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9. Kapitel

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Es gibt ihn – den VdS

“Zwei Seemänner in der Familie wäre mehr als man ertragen könnte“. Oder: “Wenn unsere Männer nach monatelangem Einsatz nach Hause kommen, haben wir Wracks, die wir erst einmal zum Leben erwecken müssen.“

Diese, die Situation der Seemannsfamilien so treffend schildernden Zitate zweier Ehefrauen – erschienen in einer der Ausgaben der Verbandszeitschrift der Seemannsfrauen – wollen mir nicht aus dem Sinn.

Lassen sie doch erahnen, was unseren Männern da heutzutage abverlangt wird. Sie haben richtig gelesen – es gibt ihn tatsächlich: den VdS, den Verband der Seemannsfrauen. Denn wer sonst sollte sich für die Belange des Seemannes einsetzen, wenn nicht dessen Ehefrau? Der Seemann ist dazu nicht in der Lage, ist er doch die meiste Zeit des Jahres weg von daheim. Fern jeder Möglichkeit, seine Interessen zu vertreten. Eben dies tun seit der Gründung des Verbandes im Jahre 1987 die ca. 180 Frauen, die sich dort inzwischen zusammengeschlossen haben.

Hierbei handelt es sich nicht – wie aus unwissendem Munde oft zu hören – um ein seemännisches Kaffeekränzchen oder einen für den jährlichen Adventsbasar seefahrtbezogene Strick- und Häkelwaren produzierenden Club einsamer Ehefrauen.

Ehefrauen oder Freundinnen, die auf diese Weise ihrer Zeit, die sie ja ansonsten ausschließlich dem Warten auf den Seemann widmen, eine bedeutungsvollere Note verleihen möchten.

Sehr wohl hat Frau hier die Möglichkeit, sich bei den regelmäßig stattfindenden Treffen einmal alles von der Seele zu reden. Wer sonst versteht die Sorgen und Nöte, wer sonst könnte sich besser in unsere Situation hineinversetzen, wenn nicht eine Leidensgefährtin?

Einem Landmenschen gelingt dies kaum. Auch die Vertrauensseemannsfrauen – gewiß eine tolle Idee und immer eine Anlaufstelle, um Rat und Hilfe zu erfahren. Das politische Engagement dieser Frauen – von noch größerer Bedeutung?

Übrigens – niemand hält Sie davon ab, diesem Verband beizutreten. Das dürfen auch Nichtseemannsfrauen und -männer. Ja, auch männliche Wesen werden hier nicht diskriminiert, sondern herzlich aufgenommen.

Vielleicht gibt es einige unter Ihnen, die sich für die Seefahrt interessieren und denen sie nicht egal ist.

Denn, bis auf den bekannten Kurzzeitschock bei den unzähligen Tankerkatastrophen der letzten Jahre, die Öffentlichkeit bleibt über die wirklichen Zustände in der Seefahrt uninformiert.

„Im Grunde haben wir viel erreicht und doch eigentlich nichts. Unsere Kontakte zu Presse, Funk, Fernsehen und Politikern haben leider immer noch keine Verbesserungen in der Seefahrt bewirkt. Selbst die Gewerkschaften scheinen hier gegen Mauern anzurennen. Da uns aber der Einfluß und auch die finanziellen Mittel fehlen, um effektiv arbeiten zu können, sind wir noch mehr auf die Zusammenarbeit mit den einzelnen Seemannsfrauen und den Gruppen angewiesen. Es ist eine der wichtigsten Aufgaben, die Öffentlichkeit weiterhin auf die Mißstände in der Seefahrt aufmerksam zu machen.“

So das Resümee zum fünfjährigen Bestehen des VdS. Weitere fünf Jahre sind nun vergangen, und während dieser Zeit waren die Seemannsfrauen alles andere als untätig. (Dazu mehr am Ende dieses Buches). Daß sich all diejenigen, die sich aktiv im Verband engagieren und die trotz aller Niederlagen nicht aufgeben, nicht in ihren Bemühungen nachlassen, auch wenn es oft genug hoffnungslos aussieht, an den stetigen Kampf gegen die bekannten Windmühlen erinnert, daß sich all diejenigen nicht entmutigen lassen, statt dessen weiterhin für den Erhalt des Arbeitsplatzes und für bessere Arbeitsbedingungen ihrer Männer kämpfen, verdient jede Anerkennung und Unterstützung!

Denn diese Minderheit hat unser Staat einfach vergessen. Wen interessieren in einer Zeit der Massenarbeitslosigkeit die Belange von nur noch ca. 9000 Menschen?

Die Vernichtung eines ganzen Berufszweiges wird dabei in Kauf genommen.

Wie heißt es doch so schön im Seeaufgabengesetz: “Dem Bund obliegen auf dem Gebiet der Seeschiffahrt die Förderung der Handelsflotte im allgemeinen deutschen Interesse …“ Muß man noch fragen, wer diese allgemeinen Interessen bestimmt?

Wenn ich in einem Fachblatt lese: „Es geht wieder bergauf“ – so kann ich dem nur zustimmen. Tatsächlich: “Es geht bergauf“ – sofern man auf der richtigen Seite steht!

In der Seefahrt ist nichts unmöglich.

Obwohl ein enormer Bedarf an qualifizierten Seeleuten besteht, die verantwortungsbewußt an Bord und auf See für Sicherheit sorgen, setzt der deutsche Staat die Rahmenbedingungen so miserabel, daß auf diese Weise die Seeleute und der Nachwuchs ausgerottet werden.

Heutzutage zählt nur der Profit. Der Reeder, der mit der Seefahrt lediglich noch Geld verdienen will, hat sich zum Kaufmann entwickelt. Die über Jahrhunderte gewachsene Bindung zum Schiff und zu seinen Seeleuten geht immer mehr verloren. Ebenso unmöglich wird es für den Seemann, eine Beziehung zu seinem Reeder, seinem Schiff oder gar zu seinen Kollegen aufzubauen. Bedingt durch Zeitverträge, ist er gezwungen ständig zu wechseln. Er trifft immer auf neue Menschen, auf die er sich einzustellen hat. Etwas wie Beständigkeit, Zugehörigkeit existiert nicht mehr. Finanzkräftige Deutsche sparen mit Bareboat-charter-Schiffen (dem deutschen Recht entzogenen, aber noch im deutschen Register eingetragenen Schiffen) deutsche Steuern, die die total entrechteten Seeleute dann zahlen sollen – müssen!

Es kann also ein deutscher Geschäftsmann von deutschem Boden aus Geschäfte mit Schiffen betreiben, ohne Verpflichtungen für Besatzung und – oder Sicherheit übernehmen zu müssen. Ganz einfach: Er hängt eine billige Flagge dran.

Auch wenn das Schiff noch so winzig und niemals aus eigener Kraft den Flaggenstaat erreichen kann. Bareboat-Charter (§ 7 Abs. 1 im Flaggenrecht macht sie möglich): Ein deutsches Schiff wird an eine ausländische Reederei unter beispielsweise Zypern-, Liberia- oder Antiguaflagge verliehen. Vorteil: Die hohen deutschen Sicherheitsstandards müssen nicht erfüllt werden, unterliegt dieses Schiff doch dann den Gesetzen des jeweiligen Landes. Auch bei der Bareboat-Charter darf die Reederei mit einer Billig-Besatzung fahren.

Auf diese Weise wird es den Reedern ermöglicht, bei einem neuen Schiff den Verlust von Subventionen und Abschreibungsmöglichkeiten zu umgehen, den sie bei einer Totalausflaggung hinnehmen müßten. Dieses Verleihen war ursprünglich einmal auf den Zeitraum von zwei Jahren begrenzt, aber auch da ist der Gesetzgeber inzwischen großzügiger geworden. Irgendeine Lücke im Gesetzesdschungel läßt sich immer finden!

Mein Mann? - Der fährt zur See!

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