Читать книгу Pädagogische Psychologie - Marcus Hasselhorn - Страница 14

Womit beschäftigt sich die Pädagogische Psychologie?

Оглавление

Jahrgang 1, Heft 1, Seite 1 der Zeitschrift für Pädagogische Psychologie beginnt unter der Überschrift »Fragen und Aufgaben der pädagogischen Psychologie« mit dem Abdruck der Schriftfassung eines Vortrags des Berliner Oberlehrers Ferdinand Kemsies (Kemsies, 1899). Die Hauptaufgabe sieht Kemsies in der naturwissenschaftlichen Erforschung der »ursächlichen Beziehungen« der »psychologischen Erscheinungen« im erzieherischen Feld; genauer: der Auswirkungen der »erzieherischen Einwirkung« auf die kindliche Psyche. Wichtige Fragestellungen der Pädagogischen Psychologie seien die mit schul- und unterrichtsorganisatorischen Entscheidungen verbundenen, aber auch bildungsinhaltliche und allgemein-didaktische Themen. Wichtig sei auch, dass die entwicklungs- und differentialpsychologischen Lernvoraussetzungen der Kinder erforscht würden.

Genau an diesen Fragestellungen wird auch mehr als 100 Jahre später noch gearbeitet. Reynolds und Miller (2003) nennen fünf große Inhaltsbereiche pädagogisch-psychologischer Forschung:

• Lernen, Lehren und Entwicklung

• Soziokulturelle und interpersonale Prozesse und Bedingungen des Lernens

• Interindividuelle Unterschiede zwischen den Lernenden

• Lernen und Lehren in spezifischen Inhaltsbereichen

• Lehrerbildung und Bildungsplanung

Die ersten vier betreffen die Pädagogische Psychologie in ihrer erkenntnissuchenden Funktion als theoretische Wissenschaft. Der fünfte Inhaltsbereich signalisiert darüber hinaus den Anspruch, wissenschaftliche Erkenntnisse als rationale Entscheidungshilfen für curriculare und organisatorische Weichenstellungen verfügbar zu machen. Seidel, Prenzel und Krapp (2014) sprechen diesbezüglich von einer »praktischen«, Walberg und Haertel (1992) von einer »bildungspolitischen« Aufgabe der Pädagogischen Psychologie.

Alle wissenschaftlichen Fragestellungen der Pädagogischen Psychologie lassen sich thematisch den oben genannten großen Inhaltsbereichen zuordnen. Mit Blick auf ihre Hauptaufgaben ist es aber hilfreich, zwischen zwei Arten von wissenschaftlichen Ansprüchen zu unterscheiden: der Generierung von Grundlagenwissen und der Bereitstellung von Anwendungswissen. Der eine Anspruch – die Herstellung von Grundlagenwissen – ist bereits mehrfach formuliert worden: Pädagogische Psychologie als Theorie der erzieherischen und schulischen Praxis, als Erforschung des Praxisfeldes Erziehung und Unterricht und als Forschung über Lernen und Lehren mit den Methoden der empirischen Psychologie. Der zweite Anspruch – die Gewinnung handlungsrelevanten und praxistauglichen Wissens – definiert die Pädagogische Psychologie zusätzlich als Gestaltungs-, Optimierungs- oder Interventionswissenschaft (Levin et al., 2003; Seidel et al., 2014). Nichts ist nützlicher für die Praxis als eine gute Theorie. Die Pädagogische Psychologie erforscht theoriegeleitet und mit empirischer Methodik Phänomene der pädagogischen Praxis. Ihre Erkenntnisse lassen sich auf diese Praxis rückbeziehen. Inwieweit und unter welchen Bedingungen dies erfolgreich gelingt, ist seinerseits wiederum eine wissenschaftliche Fragestellung pädagogisch-psychologischer Forschung (Gräsel & Parchmann, 2004; Souvignier & Dignath van Ewijk, 2010). So verstanden ist Praxis – als Unterrichts- und Erziehungspraxis – ein Forschungsfeld einer anwendungsorientierten Pädagogischen Psychologie. Stokes (1997) hat ein solches Vorgehen als »Use-Inspired Basic Research« bezeichnet. Hartmann und Klieme (2017) machen darauf aufmerksam, dass die Wissenschaft dabei nicht einfach als Lieferant von Wissen und die pädagogische Praxis nicht nur als Wissensempfänger zu betrachten sei. Damit aus den Erkenntnissen empirischer Unterrichtsforschung evidenzbasierter Unterricht wird, braucht es einen Begegnungsraum des gleichberechtigten Austauschs zwischen Praxis und Forschung.

Inhaltsbereiche. Die Paradigmen und Begrifflichkeiten, unter denen zentrale Konzepte wie Lernen und Lehren, Entwicklung und Differenz oder Methode und Inhalt von Unterricht behandelt werden, haben sich immer wieder gewandelt. Einige Themenfelder wurden im Laufe der Zeit aufgegeben, andere kamen neu hinzu. Um einen Eindruck über die Forschungsaktivitäten der Pädagogischen Psychologie zu erhalten, bietet sich eine Inhaltsanalyse von Forschungsthemen in pädagogisch-psychologischen Fachzeitschriften an, wie sie beispielsweise von Hasselhorn (2000), Schiefele (2002), Brunstein und Spörer (2005), Leutner und Wirth (2007) sowie Möller, Retelsdorf und Südkamp (2010) für die Beiträge in der Zeitschrift für Pädagogische Psychologie (ZPP) durchgeführt worden ist.

Pädagogische Psychologie

Подняться наверх