Читать книгу Amor Amaro - Schrebergarten des Todes - Marco Toccato - Страница 9
4 Bitte glaube mir!
ОглавлениеE
s ist ziemlich kompliziert, zu Konnarkes Haus auf dem Pfriemhügel mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu kommen und dauert lange. Ich hatte den Weg in den letzten Monaten häufig voller freudiger Erwartung gemacht.
An diesem Tag war das ganz anders. Die wichtigste Beziehung meines Lebens stand auf dem Spiel. Wenn Marion mich verstoßen würde, wär alles aus! Ich war verzweifelt, traurig und wusste nicht ein noch aus.
Den letzten Teil der Strecke lief ich an den protzigen Villen entlang. Die meisten sahen zum Kotzen aus, jedenfalls diesmal, wo meine Stimmung im Keller war.
Ich stand vor Marions Haus und schellte. Die Kamera bewegte sich und schien sich in mich bohren zu wollen.
„Ja bitte?“
Das war nicht Marion. Ich nahm an, es wäre die Köchin oder Putzfrau.
„Frau Anders, sind Sie das? Ist Marion da?“ Frau Bärbel Anders putzte schon seit zwanzig Jahren bei Konnarkes.
„Ach Herr Amaro, Frau Konnarke ist da, aber sie will Sie nicht sprechen.“
Zang! Das sitzt! Und jetzt?
„Bitte sagen Sie ihr, dass mir das mit Heinz sehr leid tut und dass ich damit nicht das Geringste zu tun habe. Im Gegenteil, ich muss mit ihr sprechen, weil ich mich auf die Suche nach dem Täter machen will und mir von ihr Hinweise erhoffe. Bitte sagen Sie ihr das! Dringend!“ Die letzten Worte sprach ich mit Nachdruck und hoffte, dass sie bei Frau Anders Mitleid erregen würden.
„Ich werd’s ihr sagen und auf sie einwirken, Herr Amaro!“ Das hörte sich tatsächlich sehr verständnisvoll an und ich schöpfte Hoffnung.
Es vergingen fünf Minuten, zehn, eine Viertelstunde und gerade als ich nochmal klingeln wollte, hörte ich:
„Komm rein, aber nur zehn Minuten!“
Das Schloss am Tor schnarrte und als ich zum Haus kam, war die Tür angelehnt.
Marion saß auf dem Riesensofa im Wohnzimmer und hatte verheulte Augen. Ihre Nase war rot und angeschwollen.
„Liebling, es tut mir so leid, Du weißt, wie sehr ich Heinz mag. Er ist einer meiner besten Freunde. Ich könnte ihm nie was tun. Das MUSST du doch wissen!
Marion, bitte glaub‘ mir!“
„Dein Freund Holger Bernhaus hat mir alles erzählt. Die Beweise sind eindeutig! Es kann gar nicht anders gewesen sein. DU HAST HEINZ ERSCHLAGEN!“ und sie weinte heftig los.
„Bitte Schatz, beruhige dich. Ich war es nicht und ich werde es dir und allen beweisen, aber rede mit mir, vertraue mir und helfe mir.
Marion … glaubst du wirklich, ich könnte einen Menschen töten und dann noch ausgerechnet Heinz? Wo sind deine Liebe und dein Vertrauen geblieben? Das kann doch nicht alles verschwunden sein. Frag dein Inneres, bitte!“
„Es ist sehr überzeugend, was Holger mir berichtet hat. Warum hat er dich noch nicht festgenommen?“
„Holger glaubt mir!“ ,im Gegensatz zu dir‘ denke ich weiter. „Er hat es mir erst heute Morgen erzählt und du musst mir glauben, ich habe bis dahin nichts davon gewusst.“
„Ich kann jetzt nicht einfach so tun, als wäre da nichts, aber du sollst Gelegenheit bekommen, mich von deiner Unschuld zu überzeugen. Das bin ich dir wohl schuldig.“
„Ich danke dir, Marion, aber was wird mit uns? Haben wir eine gemeinsame Chance? Wenn nicht, gehe ich freiwillig in den Knast. Dann ist mir alles egal.“
„Ehrlich gesagt, bin ich im Moment in einem Zustand, wo ich gar nichts mehr weiß. Ob sich das ändert und wann, kann ich im Moment nicht sagen. Ich habe dich geliebt … vielleicht tue ich es noch und ich habe vor allem Heinz geliebt und mit ihm Jahrzehnte in allen Lebenslagen verbracht.
Du hast keine Ahnung, wie das ist!“
„Das stimmt, davon habe ich keine Ahnung, aber ich weiß, wenn es mit uns aus ist, verliere ich die Lust am Leben!“
Das muss ich wohl sehr überzeugend und so traurig gesagt haben, dass Marion aufschreckte.
„Amor, mach bloß keinen Scheiß! Sowas will ich noch nicht mal ansatzweise von dir hören.“
Glomm da doch noch ein Fünkchen, aus dem das alte Feuer werden könnte?
Marion wirkte jetzt gefasster und ich hatte den Eindruck, meine angedeutete Lebensmüdigkeit hatte sie aufgerüttelt.
„Wie viel Zeit hat dir Holger gegeben?“ fragte sie nun.
„Darüber haben wir nicht gesprochen, aber er muss den Ball in der Luft halten und mir den Rücken freischaffen. Wie lange er den von Strebnitz hinhalten kann, weiß keiner.
Ich muss sofort loslegen und es darf nicht lange dauern, bis ich wenigstens die Beweise gegen mich entkräftet habe. Was haben die denn so Überzeugendes, dass du auch zweifelst?“
„Ich weiß nur, dass sie ganz frische Fingerabdrücke von dir auf dem Baseballschläger gefunden haben und zwar genau dort, wo man in anfasst wenn man damit zum Schlag ausholt.“ Sie schluchzte erneut auf.
„Marion, bitte sei ganz ruhig. Ich habe einen von den Baseballschlägern, die ihr im Truckstop als Dekoration habt, von der Wand genommen und so getan als ob. Das war vorgestern Morgen, als ich da gefrühstückt hatte. Mir ist zu Hause die Decke auf den Kopf gefallen und ich wollte Rührei mit Schinken, wie ihr es im Truckstop macht.
Es war voll und wäre sicher vielen aufgefallen, wenn ich Heinz damit geschlagen hätte.
Weißt du, ob es ein Schlag war oder mehrere?“
„Frau Dr. Kleine-Kurzius hat wohl festgestellt, dass es ein Schlag war, der sehr präzise und mit der Wucht eines Profis ausgeführt wurde.“
„Oh nein, Renate Kleine-Kurzius, die ist sowieso gegen mich und nun kommt die Rache.
Aber kannst du dir vorstellen, dass ich einen Baseballschläger wie ein Profi schwingen kann, ich, der unsportliche Amor Amaro, der noch nie auf einem Baseballfeld war, weder als Zuschauer geschweige denn als Schlagmann?“
„Da hast du Recht! Aber wenn jemand anderes geschlagen hat, warum sind dann deine Fingerabdrücke genau an den richtigen Stellen und nicht verwischt?“
„Genau das muss ich rauskriegen und vor allem beweisen!
Sag mal, gab es für Heinz mit irgendwem Stress in letzter Zeit?“
„Keine Ahnung! Ich bin selten im Truckstop und ob da was war, kann ich gar nicht sagen. Frag doch die Helga! Du weißt schon, diese rotblonde Kellnerin, Helga Koslowsky. Die hat Heinz in der letzten Zeit öfter gesehen als ich.“
„Das werde ich tun. Fällt dir sonst noch was ein?“
„Nein, ich zermartere mir schon das Gehirn und da ist auch was, aber es will nicht ‚nach oben‘ kommen. Sobald es mir einfällt, rufe ich dich an.
Kommst du heute Abend her? Äh, ich meine, damit du mir sagen kannst, was du erfahren hast und ob du Licht am Ende des Tunnels siehst. Sonst spielt sich nichts ab, das ist ja wohl klar?“
„Nimm es mir nicht übel, aber im Moment steht mir auch nicht der Sinn nach irgendwas, was sich ‚abspielen‘ könnte. Ja, ich komme und wir trinken einen Schluck Wein miteinander, okay?“
„Okay! Und Amor … ich bin froh, dass du mich zur Vernunft gebracht hast, ehrlich!“
„Na und ich erst, aber jetzt muss ich los. Mir brennt die Zeit auf den Nägeln. Ich hab schon so viel davon heute Morgen mit Bus und Bahn vertrödelt. Bis heute Abend und Danke, dass du mir glaubst!“
„Genau, du musst dich sputen. Weißt du was, du nimmst solange mein Auto oder besser das von Heinz. Er braucht es nicht, vielleicht nie mehr!“ Erneut zieht sie schluchzend die Nase hoch.
„Danke, das ist gut! Fahre ich ausnahmsweise mal Auto.“
Ich ging zu ihr und gab ihr vorsichtig einen Kuss auf die Stirn. Ich hatte die ganze Zeit gestanden und sie saß auf dem Sofa. Marion ließ es geschehen und ich verließ Wohnzimmer und Haus. Frau Anders hielt mir die Tür auf, drückte die Augen zu und nickte mir aufmunternd zu. Sie hatte sicher gelauscht, aber das war in Ordnung. So hatte ich noch eine Verbündete.
-:-
In einem Schrebergarten kniete einer, der mit viel Einsatz wie wütend Unkraut aus den Fugen des mit Platten gelegten Weges riss. Der kochte sichtlich vor Wut und eigentlich hätten Dampfwolken von ihm ausgehen müssen.
Dauernd brabbelte er was vor sich hin und immer wieder war als einziger seiner Sätze zu verstehen:
„Ich brauche einen Plan!“