Читать книгу Amor Amaro - Schrebergarten des Todes - Marco Toccato - Страница 10
5 Im Truckstop ist die Hölle los
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ch fuhr durch das güldene Tor, das sich öffnete, als ich mit dem Wagen aus der Garage kam und kurz davor war.
Es war ein SUV von Luccess. Ein Riesenschiff mit allen Automatiken, die man sich vorstellen kann und Hybridantrieb. Erst als ich auf der Straße beschleunigte, schaltete sich der Verbrennungsmotor zu. Vorher war ich ganz leise dahin geglitten. Wenn es nicht die Umstände gäbe, hätte es Spaß gemacht.
Der Luccess rauschte mit mir – etwas zu schnell – die Bitbraucker Straße Richtung Kronenburg-Schauburg lang. Heinz hatte seinen alten Truckstop - anfangs wurde der noch Drugstore genannt - aus dem Kronenburger Norden ins beschauliche Schauburg verlegt und es war wieder genau die richtige Idee zur richtigen Zeit. Im Norden ging nichts mehr, weil sich die Leute da noch nicht mal mehr Kneipenbesuche leisten konnten und in Schauburg kam reiches Publikum aus der Umgebung, um den erfolgreichsten Gastronomen Heinz Konnarke aufzusuchen und vor allem, um dabei gesehen zu werden.
Die wirrsten Gedanken gingen mir durch den Kopf. Es ist schon was anderes, ob man sich für irgendjemand ins Zeug legt oder den eigenen Kopf aus der Schlinge ziehen muss. Das hatte ich noch nicht. Hoffentlich würde mein Gehirn trotzdem so schnell und präzise funktionieren wie früher.
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Obwohl es erst fünf Uhr nachmittags war, war der Parkplatz voll. Es standen die tollsten Autos da und ich nahm an, dass die meisten davon gar nicht warm geworden waren, weil die, die am weitesten gefahren waren, aus dem nahen Capellhaufen kamen. Da standen Prescher aller Ausführungen zwischen AUWEEs und WMWs. Meimlers waren wenige da, denen ging damals ein wenig der Ruf des Dynamischen ab, denn wer hier verkehrte, gehörte zur dynamischten Auswahl ganz Kronenburgs. Die schnellen Jungs zwischen Mitte dreißig und Mitte fünfzig hatten alle einen Spruch auf der Stirn. „Wo ich bin, ist vorne!“ war darauf für den zu lesen, der ihn zu lesen wusste.
Einen der schnellen Jungs kannte ich entfernt vom Sehen. Es war Thorsten Pilotzky, der Anwalt von der Leindeetz. Er schwadronierte gerade wieder rum mit seiner etwas öligen und verschmierten Stimme.
„ … hättet ihr sehen müssen, als diese Tucke über den Kleinert hergefallen ist …“
Hörte ich direkt beim Reinkommen. Es ging um Hans‘ Gerichtstermin, über den wir uns unterhalten hatten. Mist, ich konnte mich darum jetzt nicht auch noch kümmern. Ich wusste, dass Hans mit dem Ergebnis zufrieden war … doch:
„… der hatte so ‘ne verhuschte Tante als Anwältin. Ich wüsste gerne, wo er die ausgegraben hat. Die hat sich einen Streitwert von über zwanzigtausend zusammengebastelt und die Richterin hat ihr neunzig Prozent davon direkt um die Ohren gehauen….“
Mist, also war es nicht gut gelaufen. Was taten nur Leindeetz und Pilotzky, damit sie immer so gut bei Gericht wegkamen? Die Leindeetz hatte ja ein paar Facebook-Freunde, die wohl ordentliche Posten in der Justiz bekleideten, aber …
Nun machte ich mir schon wieder Gedanken um Hans und vergaß ganz, weshalb ich hier war. Ich sah Helga Koslowsky gerade mit einem vollen Tablett an Pilotzkys Tisch.
„Geht natürlich alles auf mich, Kollegen! Helga, mach die Striche auf meinen Deckel. Jungs, es läuft bei mir, aber Hallo!“
Diese Angeberei konnte ich mir nicht mehr antun. Die rote Helga kam an mir vorbei. Stockte, schaute mich groß an und fasste meinen Ellenbogen, um mich zum Tresen in die dunkle Ecke zu führen. Die gibt’s auch hier im Truckstop, eine wichtige Einrichtung, ‚Speakeasy‘11 genannt, die schon früher von vielen zum Mauscheln genutzt wurde.
„Sein Se ma stille, Herr Amaro! Ick muss sarjen, Sie trauen sich wat! Wat wolln Se denn trinken?“
„Bitte machen Sie mir eins von den herrlichen Pils, die es hier gibt, gleich ein großes. Ich habe was runterzuspülen.“
Acht Minuten später war Helga zurück und stellte mir ein gelungenes Pils auf die Theke. Ich setzte an und als ich das Glas hinstellte, war es halb leer. Das musste sein.
„Tut jut, wa? Wat machen Se hier? Ick gloobe, die P‘lizei sucht Se.“
„Kann schon sein, aber ich war’s nicht und versuche nun, mich da rauszuhauen. Haben Sie ein paar Minuten Zeit für mich, Helga? Ich würde Ihnen gerne ein paar Fragen stellen.“
Ich sehe nicht besonders gut aus. Bin 66 Jahre alt. Habe auch nichts von einem Apoll, sondern bin relativ klein und pummelig, aber irgendwie habe ich Schlag bei Frauen, wie man bei uns so sagt.
Helga mag mich, genau wie auch Frau Anders, die Putzfrau von Marion.
„Ick muss noch fünf Pils für‘n Tisch dahinten fertich machen, dann komm‘ick. Halten Se sich ma schön zurück und machen Se sich unsichtbaa, wa!“
Mich unsichtbar machen, ist meine Spezialität. Ich bin zwar anwesend, aber alle übersehen mich, weil ich in einem „Problem anderer Leute-Feld“12 bin. Man nimmt mich nicht wahr, genauso wenig, wie Männer Boutiquen für Damen wahrnehmen, die schon zehn Jahre oder länger in einer Straße liegen, durch die sie täglich gehen. Wenn der Laden mal leer wird und die Scheiben mit Papier verhängt sind, fragt man sich, was da mal war.
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Und der einsame Mann in seinem Garten sucht noch immer nach einem Plan!