Читать книгу Gottes wundersame Faktorei - Sexter Teil: R J C - Marianne Le Soleil Levant - Страница 9
115 Herr Sonnenblum
ОглавлениеPetrus: Ich hab' da 'was gefunden, das dir die Entscheidung die menschliche Prophetie betreffend erleichtern kann.
Gott: Aha.
Petrus: Von Zhuangzi.
Gott: Das ist aber kein hebräischer Name.
Petrus: Er ist Chinese beziehungsweise chinesischer Philosoph.
Gott: Chinesen? Das sind doch die, derentwegen die Juden dumm dastehen, weil sie sie mit der Spracherfindung evolutionär ausgestochen haben. Von wegen Gottes Wort.
Petrus: Schlaues Völkchen. Dieser Zhuangzi hat auch eine sehr poetische Form der Philosophie. Märchen und Geschichten mit chinesischer Metaphorik und Denkweise.
Gott: Gut, aber was hat das mit uns zu tun?
Petrus: Die Bilder zeugen von einer Kosmologie.
Gott: Das ist eine Interpretation.
Petrus: Natürlich muss Metaphorik interpretiert werden.
Gott: Woher weißt du, dass du bei der Auslegung keinem Irrtum unterliegst? Bist du so in der chinesischen Philosophie bewandert?
Petrus: Mit ein bisschen gesundem Verständnis lassen sich die an sich einfachen Bilder klar übertragen.
Gott: Der Bezug zu Kosmologie ist doch schon eine Selektion des Deutungsbereiches. Wer sagt dir, dass nichts ganz anderes gemeint ist?
Petrus: Hör dir das an und sag' mir, ob dir etwas auffällt:
"Wo habt Ihr das alles gelernt ?"
fragte Herr Sonnenblum von Südungefähr.
"Ich lernte es vom Sohn des Gehilfen Tusche.
Der Sohn des Gehilfen Tusche lernte es vom
Enkel von Fertiger Rhapsode.
Der Enkel von Fertiger Rhapsode lernte es von Klare Schau.
Klare Schau lernte es von Angenehmes Flüstern.
Angenehmes Flüstern lernte es von Aufrichtiger Dienst.
Aufrichtiger Dienst lernte es von Schluchzender Sänger.
Schluchzender Sänger lernte es von Dunkles Geheimnis.
Dunkles Geheimnis lernte es von Teilhaber Leere.
Teilhaber Leere lernte es von Scheinbarer Anfang."
Zhuangzi - Innere Kapitel - 6. Der große Ahn und Meister
Gott: Aha.
Petrus: Dir kommt darin nichts bekannt vor?
Gott: Der Gehilfe Tusche scheint offensichtlich ein schönes Bild für Schrift oder stellvertretend ein Schriftgelehrter zu sein. Aber dann finde ich die Bilder zwar schön, zweifle aber an der Eindeutigkeit der Übersetzung. Die ist doch auch schon eine Interpretation.
Petrus: Ja, aber der Übersetzer ist bewandert und übersetzt deshalb so, dass man es richtig versteht. Weil er weiß, was die Chinesen sagen wollen.
Gott: Trotzdem gibt es doch sicher andere Übersetzungen.
Petrus: Nicht alle sind gut.
Gott: Man müsste sie vergleichen.
Petrus: Tatsächlich folgt die Philosophie, die traditionelle, wie die chinesische Gesellschaft, ausgeklügelten Regeln. Da man sie kennt, ist man vor Irrtum gefeit.
Gott: Die Philosophen streiten doch ständig. Sicher auch bei den Chinesen.
Petrus: Da das alles lange her ist, kennt man dadurch die einzelnen Schulen noch besser.
Gott: Aha.
Petrus: Es sind Bilder. Eine mathematisch exakte Auslegung ist nicht ihr Sinn. Sie werden gebraucht, weil sie etwas erscheinen lassen, dass sich in sachlich präzisen Worten nicht fassen lässt. Deshalb die Blüte von Bildern.
Gott: Weil du meinst, es geht um uns.
Petrus: Es geht um den Sinn. Dieses Werk von Zhuangzi handelt vom Sinn. Eine andere Übersetzung dessen, was bei Lao Tsé der Weg heißt. Vielleicht ist es dasselbe Wort.
Gott: Da hast du's. Du kannst eben kein Chinesisch.
Petrus: Du bist doch allwissend.
Gott: Beim Chinesischen aber ziemlich aus der Übung.
Petrus: Seit wann muss Gott üben?
Gott: Du vergisst, dass ich nicht mehr der Jüngste bin.
Petrus: Ich dachte Zeit spielt keine Rolle.
Gott: Wenn alles gleichzeitig passiert oder sowieso ewig ist. Ich kann sofort das alles auf chinesisch rekapitulieren. Dann ist es chinesisch. Das versteht ihr nicht. Also was soll's? Übersetzen, interpretieren werde ich es nicht. Ich interpretiere meine Schöpfung nicht.
Petrus: Wie immer eine große Hilfe.
Gott: Wozu hab' ich euch? Du hast damit angefangen.
Petrus: Mit Tusche ist die Schrift gemeint. Rhapsode meint das Leben. Sie ist aber nicht nur eine Rhapsode, sondern auch fertig. Das bedeutet wohlfährig. Gut, schlüssig, erstrebenswert und wahrscheinlich eine Mischung aus noch mehr. Klare Sicht ist die Erkenntnis der Wahrheit durch unverstellte Wahrnehmung und reines Herz. Angenehmes Flüstern ist schon schwieriger zu deuten.
Gott: Wahrscheinlich.
Petrus: Es sind wohl die wachen Sinne gemeint.
Gott: So so.
Petrus: Ich habe Übersetzungen verglichen.
Gott: Man kann sich auf dich verlassen.
Jesus: Naja, die Hähne.
Gott: Sag' ich doch. Du hast es prophezeit. Petrus war zuverlässig.
Jesus: Wenn man es so sieht.
Petrus: Angenehmes Flüstern kann auch als sinnliche Lust interpretiert werden.
Gott: Ganz 'was neues.
Petrus: Ja, aber es meint das Empfinden einer immateriellen Wesenhaftigkeit, die bei den Menschen die sinnlichen Lust über das physische Erleben hinaus ergänzt.
Gott: Die Liebe.
Petrus: Wenn man spürt, dass etwas mitspielt, das man selbst nicht bestimmt, wofür man nichts beitragen muss und das auf selbstverständliche Art große Kraft freisetzt.
Gottes: Wenn man meine Gegenwart wahrnimmt.
Petrus: Aufrichtiger Dienst ist die gesunde und rechte Handlung im Alltag. Sie führt zu wachen Sinnen. Schluchzender Sänger ist die Leidenschaft, die Emotion, Gefühle, Wünsche und Ziele, die den Mensch antreiben. Diese, die der Künstler, der sie erfindet, in sich hervor und zum Ausdruck bringt, nähren sich aus dem Dunklen Geheimnis. Einer unbekannten Quelle, die durch die Inspiration angezapft wird. Dieser Geist kommt aus der Leere. Davon haben wir schon gesprochen.
Gott: Das soll heißen, die Chinesen hätten in ihrer Kosmologie ein Vakuum oder den Photonen-Nebel auch schon vorhergesagt.
Petrus: Das hast du gesagt.
Jesus: Das ist mein Spruch.
Gott: Und ich bin nicht Pilatus. Eigentlich eine Unverschämtheit.
Petrus: Es reicht schon, wenn sie dieses sprichwörtliche Nichts meinen, das zwischen aller Materie einen riesigen Teil der Schöpfung ausmacht.
Gott: Dann sind die Chinesen die Boltzmann-Gehirne und haben sich die Juden nur ausgedacht. Einschließlich Messias und allem anderen. So nebenbei zum Spaß oder weil sie den Fremden die Wahrheit über das All vorsätzlich vorenthalten und sie mit solchen Geschichten in die Irre führen wollten, um den Informationsvorsprung, wie es wirklich geht, zu wahren?
Petrus: Daran hatte ich noch gar nicht gedacht.
Gott: Vielleicht sehen die deshalb so außerirdisch aus, weil es eigentlich Boltzmann-Gehirne sind.
Petrus: Das ist rassistisch.
Gott: Quatsch. Wenn es außerirdische Boltzmann-Gehirne sind, kann man das auch sagen.
Petrus: Sie selbst nennen sich Söhne des Himmels. Also das ist eher eine Idee der Oberklasse.
Gott: Da kann bei der Übersetzung leicht ein Gottessohn daraus werden. Die haben das den Juden eingeredet.
Petrus: Die hatten doch damals keinen Kontakt.
Gott: Woher will man das so genau wissen? Gab doch immer schon Reisende. Die drei Weisen sind doch auch sonstwoher gekommen. Es braucht ja keine Horden. Ein paar schlaue Füchse reichen. Die müssen doch bei ihrer Ankunft mit der Erscheinung Eindruck gemacht haben. Vielleicht rühren sogar Legenden von Besuchen aus dem All daher und die Obrigkeit hat sie anschließend alle umbringen lassen oder unerkannt zurückgeschickt.
Petrus: Das sind doch Verschwörungstheorien. Wie sollen die von China bis nach Judäa gekommen sein?
Gott: Chinesen sind zäh und voller Ehrgeiz. Vielleicht sind sie geschwommen.
Petrus: Und als Fischwesen mit glatter Haut gefangen genommen worden?
Gott: Vielleicht hat sich einer davon gemacht und bei Maria als Engel Eindruck geschunden und sie geschwängert.
Petrus: Da du ja alles bewirkst, ist er dann doch von dir gesandt gewesen.
Gott: Ein schwimmender Chinese ist wahrscheinlicher als eine hermaphroditische Selbstbefruchtung.
Petrus: Da bin ich nicht ganz sicher.
Gott: Wenigstens bin ich dann kein solches Gehirn.
Petrus: Vielleicht wahren die Chinesen einfach schlau genug, zu verstehen, dass man diesen groben Wesen, denn dafür hielten sie die anderen Völker, mit der Wahrheit nicht zu kommen braucht, weil sie die nicht verstehen werden, und haben sie ihre eigenen Geschichten erfinden lassen.
Gott: Wir waren noch nicht durch.
Petrus: Die Leere ist nicht einfach nur eine Leere, sondern sie ist Teilhaber. Es geht also um ihren Status, ihre Wirkung im Gefüge.
Jesus: Das ist interessant.
Petrus: Die Leere, mit ihrem offenbar relevanten Status, lernte es vom Anfang. Es ist ein Ursprung gemeint.
Gott: Das kennen wir. Ist aber nicht sehr genau.
Petrus: Doch, denn dieser Anfang, der die höchste Stufe der Herkunft bildet, ist der Auslöser. Von ihm geht alles aus. Trotzdem ist er nur scheinbar ein Anfang. Das finde ich interessant.
Gott: Aha.
Petrus: Es weist ganz konkret auf zyklische Unendlichkeit.
Gott: Plausibel, aber nur eine Interpretation.
Petrus: Du solltest vielleicht mehr davon lesen.
Gott: Ich weiß doch schon alles.
Petrus: Warum wehrst du dich gegen die zyklische Ewigkeit.
Gott: Tu' ich gar nicht. Ich lege mich nur nicht fest.
Petrus: Was ist dann mit den Naturgesetzen?
Gott: Es ist nicht gesagt, dass sich die nicht ändern können. Gerade in Zeiträumen von Trillionen von Jahren.
Petrus: Wenn Zeit keine Rolle spielt.
Gott: Weil alles gleichzeitig passiert.