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4. Kapitel

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Abschied – wieder mal

4. Januar 1994, morgens 6.30 Uhr.

Wie fest habe ich mir vorgenommen: Dieses Mal nicht, dieses Mal wirst du es schaffen. Wirst keine Tränen vergießen. Wirst ihm den Abschied nicht noch schwerer machen.

Und nun stehe ich doch wieder da – völlig aufgelöst. Stehe in der Frühe eines naßkalten, diesigen Wintertages zu Beginn des neuen Jahres auf dem Gelände der Sietas-Werft.

Stehe da – unfähig, auch nur ein Wort herauszubringen. Und wie viel wollte ich ihm noch sagen. Wie viel ihm noch mit auf den Weg geben. Ein Weg, der ihn wieder einmal für lange Zeit von mir und von daheim wegführen wird.

„Paß’ auf dich auf.“ „Arbeite nicht zu viel, laß auch die anderen mal ran“ (nur zu gut kenne ich meinen Mann). An diese Stelle schrieb eine Seemannsfrau, die mein Manuskript gelesen hatte, an den Rand: Welche anderen denn? Hat sie auch wieder recht! Sind doch heutzutage die Schiffe zum einen chronisch unterbesetzt und zum anderen fahren dort Mannschaftsmitglieder, die man jeden Tag aufs Neue anleiten, jeden Handgriff immer und immer wieder zeigen und erklären muß. „Bleib’ gesund und komm’ heil zurück.“ „Denk an mich“, und vor allem: „Ich hab dich lieb.“

Aber nichts von all dem bringe ich über die Lippen.

Ich hoffe, er kann es in meinen Augen lesen, auch wenn die im Moment tränenverschleiert sind. Wozu ist er schließlich seit sechs Jahren mein Ehemann?

Auf einmal wäre noch so viel zu sagen. Auf einmal wäre noch so viel zu fragen. Auf einmal ist es dafür zu spät …

Wie ich es hasse – dieses Abschiednehmen im Hafen. Genauso wie ich es hasse – dieses Abschiednehmen am Bahnhof. Zu oft schon habe ich auf einem der Bahnsteige gestanden, auf denen es selbst im Sommer immer kalt und windig ist. Wo man fröstelnd auf das Heranbrausen des Zuges, auf das gräßliche Quietschen der Räder, auf das Zuschlagen der Türen, auf die Durchsage der monotonen Stimme aus den Lautsprechern (verstehen kann man sowieso immer nur die Hälfte), auf das entsetzlich schrille Pfeifen des Mannes mit der roten Mütze wartet, bevor auch die letzte Tür krachend ins Schloß fällt.

Wo man doch nicht weinen will und wo man schließlich allein zurückbleibt. Diese letzten gemeinsamen Minuten – wie ich sie hasse.

„Die Zeit mit dir war wieder wunderschön.“ Ein letztes Mal drückt er mich an sich. (Wie sehr werde ich den Geruch seines öl- und farben-verschmierten Overalls vermissen!)

Dann muß ich ihn wieder hergeben – an sein Schiff und an die See, mit denen ich mir den geliebten Mann teilen muß. Schafft man das nicht, heiratet man besser jeden anderen – nur bloß keinen Seemann!

Sie haben es ja gewußt. Haben ja gewußt, was da auf Sie zukommt!“

Diese und ähnliche weise Aussprüche lieber Mitmenschen bekommt man des öfteren als tröstenden Zuspruch zu hören.

Mensch, haben die vielleicht eine Ahnung!

Beklagen dürfen Sie sich da nicht.“

Als wenn ich mich jemals beklagen oder über mein “ach so schweres Schicksal“ jammern würde. Und bei Zeitgenossen dieser Art schon gleich gar nicht.

Da halte ich mich lieber an unsere Familie und an unsere Freunde, die sehr wohl verstehen können, daß einem der Abschied für so lange Zeit unendlich schwer fällt und man mit Grauen an die Rückkehr in die leere Wohnung und an die ersten 14 Tage ohne den geliebten Partner denkt.

Danach bin ich aus dem Loch, in das ich prompt zu solchen Anlässen falle, wieder ans Tageslicht gekrabbelt.

Ich mag mich noch so sehr dagegen wehren – das Loch, es wartet auf mich. Also nehme ich diesen vorübergehenden, reichlich orientierungslosen Zustand gelassen und gottergeben hin.

Schließlich – rausgekommen bin ich noch immer aus dem Loch.

Und dann bin ich wieder neugierig auf das Leben. Neugierig, was mir die Zeit ohne den Seemann so alles bringen wird. Weiß ich doch genau, daß ich auch diese Zeiten des Alleinseins brauche um Ruhe und Ausgeglichenheit zu finden.

Das ändert nichts an der Schwere des Abschieds, aber es läßt ihn erträglicher werden.

Lange noch wird man das Bild vor Augen haben, wie der geliebte Ehemann über die Gangway zurück an Bord geht.

“Tschüß denn, Seemann – bis bald?“

Ich habe es schließlich gewußt!

Die “Iberian Bridge“ geht auf ihre erste Reise. Ich wünsche dir und der Besatzung allzeit gute Fahrt und glückliche Heimkehr. Jetzt wird aus ihr ein richtiges Schiff. Ich schätze, irgendwann werden wir uns noch genauer kennenlernen. Was meinst du?

Mein Mann? - Der fährt zur See!

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