich sie so wunderbar finde.«

Sie wurde ein bisschen rot. Dann antwortete sie: »Da wir beim Thema sind: Wie wäre es, wenn du in Zukunft ein bisschen früher aus dem Büro nach Hause kommen würdest, dann bist du vielleicht abends nicht mehr so müde.«

Er zwinkerte ihr zu und küsste sie flüchtig auf die Wange. »Was immer dein Herz begehrt, Liebling. Da ist ja mein großes Mädchen!«

Vom anderen Ende des Korridors war das Weinen eines Babys zu hören. Sylvia reagierte sofort und sagte: »Marilyn ist aufgewacht. Ich hol sie!« Sie verließ das Zimmer. Jack ging mit Elaine in den Flur, half ihr in den Kapuzenmantel und achtete darauf, dass sie ihre Handschuhe mitnahm. Als Sylvia mit dem Baby zurückkam, waren sie schon gegangen.

Draußen auf dem Bürgersteig sagte Jack zu Elaine: »Warte einen Augenblick, Schatz!«

»Du musst noch schnell einen wichtigen Anruf erledigen, stimmt’s, Papa?«

Er starrte sie an. »Wie alt bist du, Lainie? Neun? Ich vergesse immer wieder, wie schlau du bist.«

Als er die Telefonzelle betreten hatte, schloss er sorgfältig die Tür hinter sich und lächelte, während er wählte.

Als die Verbindung hergestellt war, sprach er schnell und leise: »Linda? Hör zu, Liebling. Ich muss Elaine mitbringen. Ach, ich hab ihr das irgendwann mal versprochen. Es ging nicht anders. Linda, bitte nicht! Natürlich! Natürlich möchte ich. Hör zu, ich habe ein schönes Geschenk für dich. Einen Abend in der nächsten Woche? Donnerstag ... Gut, gut, Montag. Ja, Montag. Versprochen.«

Im Büro legte Linda den Hörer auf und versuchte, die Tränen zu unterdrücken. Es war jetzt schon der zweite Samstag, dass sie sich nicht in seinem Büro auf der Couch geliebt hatten. Vielleicht wurde er ihrer überdrüssig? Nein, so durfte sie nicht denken! Hatte er ihr nicht gerade versprochen, am Montag zu ihr in die Wohnung zu kommen? Und dann der übliche Besuch am Dienstag ... Zwei Abende hintereinander! Wunderbar! ... Falls es nicht bedeutete, dass er diesmal den Dienstag ausließ! Verdammt! Wann würde er endlich seiner Frau von ihnen erzählen? Dann könnten sie mit den Heimlichkeiten aufhören, und sie brauchte keine Angst mehr zu haben, ihn zu verlieren. Sie könnte es nicht aushalten, wenn sie ihn verlieren würde!

Es brachte nichts, so zu denken. Sie durfte das nicht! Sie musste ihre Gedanken auf etwas anderes richten. Als sie eine vertraute Nummer gewählt hatte und der Hörer am anderen Ende abgehoben wurde, seufzte sie erleichtert.

»Frannie? Ach, er hat’s schon wieder gemacht. Den zweiten Samstag hintereinander!«

»Ich hab dir tausendmal gesagt, Linda ...«

»Ich weiß, Frannie, aber ich kann nicht anders. Ich liebe ihn einfach so sehr!«

Geliebter Unbekannter

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