Читать книгу Pädagogische Psychologie - Marcus Hasselhorn - Страница 19
Entwicklungen seit 1980
ОглавлениеIn der US-amerikanischen Forschung sind die 1980er und 1990er Jahre durch die Dominanz kognitionspsychologischer Ansätze gekennzeichnet. Als inhaltliche Kernbereiche lassen sich die Forschungslinien zu Metakognition, Selbstregulation und Motivation identifizieren, aber auch zu den sozialen und kulturellen Kontextbedingungen von Lernen und Lehren, zu Geschlechterunterschieden und zur Frage der Koedukation, zur Psychologie und Didaktik der Unterrichtsfächer, zu den neuen Technologien und zum Lernen mit Medien insgesamt. Zunehmend ist auch die besondere Problematik der Lernstörung sowie der Hochbegabung betrachtet worden (Berliner, 2006; Calfee, 1992; Reynolds & Miller, 2003). Vor allem in Nordamerika hat sich die gewachsene gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Relevanz der Pädagogischen Psychologie auch darin niedergeschlagen, dass eine Reihe gesetzlicher Initiativen und Vorgaben – am bekanntesten ist sicherlich das »No Child Left Behind«-Gesetz von 2001 – unter ihrer maßgeblichen Mitwirkung auf den Weg gebracht wurden. Überhaupt wurden Maßnahmen zur Qualitätssicherung im Bildungssystem intensiviert (National Research Council, 2000).
Auch in der deutschen Forschungslandschaft hat die Kognitive Wende ihren Niederschlag gefunden. Die wissenschaftlich im Bereich der Pädagogischen Psychologie Tätigen arbeiten meist an Universitäten oder Pädagogischen Hochschulen sowie an außeruniversitären Forschungsinstituten (s. o.). Viele sind in der 1986 gegründeten Fachgruppe Pädagogische Psychologie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (www.dgps.de/fachgruppen/paedagogische-psychologie) oder in der Gesellschaft für Empirische Bildungsforschung (www.gebf-ev.de) organisiert. Zur Internationalisierung auf europäischer Ebene hat die Gründung der European Association for Research in Learning and Instruction (EARLI) beigetragen, mit der von ihr herausgegebenen Zeitschrift Learning and Instruction (seit 1991).
In jüngerer Zeit werden vermehrt Anstrengungen unternommen, fachübergreifend die Zusammenarbeit mit der empirisch arbeitenden Pädagogik und mit Fachdidaktiken der Unterrichtsfächer zu intensivieren. Die öffentliche und bildungspolitische Rezeption der Ergebnisse der internationalen Vergleichsstudien TIMSS und PISA hat dazu beigetragen. Sichtbarer Ausdruck solcher Zusammenarbeit waren das DFG-Schwerpunktprogramm »Bildungsqualität von Schule« (Prenzel & Doll, 2002) im Anschluss an TIMSS und die Einrichtung von DFG-Forschergruppen zur Empirischen Bildungsforschung (Mandl & Kopp, 2005) im Anschluss an PISA. Auch das DFG-Schwerpunktprogramm »Kompetenzmodelle zur Erfassung individueller Lernergebnisse und zur Bilanzierung von Bildungsprozessen« (Fleischer, Leutner & Klieme, 2012) ist in diesem Zusammenhang zu nennen.
Die Empirische Bildungsforschung darf allerdings nicht mit der Pädagogischen Psychologie gleichgesetzt oder verwechselt werden. Empirisch wird sie genannt, um eine Grenzlinie zum geisteswissenschaftlich-theoretischen Bildungsbegriff zu ziehen, der in der Pädagogik noch immer verbreitet ist. Die Empirische Bildungsforschung ist dagegen sozialwissenschaftlich orientiert und befasst sich mit den Bildungsprozessen im Verlauf der (institutionellen) Bildungskarriere von Individuen und mit Möglichkeiten der Beeinflussung solcher Prozesse (Ditton, 2015; Gräsel, 2015; Merkens, 2006). Wo sich das im engeren Sinne auf Lehr-Lern-Prozesse im Unterricht oder in vorschulischen Bildungsinstitutionen bezieht, sind das auch Fragestellungen der Pädagogischen Psychologie (Spinath, Hasselhorn, Artelt, Köller, Möller & Brünken, 2012). Verbindende Klammer ist also die Erforschung der individuellen, sozialen und institutionellen Determinanten von Lernprozessen. Es werden in der Pädagogischen Psychologie aber auch Themenbereiche bearbeitet, die sich nicht unter die Empirische Bildungsforschung subsumieren lassen, so etwa wenn es um die individuellen Voraussetzungen erfolgreichen Lernens geht oder um die Ursachen von Lern- und Entwicklungsstörungen.