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Unberechenbar: Erfolg ist auch Glückssache
ОглавлениеWenn Sie die Listen über das Scheitern und die Gründe dafür noch einmal durchgehen, wird Ihnen vielleicht auffallen, dass Sie sehr vieles davon gar nicht in der Hand haben. Und wenn wir dem libanesischen Philosophen Nassim Nicholas Taleb Glauben schenken, ist Letzteres ein Hauptgrund für Misserfolge oder auch Erfolge: Pech oder eben Glück, oder mit Talebs Worten »unvorhergesehene Ereignisse«. Sicher wünschen wir uns, das Leben um uns herum kontrollieren und beeinflussen zu können. Aber sosehr wir es uns auch wünschen mögen: Das ist nicht der Fall.
»Marktforschung« hin oder her – Sie werden nie ganz sicher wissen, ob gerade Ihr Geschäftsmodell auch so viele Kunden anzieht, wie Sie vermuten. Sie werden nie ganz sicher wissen, ob Ihre Partnerschaft wirklich ein Leben lang halten wird. Von dem Maß an Kontrolle, das wir über Tod und Krankheit haben (oder eben nicht haben), ganz zu schweigen.
Es wäre schön, wenn wir das Leben unter Kontrolle hätten. Aber das haben wir nicht. Die meiste Zeit unseres Lebens verbringen wir eher damit, auf das zu reagieren, was uns so alltäglich passiert:
Jemand nimmt Ihnen die Vorfahrt und Sie bremsen.
Im Supermarkt ist Ihr Lieblingsbrot ausverkauft und Sie müssen sich ein anderes aussuchen.
Ihr Arbeitgeber genehmigt Ihnen den Urlaub nicht zu dem Zeitpunkt, den Sie eigentlich geplant hatten.
Ein Stau lässt Sie nicht rechtzeitig zur Arbeit kommen.
Sie stellen ein tolles Video auf YouTube und kaum jemand klickt es an.
Mit Freunden nehmen Sie in einer berauschten Nacht ein eher peinliches Video auf und stellen es aus Jux auf YouTube – und die »Klicks« gehen schnell durch die Decke.
Sie waren immer brav und fleißig und trotzdem verlieren Sie Ihren Job.
Es gibt jede Menge Beispiele, die deutlich machen, wie wenig wir unser Leben in der Hand haben und wie viel uns einfach nur widerfährt. Scheitern und Misserfolg sind also viel weniger, als wir meist annehmen, persönlich verursacht. Und bis auf wenige Ausnahmen sind Menschen, die scheitern, nicht einfach unfähige Verlierer, die sich mehr vorgenommen haben, als sie leisten konnten.
Auch wenn es nur ein schwacher Trost sein mag: In vielen Situationen, in denen Sie scheitern, können Sie kaum etwas dafür. Leider sind es zumeist die erfolgreichen Menschen, die wir in den Medien sehen und die uns über ihre Erfolge berichten. Und wer Erfolg hat, gibt nur ungern zu, dass er schlicht und einfach auch jede Menge Glück hatte. Aber je weiser ein Mensch wird, desto mehr erkennt er: Zum Erfolg braucht man auch Glück.
Das alles bedeutet natürlich nicht, dass Sie sich hängenden Kopfes einfach in Ihr Schicksal ergeben sollen. Auch wenn der Zufall die Welt zu regieren scheint, heißt das nicht, dass Ihnen die Hände gebunden sind. Weise werden bedeutet ja vor allem auch, weise zu reagieren und weise zu handeln. Was also können Sie tun?
Klingt einfach, aber zuerst einmal müssen Sie unterscheiden lernen zwischen den Dingen, die Sie ändern können, und denen, die Sie nicht ändern können. Einfach ist das nicht, aber auch dazu ist es nötig, Weisheit zu lernen.
Hilfreich ist auch der berühmte »Plan B«. Wenn etwas Unvorhergesehenes passiert, sollte es Ihnen so wenig wie möglich schaden können. Das könnte bedeuten, dass man nicht sein ganzes Hab und Gut in nur eine Sache investiert. Oder dass Lebenspartner vielleicht nicht in der gleichen Firma arbeiten sollten, um gleichzeitige Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Wenn möglich, sollte nichts, was Sie unternehmen oder entscheiden, so groß oder unsicher sein, dass ein Scheitern Ihr Leben total vernichtet. In der Liebe müssen wir da eine Ausnahme machen: Weniger als 100 Prozent zu geben ist in der Liebe sinnlos. Wer liebt, der gibt sich ganz und gar. Volles Risiko. Sonst kommen wir zu nichts.
Das klingt jetzt sehr vorsichtig, aber manchmal sollte man sich an die Dinge halten, die schon immer funktioniert haben. Bücher gibt es seit 500 Jahren – trotz vieler Klagen ist ein Aussterben nicht in Sicht. Das Faxgerät war toll und ist jetzt ziemlich tot, die E-Mail hat die Kommunikation revolutioniert und ist trotzdem im Niedergang. Papier und Druckerschwärze überleben bis jetzt alles. Wenn Ihr Beruf Ihnen bis jetzt ein Auskommen verschafft hat, ist er vielleicht trotz aller alltäglichen Unzufriedenheit doch nicht ganz schlecht.
Machen Sie sich nicht zu viele Gedanken über Ihre Zukunft. Die meisten Vorhersagen, die wir treffen, erfüllen sich eh nicht. Genießen Sie die glücklichen Tage und haben Sie ein Auge darauf, was in den wichtigen Bereichen Ihres Lebens passiert. Kleine Anpassungen und Korrekturen liegen eher im Bereich unserer Möglichkeiten als die Vorhersage großen Unglücks oder sogar die Planung des Glücks.
Wenn so vieles am Erfolg Glückssache ist, können Sie sich zwar auch mit »Prinzipien erfolgreicher Menschen« oder »zehn Schritten zum Erfolg« beschäftigen. Sicher auch mit großem Nutzen. Es schadet nicht, dafür aufmerksam zu werden, wie man Chancen nutzen kann. Wer Ihnen aber erzählen will, dass Erfolg machbar ist, der ist ein Scharlatan.
Wie können Sie dann überhaupt erfolgreich sein, wenn Sie vieles nicht unter Kontrolle haben, keine Vorhersagen machen können und dazu noch ständig in der Gefahr sind, die Augen vor der Realität zu verschließen? Vielleicht, indem Sie nicht zuerst die brillante Idee, große Verkaufszahlen oder ein glückliches Leben anstreben. Sondern jede Unternehmung mit Weisheit angehen. Das bedeutet, dass Sie erst einmal versuchen sollten, einfach wenige Fehler zu machen. Weil Weisheit nicht zuerst nach dem Erfolg, sondern nach dem richtigen Weg fragt. Dann aber, wenn man auf dem richtigen Weg ist und weise Entscheidungen getroffen hat – warum sollten sich dort nicht auch Erfolge einstellen …?