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Lexikon der Dummheit: Alles im Griff – die Kontrollillusion

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Haben Sie schon einmal etwas von »Placebo-Knöpfen« gehört? In der Medizin bezeichnet das Wort Placebo ein Medikament ohne Wirkstoff, das allein durch den Glauben des Patienten »wirkt«. Und da wir Menschen eine ziemlich ungeduldige und kontrollsüchtige Spezies sind, sahen sich irgendwann neben den Medizinern auch die Techniker gezwungen, uns mit Placebos zu beruhigen:

 Viele Ampelknöpfe an Fußgängerampeln haben keine Funktion. Außer der, dass Sie sich nach dem Drücken besser fühlen, weil Sie anscheinend Einfluss auf die Ampelphase haben. Das macht Sie geduldiger.

 Temperaturregler in Großraumbüros sind auch oft einfach nutzlos. Aber Sie haben das Gefühl, etwas tun zu können, wenn es Ihnen zu kalt oder heiß ist. Das wiederum macht Sie zufriedener.

 Schütteln Sie die Würfel auch vorsichtig, wenn Sie eine niedrige Zahl brauchen, und fest, wenn Sie eine hohe Zahl brauchen? Mal ehrlich – echt jetzt??

 Dieses Jahr noch keinen grippalen Infekt gehabt? Warum? Weil Sie Vitamine nehmen? Oder jeden Morgen kalt duschen? Nein – wahrscheinlich einfach nur, weil Sie zufällig kein Virus erwischt hat. Oder er im richtigen Moment kam, als Ihr Körper ihn gleich selbst erledigen konnte.

Menschen handeln, um etwas zu beeinflussen. Sie möchten ihre Ziele erreichen und ihre Träume verwirklichen. Dazu müssen sie aber auch sicher sein, dass sie Kontrolle über die Welt um sich herum ausüben. Mit der Kontrollillusion beschreiben Psychologen aber einen Denkfehler, der in jedem Menschen steckt: Die Überschätzung dessen, was er durch sein Handeln erreichen kann. Mit Placebo-Knöpfen wird diese Schwäche ausgenutzt, beim Würfeln oder bei der Gesundheit legen wir uns selbst herein. Wir schreiben unseren Handlungen Wirkungen zu, die kaum zu überprüfen sind, freuen uns aber, etwas getan zu haben. Der Grund für diesen Wunsch nach Kontrolle ist natürlich, dass wir es nur schwer ertragen, einer Situation oder dem Leben einfach nur ausgeliefert zu sein. Und das, was wir wollen, halten wir auch eher für wahr und für möglich.

Leicht ist es allerdings nicht, diese Illusion der Kontrolle aufzugeben. Denn wer will sich schon hilflos und ausgeliefert fühlen? Wirkungsvoller wäre es allerdings, die Dinge in unserem Leben herauszufinden, die wir wirklich beeinflussen können. Darauf kann man sich konzentrieren – und die Würfel lässt man dann nächstes Mal einfach nur auf die Tischplatte fallen.

Nun wäre es sicher unverschämt, Ihnen zu sagen, dass Sie Scheitern gelassen nehmen sollen, weil es häufig unvermeidlich ist und Sie oft nicht einmal etwas dafür können. Aber das stimmt natürlich mit unseren Gefühlen nicht überein, die durch Misserfolge von Ärger bis zur tiefsten Depression alles mit uns machen können. Gelassenheit und Versöhnung mit dem eigenen Scheitern kann man meist nur durch zeitlichen Abstand und ruhiges Nachdenken gewinnen.

Sosehr ich versuche, in diesem Kapitel auch die positiven Seiten des Scheiterns und seine Bewältigung zu zeigen – man darf nicht vergessen, dass Scheitern für viele Menschen auch endgültig ist. Eine Art »Romantik des Scheiterns« zu behaupten, nach der es immer einen tolleren Ausweg gibt, als man jemals gedacht hatte, ist sicher nicht angebracht. Denn manche Menschen kommen tatsächlich nicht mehr auf die Beine, ganz egal, ob durch eigene oder fremde Schuld. Wahrscheinlich reicht es da für jeden, sich einfach nur einmal in der eigenen Verwandtschaft umzuschauen. Das Licht am Ende des Tunnels ist für manch einen Gescheiterten tatsächlich nur der entgegenkommende Zug …

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