Читать книгу Unerfüllte Träume einer jungen Liebe - Marie-Claire de Bergér - Страница 16
Der Überraschungsbesuch
Оглавление„So, nun habe ich genug Trockenreibungen bei dir durchgeführt.“ Ursula nahm das andere Handtuch und wollte sich selbst abtrocknen, doch Diether war schneller und rieb ihr Rücken, Beine und Arme ab. „Danke mein Großer!“, seufzte sie leise. „Das hat mir gut getan.“ Sie bedankte sich zusätzlich mit einem Kuss bei ihm.
„Mausele, ich verschwinde zuerst in die Umkleidekabinen, um mich anzukleiden“, erklärte er und gab ihr einen zarten Kuss auf den Nacken, dabei ließ er sie behutsam los und marschierte in Richtung der Kabinen. Ulli machte es ihm nach und verschwand ebenfalls in eine blau gestreifte Kabine. Es dauerte eine gewisse Zeit, bis beide fertig angekleidet waren. Gemeinsam löschten sie das Licht im Hallenbad. Im Garten erkundigte sie sich bei Diether, ob er Lust auf Kaffee und Kuchen habe. „Dies wäre jetzt genau das Richtige, Kleines“, freute er sich.
Uschi ging daraufhin in die Küche, schnitt den frischen Kuchen an, den die Hausdame noch gebacken hatte, und stellte das Kaffeegeschirr parat. Die Kaffeemaschine lief bereits. Die übrigen Dinge legte sie aufs Tablett, brachte alles auf die Terrasse, setzte das Brett auf den gedeckten Gartentisch und eilte zurück in die Küche. Diether nahm den Kuchenteller und die Warmhaltekanne der Maschine, Ulli öffnete die Türen und Diether konnte bis auf die Veranda gehen. Er stellte dort alles auf den Tisch. Fröhlich setzten sie sich an die Kaffeetafel und vertilgten Kaffee und Kuchen.
„Mei, Uschi, dieses Getränk ist prima, das weckt alle Lebensgeister und tut richtig gut“, sinnierte Diether. Diese Nachmittagszeit liebten sie alle beide. Durch den Park erklang die Musik von Cole Porter.
Plötzlich sagte eine Bass-Stimme hinter ihnen: „Habt ihr für uns zwei auch noch von diesem braunen Gesöff und ein Stück Apfelkuchen?“ Nun ertönte zweistimmiges Gelächter. Mariele und Urs Sutter waren auf der Bildfläche erschienen und mussten wegen der betroffenen Gesichter lachen. Ursula sprang hastig auf, sie freute sich riesig, dass ihre Tante aus Bern zurückgekehrt war.
Neben ihr trat Urs in Erscheinung, der sich etwas versteckt gehalten hatte. Er breitete seine Arme aus, um Ulli zu herzen und zu küssen. „Meine kleine Prinzessin, ich habe dich ja lange nicht gesehen. Habe dich so vermisst und gewachsen bist du auch wieder! Geht’s dir wieder gut nach dem Überfall?“, fragte er leise.
„Jo, Urs, mir goht’s guat, no’dem, was passieret ischt. Weischt, a guat’s Glück wor’s, des du mir des Schiaßen beibrocht host, des hot mir und Diether des Lebe gerett“, sprach sie in Schwyzerdütsch zu ihm.
Diether war in der Zwischenzeit auch aufgestanden und hatte die Baronin mit einem formvollendeten Handkuss begrüßt. Befremdet hörte er, wie dieser blonde Riese von Schweizer sich mit Uschi in eidgenössischem Dialekt unterhielt.
Aufgeregt drehte sich Uschi zu Diether herum: „Dietherle, schau, dös ist mein Ersatz-Papa. Urs, der Lebensgefährte von Mariele. Und das, Urs, ist Diether aus Wien, einer der besten Kletterer Österreichs.“ Diether wurde verlegen, als sie das sagte. Er schätzte Urs, Madame Sutters Sohn, auf mindestens fünfunddreißig Jahre. Das beruhigte Diether ungemein, denn er hatte bei sich gedacht, dass der Leutnant jünger wäre.
„Urs, du bist doch dienstlich hier, oder?“, fragte Ulli geradeheraus.
„Jo, die Botschaftsrätin ist von Herrn Trutzli angerufen worden, der hat ihr alles erzählt. Sie woar ganz uffgeregt und kam zu mir ins Office, sie berichtete mir, was der Gendarmerie-Kommandant ihr am Telefon mitgeteilt hatte.“
Ursula blickte zerknirscht an und sagte: „Mariele, ich habe wieder geträumt, schon lange bevor wir nach Luzern gefahren sind.“
„Madl, was hast du gesehen?“, fragte Urs liebevoll.
„Eine schwarze Gestalt, vermummt, sie sah aus wie ein Samurai-Kämpfer mit einer Pistole, und eine zweite Person, die auf der Schlafcouch hinter dem Paravent lag. Ich konnte nur kein Gesicht der zweiten Gestalt erkennen. Doch als ich Diether in Luzern sah, da hatte diese Figur endlich ein Gesicht. Am schlimmsten war das Gefühl im Bauch, diese Krämpfe waren fast nicht zum Aushalten. Na gut, wir hatten, das heißt ich hatte vergessen, die erste Kellertüre abzuschließen, als wir ins Haus zurückgegangen sind. Die anderen diversen Dinge haben wir alle ausgeführt. Der Einbrecher muss also schon am späten Nachmittag im Schutze der Bäume in den Keller gelangt sein. Der einzige Fehler, den ich begangen habe, war, dass ich die Kellertüre zum Parterre nicht verschlossen habe, sonst wäre er gar nicht erst heraufgekommen. Ich mache mir solche Vorwürfe, dass ich das vergessen habe.“
Diether bemerkte auf einmal, dass Uschi wieder weiß im Gesichterl wurde. „Geht’s dir gut, Liebes? Sonst red i weiter.“
„Es geht wieder“, sagte sie und fuhr mit dem Bericht fort. „Diether bemerkte aber, dass es mir net so gut ging und beschloss, mit mir in die Suite zu kommen. So erklärt sich auch die zweite Person im Stüberl, die ich im Traum gesehen hatte. Wir haben dann die Gaspistolen an uns genommen und mit Patronen gefüllt.“ Ulli war erneut einer Ohnmacht nahe, als sie darüber sprechen musste.
Ihrem Freund war aufgefallen, dass sie langsamer redete, und meldete sich zu Wort: „Herr Leutnant, ich habe dann aufgepasst und gewacht. Ich selbst konnte zum Glück noch nicht einschlafen. Ulli hatte die Kabelschnur der Lampen unter die Bettdecke verschwinden lassen, ebenso die Gaspistole. Gegen zwei Uhr, meine Armbanduhr zeigte mir die Zeit an, bewegte sich die Türklinke und ich wusste: Jetzt wird’s brenzlig. Sehen konnte mich der Eindringling nicht, da ich hinter der Türe und dem Paravent verborgen war. Er fixierte Uschi mit der Taschenlampe und brüllte etwas wie Attention. Sie war sofort hellwach, drückte unter der Decke den Lichtschalter an und im Nu war das Zimmer taghell. Der Gangster hatte die Waffe auf sie gerichtet, doch da riss Uschi den rechten Arm hoch und schoss, ohne zu zögern, dem Täter zwischen die Augen. Der fiel kopfüber auf Gesicht und Bauch und rührte sich nicht mehr. Ich bin dann aufgesprungen und wir haben ihn mit Reepschnüren zusammengeknotet wie ein Paket. So war es und nicht anders, sie hat in Notwehr gehandelt. Wenn Ursula nicht so reagiert hätte, wäre sie mit Sicherheit nicht mehr am Leben und ich auch nicht.“
Urs nickte mehrmals mit dem Kopfe. „Prinzessin, ich bin stolz auf dich! So haben die Schießübungen wenigstens gefruchtet, die wir im Berner Schießkeller absolviert haben“, erklärte der Leutnant.
„Mein Gott, wenn ich einmal weg muss, dann geschieht irgendetwas! Diether, Sie hat uns der Himmel geschickt“, seufzte die Baronin.
„Ach Mariele, ehe ich es vergesse, Dr. Adenauer hat angerufen und möchte, dass du bitte ihn anrufst“, meinte Ursula.
„Das mache ich besser sofort!“
„Liebe Patentante, heute ist Sonntag!“
„Natürlich, du hast recht, verzeiht mir bitte, ich bin noch ganz durcheinander“, bemerkte die Baronin. „Dann wird auch deine Tante Julia nicht dauernd anrufen und mir sagen: Sie müssen noch den Herrn Bundeskanzler benachrichtigen. Oh Gott, oh Gott!“ Ursula musste über die Rede ihrer Patentante lachen, der das Getue der Ministerialrätin von Hartenstein oft genug auf die Nerven ging.
Obwohl Sonntag war, wählte die Botschaftsrätin dann doch die Privatnummer von Dr. Adenauer in Rhöndorf am Rhein. Die Hausdame meldete sich freundlich: „Bei Dr. Adenauer!“
„Ja, hier ist Botschaftsrätin von Trostburg, ich sollte den Herrn Bundeskanzler sofort anrufen, wenn ich aus der Botschaft in Bern zurück bin.“
„Einen Augenblick, Baronin, er ist bei seinen Rosen im Garten.“
Es dauerte ein Weilchen. „Hier Adenauer. Baronin von Trostburg, wie schön, Sie zu hören. Könnten Sie es einrichten, mir einen kurzen, schriftlichen Bericht über den Überfall in Afrika oder zu schicken? Damit ich mir selbst ein Bild von dem, was bei diesem Gütertransport von Unicef geschehen ist, machen kann?“
„Geht in Ordnung, Herr Dr. Adenauer. Ich faxe den Bericht in die Bonner Kanzlei, da es ja eine interne Angelegenheit ist. Sie können sich auf mich verlassen, das wird erledigt. Grüßen Sie bitte Frau von Hartenstein. Die Großnichte Baronesse von Giebel ist wohlauf, denn sie ist zurzeit hier bei uns im Chalet Resi in Ferien. Übrigens, Herr Dr. Adenauer, wir sind ab nächster Woche in Sils-Maria im Kanton Graubünden bei meiner Freundin Gräfin von Bellheim. Nur damit Sie wissen, wo ich mich aufhalte, falls Sie noch Fragen zu dem Fax haben. Am besten ist es, Sie rufen Herrn Urs Sutter in der Botschaft an, er ist Leutnant des Abschirmkommandos des Schweizer Bundesheeres und hat mit dem Überfall dienstlich zu tun. Auf Wiederluage, Herr Dr. Adenauer.“
„Auf Wiederhören, Frau Baronin, ich danke Ihnen für Ihre rasche Benachrichtigung, adieu.“
„Hast du alles mit deinem Chef geklärt, Schatz?“, fragte Urs. „Dann fertige ich den Bericht von Uschi und Diether an.“
„Urs, ist das wirklich nötig, dass du diese Geschichte, die sich in meinem Ferienhaus zugetragen hat, auch noch dienstlich bearbeiten musst? Kann man das nicht als einfachen Einbruch gelten lassen?“, fragte Mariele ängstlich. „Ihr habt doch den Täter, oder?“, fügte sie aufgebracht hinzu.
„Schatz!“, sagte Urs. „Es tut mir leid, ich muss Meldung machen.“
„Nun ja, wenn das so ist, in Gottes Namen, aber bitte nichts an die Presse weitergeben. Sonst flippt Pia aus.“
„Bitte auch nichts über Ullis Ohnmacht und Nervenschock“, fügte Diether ernst hinzu.
„Ihr könnt euch auf uns verlassen. Davon werde ich nichts berichten“, entgegnete Urs.
„Sag mal, Mariele, warum seid ihr eigentlich noch nicht verheiratet?“, fragte Ulli neugierig.
„Wir durften nicht. Ich hätte einen Adeligen heiraten müssen, den ich nicht liebte und wollte. Wenn wir uns verehelicht hätten, wäre meine Apanage gestrichen worden. Das ist so testamentarisch festgelegt worden. Wir können erst heiraten, wenn ich ein Baby bekomme, einen Erben“, erklärte Marie-Theres ihrem Mündel.
„Nun, wenn das so ist, schade, dass ihr euch noch nicht vermählen dürft. Dann wünsche ich dir alsbald Nachwuchs. Wer weiß, wer weiß, gell, Diether? Sie sind so ein tolles Paar, ein ganz tolles Zweigespann“, meinte Ursula fröhlich. „Eigentlich habe ich einen Ersatzpapa und eine Ersatzmama in der Schweiz und daheim meine Mutz und Roland. Prima, das gibt’s nicht alle Tage, ich habe zwei Mütter und zwei Väter! Das hat nicht jedes Kind, ich bin reich gesegnet mit den besten Menschen der Welt!“
„Und wo bleibe ich?“, fragte Diether grinsend.
„Du bist mir das Allerliebste, das ich jetzt und für alle Zeiten lieben darf“, antwortete Ursula mit todernster Miene auf seine Frage. Daraufhin küsste Diether Uschi im Beisein von Patentante und ihrem Lebenspartner mitten auf den Mund.
„Prinzessin, du findest das in Ordnung mit uns zwei?“, fragte Urs aufgeregt.
„Selbstverständlich, ihr seid doch neben Diether, meiner Mutzi, Roland und Tante Clarissa die einzigen vernünftigen und liebevollen Menschen in meiner jetzigen Familie. Wenn ich da an den Rest der Familie von Hartenstein denke … igitt, igitt. Natürlich die von Krailburgs ausgenommen“, fügte Ulli hinter der Hand sprechend hinzu.
Diether musste über Ursulas Aussage lachen. Er kannte die Familie und die Verhältnisse bis jetzt ja noch nicht und konnte sich ob des heiteren Ausbruchs keinen Reim darauf machen. Was tut so ein Mensch, der mitten in eine Familiengeschichte hineinkomplimentiert wird? Er setzt sich ans Klavier und spielt querbeet, was ihm gerade so einfällt.
Die Baronin musste wegen des Klavierspiels lachen und meinte: „Lieber Diether, entschuldigen Sie bitte, dass wir Sie in eine brenzlige Angelegenheit einbezogen haben. Sie gehören ja demnächst mit zur Familie.“
„Was höre ich da, unsere Kleine hat sich verliebt, also war der Kuss eben keine Dankesbezeugung? Eher ein Liebesbeweis? Gratuliere, Prinzessin, hast einen guten Geschmack. Der Junge gefällt mir, sein Händedruck war fest und männlich, er liebt die Berge und die Natur und beide können sich an der Musik ergötzen. Was will unsere Kleine noch mehr? Dabei habe ich den jungen Mann wirklich als Botschaftssekretär eingeordnet“, erläuterte Urs. „Diether ist aber auch ein g’standenes Mannsbild dazu, was ich so gesehen und von ihm gehört habe.“
Diether war über das Lob des Leutnants rot geworden und er dachte bei sich: „Hat der eine gute Menschenkenntnis.“
„So, Marie-Theres, ich werde morgen früh zum Posten-Kommandanten gehen und ihm Bericht erstatten, und zwar nur das, was mir die beiden jungen Leute berichtet haben. Das Chalet steht ab sofort unter dem Hoheitsrecht der Deutschen Botschaft und wird ab morgen früh von der deutschen und der Schweizer Abteilung des Verfassungsschutzes betreut, bis wir die Bande dingfest gemacht haben. Wir vermuten, dass es kein Einzeltäter gewesen ist, sondern mehrere Verbrecher. Eine Bande, die zurzeit von sich reden macht, ist die Gruppe der schwarzen Kapuzen“, berichtete Urs der Botschaftsrätin.
„Oh mein Gott, Urs, was soll nun werden? Dann sind wir hier nicht mehr sicher. Nein! Dies kann ich den jungen Menschen gegenüber nicht mehr verantworten. Ursula und Diether sind mit mir hier in großer Gefahr“, sprach die Baronin aufgeregt.
„Ich weiß, was wir tun werden: Du und die beiden, ihr werdet mit dem Hubschrauber abgeholt und zu Fee von Bellheim ins Oberengadin gebracht. Auf der Straße besteht die Gefahr einer Verfolgung eurerseits. Am meisten noch mit deinem Carmann Ghia, da dein CD-Schild direkt ins Auge fällt. Diether, was haben Sie für einen Wagen?“, fragte Urs beiläufig.
„Mein PKW steht neben dem Auto der Baronin an der Talstation der Rigi-Luftseilbahn in Chräbel. Ich habe einen grünen Volvo mit dem Kennzeichen: W-40-U-18. Im Auto liegen meine Gitarre, Klettersachen, Rucksack, Pickel, Seil und die Bergschuhe“, erwiderte Diether beflissentlich.
„Beide PKW kommen in unsere Werkstatt und werden vorher auf Bomben und Wanzen untersucht“, erklärte Urs. „Packt bitte alle eure Sachen in einer Stunde zusammen. Dann kommt der Transporthubschrauber und bringt euch zur Gräfin von Bellheim. Rufe sie aber vorher an und sage ihr, warum du mit den jungen Leuten früher kommst als geplant, gell, Schatz“, sagte Urs zärtlich zur Baronin. Seufzend wollte sie die Nummer wählen. „Halt, stopp!“, rief Urs. „Lege bitte den Hörer auf.“ Erschrocken kam Mariele der Bitte nach. Der Leutnant hob den Telefonhörer mit zwei Fingern vorsichtig in die Höhe und drehte mit einem Schraubenzieher die Sprechmuschel und die Hördose auf. Dort erblickte er das, wonach er gesucht und dort vermutet hatte: eine Wanze!
„Urs, der Bundeskanzler hat Mariele angerufen, aber geklingelt hat das rote Telefon. In diesem Apparat kann ja dann keine Wanze sein“, meinte Ulli.
„Warum?“
„Weil der rote Fernsprecher in ihrem Schreibtisch stand. Der Dieb konnte gar nicht wissen, dass sie noch einen Telefonanschluss hat. Als es geläutet hat, und ich mit Dr. Adenauer gesprochen habe, holte ich es vorher aus der Schublade. Nach dem Anruf verstaute ich es wieder im gleichen Fach. Am Abend entfernte ich es aus der Lade und schloss den Schreibtisch ab. Dann habe ich es mit in die Schlafstube genommen und im Nachttischschränkchen verstaut“, meldete sich Uschi aufgeregt zu Wort.
„Bitte Urs, schau lieber nach, ob nicht doch etwas darin ist“, meinte Marie-Theres ganz erregt. Urs ließ sich nicht lange bitten und sah nach. Doch zum Glück fand sich kein Abhörgerät in der Sprechmuschel.
„Gut gemacht Mädel, du bist halt eine echte von Giebel, dein Papa wäre stolz auf dich, Kleines!“, sprach Urs zufrieden. Glücklicherweise hatte der Eindringling nur das normale Telefon verwanzt. „Einen Moment, ich untersuche noch den Sekretär nach diesen Dingern“, rief Urs aus dem Büro. Er nahm das mechanische Gerät, das für solche Fälle notwendig war, und durchsuchte damit das Möbelstück von innen und außen, inklusive Geheimfach. Diese Sonde war klein und höchst empfindlich, sie passte in jede noch so winzige Lücke. „Wenn eine dieser Abhörrosetten innen in dem Möbelstück gewesen wäre, würde die rote Lampe direkt angehen. Außerdem würde sich dieses winzige Etwas bemerkbar machen, indem es einen Signalton von sich geben würde“, erklärte der Leutnant und machte die Wanze unbrauchbar.
„Jetzt bin ich erleichtert und kann endlich mit Fee sprechen.“ Die Botschaftsrätin wählte vom roten Apparat aus die Nummer ihrer Freundin Felicitas in Sils-Maria.
„Ja, hier bei Gräfin von Bellheim“, meldete sich das Hausmädchen.
„Hallo, hier ist die Botschaftsrätin Baronin von Trostburg, ist meine Freundin zu sprechen?“
„Une petit moment, Monsieur Sutter“, erwiderte das Dienstmädchen.
„Hallo, voilà, Gräfin Bellheim! Wer spricht?“
„Hallo, ich bin’s, Marie-Theres.“
„Oh, Monsieur Sutter. Was gibt es? Wie steht es um den Verkauf des Châteaus in der Toskana, Monsieur. Die Dame wird höchstselbst vorbeischauen, ja! Ganz wunderbar, Monsieur Sutter! Au revoir.“
Mariele war steif vor Schrecken. „Urs, Fee hat die ganze Zeit Französisch gesprochen und mich mit deinem Namen angeredet und so getan, als ob du ein Schloss kaufen wolltest. Nun Schatz, wir müssen woanders hin! Man hat die Gräfin ausfindig gemacht. Es muss uns etwas anderes einfallen!“ Die Baronin verzweifelte fast.
„Jetzt müsst ihr eben auf meine Berghütte nach Pontresina ins Val Bernina.“
Ulli meldete sich zu Wort: „Meine Mutter hatte angerufen, und zwar über den normalen Fernsprecher. Sie hat die Gräfin erwähnt, weil wir dorthin fahren wollten. Daher wusste die Bande, wer Fee war.“
„Das macht jetzt gar nichts, die ärgern sich schwarz, wenn ihr nicht auf der Bildfläche erscheinen werdet. Wir haben ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht“, teilte Urs der Baronin mit.
Leutnant Sutter nahm sein Funkgerät aus der Hosentasche und steckte sein Hörkabel ins Ohr. Dann drückte er die Sprechtaste: „Code drei, Mannder, hört ihr mich? Bitte kommen!“
„Ja Chef?“
„Holt den Polizei-Heli ohne Emblem aus dem Hangar und fliegt ins Oberengadin nach Sils-Maria. Landet bitte auf dem Dach des Hotels Splendid. Die Penthouse-Wohnung gehört der Gräfin. Auf dem Dach verteilt ihr euch im Kreis. Sollte jemand bei ihr sein, erst durchchecken, dann herausholen und sie zur Berghütte bringen. Ab sofort gilt Alarmstufe drei und unser Geheimcode. Abflug sofort, sechs Mann bleiben hier auf der Rigi Scheidegg beim Chalet“, kommandierte Urs ins Funkgerät hinein. Minuten später hörte man den Heli wegfliegen.
Diether hatte mit stoischer Ruhe Chopin, Beethoven und Mozart gespielt. Dadurch hatte er das ganze Gespräch, welches Mariele mit der Gräfin geführt hatte, nur halb mitbekommen. Was Urs dann mit seiner Einheit besprochen hatte, ließ ihn aufmerksamer zuhören. Bald darauf bemerkte auch er den Abflug des Helis.
„So, meine Herrschaften, ihr packts jetzt eure Sachen, nehmt ein paar Pullover mit – die Jagdhütte liegt auf zweitausend Metern Höhe“, sprach Urs zu den dreien.
Diether war traurig geworden und stand von der Klavierbank auf. Unsicher meinte er zur Baronin: „Marie-Theres, nun muss ich mich sicher von Uschi und Ihnen verabschieden. Ich möchte bei der Aktion nicht stören.“
„Um Himmels willen, Diether, Sie bleiben natürlich, das ist doch keine Frage! Unterstehen Sie sich, mein Mündel jetzt zu verlassen! Ich habe Sie eingeladen, mit uns die Ferien hier zu verbringen, und dabei bleibt es auch. Selbstverständlich fliegen Sie mit uns ins Val Bernina. Die Berghütte von Urs liegt in der Nähe der Berninahäuser und jetzt hilft Ihnen, Ursula beim Packen.“ Diether wollte Einwände erheben ... „Keine Widerrede, oder wollen Sie Ihr junges Glück schon aufgeben, das gerade erst begonnen hat?“, wies ihn die Botschaftsrätin wohlwollend zurecht.
„Natürlich nicht, aber ich bin doch ein Fremder für euch alle“, meinte er ernsthaft.
Ulli hatte bis jetzt nur zugehört, doch nun ergriff sie energisch das Wort: „Du bist für mich kein Fremder, Diether! Du bist meine erste und einzige große Liebe und die wirst du immer für mich bleiben, verstanden, Liebster?“
„Bin ich das wirklich, Kleines?“, sagte er und nahm sie in den Arm.
„Ja, mein Großer, das bist du!“ Da beugte er sich zu Uschi herunter und küsste sie zärtlich auf den Mund.
„Also Junge, mache dich auf was gefasst, wenn du uns begleitest, ich meine natürlich die Bergwelt drum herum“, sagte Urs augenzwinkernd. „Nun, wir sind nicht von der Außenwelt abgeschnitten, da oben gibt es Strom und Wasser“, fügte er hinzu.
Uschi meinte darauf: „Stell dir vor, ein Klavier ist gleichfalls da, gell Urs?“
„Freili Madl, ihr könnt’s nach Herzenslust musizieren. Aber die Noten nicht vergessen, wir wollen doch auch unterhalten werden, gell Mariele!“
„Eben drum, es wäre doch schade gewesen, wenn Sie, Diether, schon wieder nach Wien zurückgekehrt wären – ohne euch richtig kennengelernt zu haben!“, sprach die Patentante lächelnd zu Diether und ihrem Mündel.
„Marsch, nun wird aber schnell gepackt, Ursula!“, rief ihr Urs zu.
„Kimm mit nach oben, wir packen schnell unsere Siebensachen, dies wird nicht lange dauern, wenn du mir sagst, welche Kleidung und Unterwäsche ich für dich einpacken soll“, meinte Ulli und zog ihren Freund an der Hand nach oben.
„Diether, da fällt mir ein, du hast doch deine Kletterutensilien noch im Auto?“
„Ja Schatz, das sind die Gitarre, Steigeisen, Seil, Bergschuhe, Kletterrucksack und Pickel.“
„Liebes Mariele“, wandte sich Uschi an ihre Tante, die mit hinaufgekommen war, um ihre eigenen Dinge einzupacken. „Kann denn von Urs Leuten nicht jemand diese Sachen aus dem Volvo holen?“
„Vielleicht können Ulli und ich bei schönem Wetter eine Tour in der Berninagruppe machen. Dazu brauche ich meine Kletterausrüstung, liebe Marie-Theres!“, ergänzte Diether.
„Gut Diether, dann werde ich Urs Bescheid geben, dass er diese Dinge heraufbringen lässt! Die Sicherheitskräfte werden dann alles in die Wege leiten und aus dem Auto besorgen“, antwortete Mariele und ging nach unten. Dort berichtete sie Urs, was Diether ihr wegen der Sachen mitgeteilt hatte.
Urs erwiderte ihr, dass dies keine Umstände mache und diese Utensilien mitgebracht würden. „Nur den Autoschlüssel müssten wir noch haben, gell Diether!“, meinte Urs so nebenbei.
„Entschuldigen Sie bitte, Herr Leutnant“, antwortete Diether und griff in seine Hosentasche. „Bitte sehr, die Wagenschlüssel.“
„Danke Diether!“ Urs nahm Mariele beiseite und sagte leise zu ihr: „Mach dir bitte keine Sorgen, Schatz, wir regeln das.“ Die Baronin war froh, dass alles wieder ins Lot kam.
Diether half Uschi noch, seinen Koffer zu verschließen. „So Diether, jetzt gehe ich in mein Stüberl und packe ebenfalls meine Sachen.“ Diether begleitete sie in ihre Suite und half Ulli beim Einpacken der Dinge, die sie für die Jagdhütte brauchte.
„Madl, ich habe eine Idee, welche Tour wir im Berninagebiet ausführen könnten, Kleines! Habe natürlich dabei an einen leichten Dreitausender gedacht, und zwar den Piz Languard. Oder sollen wir mit Urs den Biancograt am Piz Bernina ersteigen?“, meinte er grinsend. „Was meinst du dazu, Schatz? Du hast ja in deiner Bauerntruhe alles, was du brauchst: Steigeisen, Wanderschuhe, Reepschnüre, Kletterseil und Pickel!“
„Hast recht, Bub, dös werd i ganz bestimmt für diese Himmelsleiter brauchen. Dietherle, dös geht aber net, wenn die Bande noch net gefasst ist und noch frei herumläuft!“, antwortete sie aufgeregt.
„Oh jegerl, Schatz, du hast recht, mei, dös hab i jetzt fast vergessen!“
„Aber nichtsdestotrotz, ich werde die Kletterutensilien auf alle Fälle mitnehmen und stecke alles hier in den Rucksack.“
Die Baronin trat in Ullis offenes Stüberl. „Habt ihr alles fertig eingepackt?“
„Ja, Tante, wir haben alles erledigt“, sagten die zwei.
„Du nimmst deinen Rucksack mit, Ursula?“, fragte die Baronin.
„Ja, liebe Patentante, wenn sich die Gelegenheit ergibt, werden wir im Berninagebiet eine Tour gehen, vielleicht mit Urs“, entgegnete Ursula.
„Ich zittere jetzt schon, wenn ich nur an die Bergtour denke, die ihr vorhabt“, seufzte Marie-Theres.
Uschi hatte ihr Lodenkostüm angezogen, ihre Stiefel und eine Mütze. Diether war ebenso warm angezogen, beide stiegen nun mit der Baronin die Treppe hinunter. Jeder hatte seine Reiseutensilien in den Händen. Urs und Diether nahmen ihre sowie die Koffer und Rucksäcke der Damen und brachten sie zum Landrover. Alle stiegen ein und der Leutnant fuhr den breiten Forstweg vom Chalet Resi hinauf zum Plateau Rigi Scheidegg. Dort stand der Heli und wartete auf sie. Uerli, der Pilot, und der Bordfunker begrüßten die Ankömmlinge freundlich und halfen ihnen beim Einsteigen in den Helikopter. Diether, Uschi und Mariele nahmen ihre Plätze ein und schnallten sich an. Urs verabschiedete sich und verriegelte die Türe von außen. Dann lief er geduckt zum Jeep, weil sich die Rotorblätter in Bewegung setzten und der Heli in den nächtlichen Himmel aufstieg.
Uerli sprach ins Helm-Mikro: „Hello Air Base Chur-Calanda, we are ready for take-off. This is Helicopter 00 77 flying to the canton of Graubünden in Oberengadin. Roger and over.“
„Here Air Base Chur Calanda: Helicopter 00 77, you are ready for take-off. Your weather chart is as follows: strong westwardly winds and storm. Clear weather in the eastern region. Roger, over.“
„Thanks tower, good-bye. Roger, over!“ Der Hubschrauberpilot flog in Richtung Pontresina in das Val Bernina. Diether war neugierig und fragte den Bordfunker, warum der Hubschrauber nachts fliegen könne.
Der Bordmechaniker antwortete: „Junger Mann, wir haben Nachtsichtgeräte an Bord mit einer Infrarotkamera, deshalb ist ein Nachtflug möglich.“ Diether bedankte sich herzlich bei Uerlis Kollegen.
Ungefähr eine halbe Stunde später meldete sich die Air Base von Chur Calanda: „Hello Uerli, are you ready to land on the landing field?
„No, tower, we are going to land in Val Bernina on a square next to the mountain house. Roger, over.“
„That is allright with us. Roger, over!“
Nach einer Dreiviertelstunde sahen sie die Lichter von St. Moritz und Pontresina. Der Heli überflog kurz die Station der Diavolezza Bahn und setzte hinter Urs Jagdhütte die Kufen auf. Die Hütte war erleuchtet, ein Zeichen, dass die Männer des Heeres Wache hielten. Das beruhigte die Baronin ungemein, denn mit andern Worten: Angst brauchten sie nicht zu haben. Uerli und sein Kollege waren den dreien beim Aussteigen aus dem Heli behilflich. Die Piloten trugen das Gepäck. Urs Adjutant kam ihnen entgegen. Es war Klaus Andermatten, was für eine Beruhigung für alle!
Langsam gingen sie auf das Haus zu, da stürzte eine zierliche Gestalt aus der Türe. Es war die Gräfin von Bellheim und die stürmte auf die drei zu wie die Lava aus einem Vulkan. „Oh chérie, Marie-Theres, mon dieu, und meine kleine Ulli. Mit einem Begleiter?“
„Fee du! Mein Gott, wie geht’s dir? Ist dir auch nichts passiert?“, fragte die Baronin.
„Non, ma chère amie, mir geht’s gut und euch auch? Meine kleine Ulli, du hast deinen Freund mitgebracht, oh là là! Comme ci comme ça.“
Sie begaben sich alle zusammen ins Haus und Diether staunte über den großen Wohnraum. „Liebe Felicitas, darf ich dir unseren Feriengast und Freund von Ursula vorstellen: Diether Marchart aus Wien.“
Fee reichte Diether ihre kleine, zierliche Hand und er hauchte einen formvollendeten Handkuss darauf. Sie umarmte alle der Reihe nach. Bei Marie-Theres angekommen entschuldigte sie sich, dass sie ihre Freundin mit Monsieur Sutter angesprochen hatte. „Diese Typen an der Rezeption waren mir nicht geheuer, man weiß nie, wo die mithören. Die haben sich zu viel des Guten nach dir wegen des Überfalls in Afrika auf den Transporter von Unicef erkundigt und da habe ich dich mit Monsieur Sutter angesprochen!“
„Lass gut sein Fee, es war richtig so“, meinte Mariele dazu.
„Was haben sie dich gefragt, Fee?“
„Wann Monsieur Sutter benachrichtigt worden wäre und wie man die Botschaftsrätin informiert hätte und wie oft. Sie hätte mir doch bestimmt eine Nachricht hinterlassen! Und so weiter und so fort.“
„Und was hast du geantwortet?“, fragte die Baronin.
„Ich habe gesagt: Was für eine Botschaftsrätin? Und was hat der Leutnant Sutter mit ihr zu tun? Bei mir im Hotel war Monsieur Sutter in Urlaub, sonst kenne ich niemand mit diesem Namen, es war nur ein Gast. So habe ich es gesagt.“ Während die beiden Damen sich unterhielten, hatten Uschi und Diether mit Klaus Andermatten das Gepäck in den ersten Stock gebracht.
„Baronesse, Sie und Herr Marchart bekommen das Schlafstüberl in der Ecke mit dem Erker. Frau Baronin kommt zum Chef ins Zimmer und daneben liegt die Suite der Gräfin von Bellheim“, erklärte Klaus Andermatten.
„Baronesse, Sie sind dann quasi wieder in Ihrem alten Zimmer und können sich mit Ihrem Freund einrichten.“
„Danke Klaus, Sie sind sehr liebenswürdig.“
„Danke, Baronesse, Sie sind sehr nett.“ Klaus Andermatten begab sich wieder nach unten. Plötzlich piepste sein Funkgerät: „Klaus, hier ist Urs.“
„Ja Chef, ich höre!“
„Ist das Gepäck gut angekommen?“
„Sehr wohl, Chef!“
„Das höre ich gerne.“
„Bin auf dem Wege zu euch, wir überfliegen gerade St. Moritz. Sind die Leuchtfeuer noch an?“
„Selbstverständlich!“
„Das ist gut, bis gleich!“, sagte Urs.
Und da hörte man auch schon den Heli herannahen. Die beiden Damen unterbrachen ihre Unterhaltung und wunderten sich über den Heli, der gerade hinter dem Haus aufgesetzt hatte. Einige Minuten danach stand Urs in der Wohnzimmertüre. Marie-Theres sprang auf und flog ihrem Mann an den Hals.
„Weiberl, Weiberl! War es so arg ohne mich?“ Sie schluchzte kurz auf und er küsste sie zärtlich.
„Wunderbar, dass du schon früher gekommen bist, die beiden Turteltauben sind oben und packen ihre Koffer aus“, berichtete Mariele. „Du, die Fee hat mir da so einiges erzählt. Sie hat aus Sicherheitsgründen so getan, als ob sie mich nicht kennen würde.“
„Haben die Typen der Fee geglaubt?“
„Vielleicht, Urs, ich weiß es nicht. Nach dieser Auskunft sind sie mit einem schwarzen Mercedes abgefahren.“ Fee hatte den letzten Satz gehört, als sie in den Salon eintrat und beantwortete Urs Frage. Darum meinte er zu seiner Frau: „Liebes, du kannst mir gleich alles in unserem Zimmer erzählen, dann kann ich mir ein Bild von dem Ganzen machen.“ Damit war die Baronin einverstanden.
In der Zwischenzeit betraten Ulli und Diether das Erkerstübchen. Sie schlossen die Türe des Kleiderschrankes auf, damit sie ihre Garderobe beim Auspacken direkt hineinhängen konnten. Als diese Arbeit erledigt war, meinte Uschi mit froher Miene: „Schau, Diether, was wir hier für einen herrlichen Blick aus dem Fenster haben. Man sieht genau auf die Bergstation der Diavolezza und den Piz Palü.“
Diether war begeistert von diesem grandiosen Ausblick. „Von hier aus wirken die drei Pfeiler des Eisriesen Piz Palü noch wuchtiger, als direkt davor“, erkannte er.
„Großer, du schläfst am besten in dem andern Bett an der gegenüberliegenden Wand unter dem Fenster. Sonst …“ Uschi musste lachen. „Sonst kommen dir bei der Schlafcouch am Ende die Quadratlatschen unter der Decke hervor.“
Diether begutachtete den Diwan und nickte mit dem Kopf. „Du hast recht, Kleines.“ Er musste über die Vorstellung lachen, dass tatsächlich seine großen Füße herausragen würden. „Das macht aber gar nichts, zum Kuscheln abends ist die Bettcouch groß genug, gell Schatzele?“
„Ja mei, dann passt’s auch mit deine großen Hatscher“, grinste Ulli. Sie packten noch den Rest der Wäsche in die Bauernkommode und dann waren sie mit dem Auspacken ihrer ganzen Garderobe fertig. Uschi legte die Pyjamas für beide auf die Betten und erklärte Diether noch, wo die Bäder des Hauses waren. Sie nahm ihn bei der Hand und führte ihn in den Flur. „Siehst, Burli, die erste Türe ist fürs Bübele, die andere fürs Mädele und die dritte ist das große Bad. Dort sind eine Badewanne, Dusche, Bidet und ein Whirlpool drin. In den kleineren Bädern ist jeweils nur eine Dusche vorhanden, host mi?“
„Ja, Schwester Uschi, habe alles verstanden, danke.“ Er musste selbst darüber lachen, er wusste jetzt, was kam.
„Küss die Hand, Herr Hofrat, pardon, der Herr“, witzelte Uschi. Sie lachte mit Diether im Duett und schloss schmunzelnd die Badtür hinter sich zu.
Es ging auf 23 Uhr zu. Unten im Parterre wurde es ruhig, nur der Fernseher lief noch. Urs schaute sich gerade die Nachrichten an. Die Baronin und die Gräfin hatten sich schon zur Ruhe begeben. Uschi und Diether hatten es sich im Erkerzimmer gemütlich gemacht. Diether ging noch für kleine Buben und in der Zeit kleidete sich Ulla für die Nacht um.
Ursula wollte gerade die Fensterläden im Erker schließen, als sie an der Bergstation der Diavolezza merkwürdige schwarze Gestalten herumhuschen sah, und immerfort schaltete sich ein Licht an und aus. „Komisch“, dachte sie bei sich. Der Wachmann Uli Keller hat seinen freien Tag an der Station, wieso ist denn da heute Licht?“ Schnell knipste sie die Nachttischleuchte aus, verließ still ihr Zimmer, rutschte das Treppengeländer hinunter und rief leise nach Urs. Dieser saß noch vor dem Fernseher. „Urs“, rief sie ganz atemlos. „An der Bergstation laufen schwarz gekleidete Leute herum und es schaltet sich jedes Mal eine Lampe an und aus. Der Uli hat doch seinen freien Abend. Hast du gesagt. Wer könnte das dort oben sein?“
„Uschi, wo sagst du? An der Seilbahn?“ Er ging mit hinauf in Uschis Appartement und schaute vorsichtig durchs Fenster, welches Ulli nicht geschlossen hatte. „Verdammt!“, sagte Urs, nahm sein Funkgerät aus der Hosentasche und meldete sich bei seinen Männern mit dem Geheimcode, den alle Sicherheitskräfte verstanden. „Zugriff!“ Er hatte das Wort noch nicht ganz ausgesprochen, da stieg urplötzlich der Heli auf und flog zur Bergstation am Fuße des Persgletschers. Der Helikopter hatte Tränengaspatronen an Bord und der Pilot warf diese ab. Die Gestalten flohen in die Station der Bahn, wo Urs Sutters Crew auf sie wartete. Alle wurden gleich verhaftet und ab ging’s in die Kabinenbahn, die leise vibrierend zu Tale schwebte. Dort nahm sie die Kantonspolizei in Empfang. Die Kapuzenbande hatte wohl nicht mit der Schnelligkeit des Abschirmdienstes der Schweiz gerechnet. Die Bande war regelrecht überrumpelt worden.