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Die Suche nach dem Kapuzenmann

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Leutnant Urs Sutter hielt mit ein paar Heeresangehörigen in seinem Arbeitszimmer eine Besprechung ab. „Klaus, weiß du nicht, in welche Richtung er in den Bergen verschwunden sein könnte?“, fragte ein anwesender Kollege.

„Nein Kurt, wir wissen nicht, ob er überhaupt über die Grenze flüchten will! Dieses Individuum ist mit großer Wahrscheinlichkeit noch in der Schweiz, vermutlich will er über die einfachste Ecke ganz gemütlich nach Italien abhauen“, vermutete Klaus Andermatten.

„Zwei meiner Männer sind mit Bergsteigerausrüstung hinter ihm her und wollen ihn weiter in die Berge hineintreiben. Da er wahrscheinlich keine Ahnung hat und keinerlei Ausrüstung bei sich führt, wird er nicht weit kommen. Aber es wäre natürlich auch möglich, dass er irgendwo eine Kletterausrüstung deponiert hat. Aber Genaueres darüber ist uns nicht bekannt“, berichtete der Unteroffizier.

Kollege Uli meldete sich ebenfalls zu Wort: „Urs, wir gehen davon aus, dass er zum Gipfel des Piz Palü unterwegs ist, er wird versuchen, dort über die Grenze zu kommen. Wenn er dem Palü zusteuert, will er mit Sicherheit zum Bivacco del Sasso. Und dann ist er in Italien. Uns bleibt nichts anders übrig, als den Grenzposten in Poschiavo anzufunken und der wird mit Sicherheit eine Patrouille hinaufschicken, aber wann wird dies sein? Der Gangster ist dann längst über alle Berge und wir haben das Nachsehen.“

„Wenn er keine Kletterutensilien bei sich hat, wird er nicht weit kommen“, überlegte Urs. „Was meinst du, Diether?“

„Ich bin ganz Ihrer Meinung, aber da sind noch zwei Hütten, und zwar am Piz Sella das Rifugio Marco e Rosa, das liegt unterhalb der Fuorcla Crast d’Agüzza. Wer aber die Berninagruppe nicht kennt, der kommt nicht weit. Der Piz Palü ist ein Eispanzer. Sollte er zum Bivacco kommen, muss er über drei Gipfel: Piz d’Arlas, Piz Cambrena und dann zum Piz Palü. An der hinteren Gratschneide muss er wieder hinunter zum Sasso Rosso. Das alles ist ohne Steigeisen, Pickel, und Seil nicht zu bewältigen, ich weiß, wovon ich rede.“

„Diether hat recht. Ohne Pickel, ohne Steigeisen geht über die drei Eispfeiler gar nichts“, bestärkte Urs Diethers Ausführungen.

Klaus Andermatten hatte eine Idee. „Urs, funke doch gleich unauffällig unsere Leute an und frage sie, wo sie im Moment Posten bezogen haben. Vor allen Dingen den Posten aus Poschiavo. Allen Bescheid sagen, einen Heli dorthin schicken und ihn einkreisen. Aber der Helikopter muss von der Air Base Pontresina abfliegen oder von Tirano über das Puschlavtal. So kann man ihn umzingeln. Was hältst du von dem Vorschlag?“

„Das ist kein schlechter Plan. Gut, dann sollen die Leute weitersuchen und ich werde Order geben“, sagte Urs. Der Befehl des Leutnants wurde einstimmig angenommen und weitergereicht.

Uschi und Diether wussten, dass sie noch einmal davongekommen waren. Sie hatten sich zu früh in die Berge gewagt, denn dass einer von dieser Kapuzenbande noch frei herumlief, hatten sie nicht gewusst und Urs auch nicht. Hoffentlich würden Urs Soldaten den Terroristen bald schnappen.

Die beiden setzten sich zu Fee und Mariele in den Wintergarten. „Mon dieu, ma chérie, ich bin ja so froh, meine Kleine, dass euch nichts geschehen ist“, frohlockte Gräfin Bellheim.

Marie-Theres sprach Diether freundlich an: „Diether, würden Sie für uns musizieren?“

„Natürlich, das ist doch selbstverständlich, kimm Ulli, wir spielen und singen was für die beiden Damen.“ Er setzte sich ans Klavier.

Uschi holte die Noten heraus und meinte dazu: „Das ist eigentlich ein Chorstück aus der Oper Cavalleria rusticana von Mascagni. Lasset uns preisen den Namen des Herrn, lasset uns preisen den Herrn, lasset uns preisen den Herrn, lasset uns preisen den Namen des Herrn, Halleluja!“

Die beiden Freundinnen waren mucksmäuschenstill, man hätte eine Stecknadel fallen hören können, so leise war es im Musikzimmer. Diether streckte seinen linken Arm aus, umfasste Uschi und drückte sie auf die Klavierbank nieder, um ihr einen Kuss zu geben.

„Den Kuss hast du jetzt verdient, Ursula“, ließ sich Mariele leise vernehmen.

„Oh meine Kleine, du singst göttlich, magst du noch etwas zu Gehör bringen, ma chère?“, erkundigte sich die Gräfin.

„Das sollte uns nicht schwerfallen, was meinst du, Diether? Schubert?“, schlug Uschi vor.

„Na klar! Sing doch jetzt das Ave Maria, das passt.“ Nach diesen Worten spielte er ein paar Takte vor und Uschi begann: „Ave Maria, Jungfrau mild, erhöre einer Jungfrau Flehen. Aus diesem Felsen starr und wild, soll mein Gebet zu dir hinwehen. Wir schlafen sicher bis zum Morgen, ob Menschen noch so grausam sind. Oh Jungfrau, sieh der Jungfrau Sorgen, oh Mutter, hör ein bittend Kind! Ave Maria.“ Ulli sang alle drei Strophen des Liedes.

Nach ihrem wunderbaren Gesang wurde es still. Marie-Theres und Fee saßen ganz in sich gekehrt auf der Couch. Wehmut schlich sich ins Herz der Baronin und Diether sprach aus, was alle drei bei diesem Singen gedacht hatten: „Warum kann eine Braut, wenn sie gut bei Stimme ist, diese ergreifende Weise bei ihrer Hochzeit in der Kirche nicht selbst singen?“

„Ja“, flüsterte Marie-Theres, „es wäre ein Gebet an die Gottesmutter Maria, gell Fee!“

„Du hast recht, ma chère. Compris, mon amour?“, betonte Felicitas diesen Gedanken.

„Liebe Patentante, solltest du in den nächsten zwei Jahren heiraten, werde ich dieses Lied in der Kirche von Sils-Maria singen, das heißt, wenn du nicht irgendwo anders heiraten willst. Wie wäre es denn mit der Wieskirch im Allgäu? Ich verspreche dir, dass ich dort auch singen würde oder im Chiemgau hoch oben über dem Chiemsee in der Kapelle von Maria Eck, Mariele? Dieser Plan wäre die Krönung, gell Diether? Es wäre für die Gäste nicht so weit und feiern könntest du bei Tante Clarissa im Waldschlössel.“

„Ach, Ursula, du hast mir jetzt aus der Seele gesprochen. Wenn dies wahr würde, wäre das für Urs und mich ein großes Geschenk an uns beide. Aber wie soll ich denn so schnell in andere Umstände kommen, damit wir endlich heiraten dürfen?“, sprach Mariele voller Trauer aus.

„Liebe Patentante! Lass den Kopf nicht hängen, es ist nicht aller Tage Abend und … wer weiß, wer weiß!“ Dabei schaute Ursula ihre Patentante sinnierend an.

Mariele sah Ullis Blick auf sich ruhen. „Sie hat doch nicht wieder geträumt?“, dachte die Baronin bei sich. „Aber bei meinem Mündel und der Großtante Clarissa ist alles möglich.“

Nach dieser Denkpause meinte Diether leise: „Kimm Kleines, du musst was Lustiges singen, sonst fangen die beiden Hübschen dort im Sessel an zu weinen.“

„Weißt was, Burli, wir singen jetzt einfach unsere schönen Berglieder. Warte, ich hole die Gitarre von Urs.“ Sprach es, huschte ins Arbeitszimmer, nahm die Gitarre von der Wand und kam zurück in den Wintergarten. „Hier, Diether, du spielst ja sicher auch dieses Instrument, wenn du ein Cello streichen und mit den Fingern der andern Hand die Saiten drücken kannst, dann schaffst du das auch bei einer Klampfe“, äußerte sich Ulli zufrieden und musste über seinen verblüfften Gesichtsausdruck laut lachen.

„Maidli, du verwirrst mich total, ich bin sprachlos über deine Art, die Dinge so zu sehen, wie sie sind. Nun, ich spiele tatsächlich dieses Instrument, reiche es mir bitte herüber, dann wird gezupft“, lachte Diether. Doch plötzlich stutzte er und legte den Finger auf den Mund, er deutete mit dem Daumen zum Haus hin. Jetzt hörte Uschi es auch. Die Geräusche … sie kamen aus Urs Büro.

Ursula schloss leise die Türe vom Wintergarten und wandte sich an die beiden Freundinnen, die in einer Ecke saßen: „Marie-Theres, wo ist Urs? Ist er im Hallenbad unter dem Wintergarten?“ Denn auf der Berghütte von Urs gab es solch ein Kleinod auch. Die so Angesprochene zuckte merklich zusammen. Sie wusste, wenn Ursula sie mit vollem Namen ansprach, war Gefahr im Anzug. Heiser sagte sie, dass Urs dort wäre. Uschi flitzte aus der Seitentüre des Wintergartens nach draußen und lief zum Eingang des Schwimmbades. Aufgeregt öffnete sie die Pforte und rief leise: „Urs, wo bist du?“

„Hier in der Umkleidekabine, Kleines. Einen Moment, bin direkt angezogen.“ Er trat in Uniform heraus. „Was gibt’s, mein Schätzchen?“, fragte Urs.

„In deinem Arbeitszimmer ist ein ungebetener Gast. Mei, Urs, i hab deine Gitarre herausgeholt und hab – Gott steh mir bei – nicht hinter die Türe geschaut. Zum Glück vielleicht, sonst hätte mich der Einbrecher womöglich gesehen.“

„Warum? Meinst du, dass wirklich jemand in meinem Zimmer ist?“

„Diether hat Geräusche gehört und ich bin direkt zu dir geflitzt.“

„Dös hast du gut gemacht, Prinzessin, bischt a tapferes Maidli.“ Urs wandte sich zur Kellertüre im Schwimmbad. Diese führte ins Innere des Hauses. Mit der Dienstwaffe im Anschlag stieg er vorsichtig die Treppe empor, immer darauf bedacht, kein Geräusch zu machen. Ruhig und gelassen öffnete er die Türe, die zur Diele führte. Da hörte er den Krach, der aus seinem Dienstzimmer kam. Geduckt schlich er zur halb offenen Tür des Raumes und sah die schwarze Kapuzengestalt, die ihm den Rücken zukehrte, in gebückter Haltung an seinem Büroschrank stehen. Urs pirschte sich leise heran und drückte dem Fremden den Revolver in den Rücken. Der wollte sich noch herumwerfen, aber der Leutnant war schneller und mit seiner 1,90 Meter großen und 80 Kilogramm schweren Gestalt außerdem im Nahkampf ausgebildet. Da er die Uniform anhatte, waren in seiner Jacke auch Handschellen. Diese legte er dem Gangster an. „So Bürschel, du kommst mir nicht raus.“ Er riss ihn zu sich herum und schaute in sein vermummtes Gesicht, in dem nur die Augen zu sehen waren. Urs drückte ihn auf den Lehnstuhl nieder und fesselte ihn zusätzlich mit Stricken an den Sessel. Er vergaß auch nicht die Füße des Eindringlings. Eilig nahm er sein Funktelefon aus der Jackentasche und rief nach Klaus Andermatten. Der Kollege war im Garten und trat daraufhin ins Haus ein. Urs hatte ihn mit einem Geheimcode angefunkt, der hieß Alarmstufe drei. Andermatten stürmte ins Allerheiligste seines Chefs und sah den Verbrecher festgebunden auf dem Bürosessel sitzend, während der Leutnant ihn in Schach hielt.

„Herr Leutnant, haben Sie ihn gefragt, was er gesucht hat?“ Den Satz sprach er natürlich in Schwyzerdütsch, damit der Gefangene ihn nicht verstand.

Urs erwiderte die Frage seines Adjutanten mit Nein, da der Einbrecher keinen Laut von sich gab. „Hello! Mr Nobody! What are you doing here? Who are you, Mister?“, fragte Klaus. Statt einer Antwort spuckte der Mann aus. Da nahm der Leutnant sein Funkgerät und sprach: „Delta zero, zero seventyseven one two zero XXDelta four zero, zero two une deux trois. Roger. Coming, please.”

„Here roger! Lütt uff Poschiavo han lueget uff di Berg. Urs, se san uffs Hüttli ganget, roger, over“, ertönte auf Schwyzerdütsch der Geheimcode II von seinen Soldaten. Ein paar Minuten später hörte man den Heli kommen. Uerli, der Pilot, klopfte an die Türe der Berghütte. Der Helikopter stand auf dem Plateau hinter dem Jagdhaus. Leutnant Sutter erschien mit seinem Adjutanten im Türrahmen, zwischen sich schleiften sie den Verbrecher an den Fesseln zum Hubschrauber. Auf dem Weg zum Heli ging Uerli hinter den dreien her. Doch plötzlich wollte der Gangster, der mittlerweile wieder auf die Füße gekommen war, zur Seite springen, als er den Abhang sah. Doch der Pilot, der in Karate ausgebildet war, konnte dies verhindern. Ein Schlag – blitzschnell geführt – da stürzte der Kapuzenmann zu Boden. Die drei Männer packten den Einbrecher und verfrachteten ihn in den Hubschrauber. Im Heli wurde er an Händen und Füßen zusätzlich gefesselt, damit er im Innern der Maschine nichts anstellen konnte. Andermatten setzte sich neben ihn und schnallte sich und den Gefangenen an. Uerli drückte den Startknopf des Heli und die Rotorblätter setzten sich in Bewegung. Der Pilot stieg direkt höher und drehte eine Kurve, nahm Kurs auf St. Moritz, um weiter zur Air Base nach Chur Calanda zu fliegen. Nun meldete sich Uerli über den Bordfunk: „This is Delta 00 77, we are approaching for landing on runway, roger.“

„This is the control tower of Chur Calanda: What’s your mission? Roger.“

„This is 00 77, we are flying to our Air Base transporting a prisoner. This man is a criminal.“

„This is the tower of Chur Calanda; you can land on the helicopter landing field, roger, over.“

„Thank you tower, we will land within ten minutes, roger, over.“

In der Zeit des Anfluges waren die Spezialisten des Schweizer Bundesheeres mit Maschinenpistolen im Anschlag am Heli-Landeplatz eingetroffen. Uerli setzte den Helikopter akkurat in dem vorgeschriebenen Rondell auf. Oberst Zurbriggen öffnete die Türe und nahm den Verbrecher mit seinen Soldaten in Empfang. Dann wurde er in ein bereitstehendes Panzerfahrzeug gesetzt und ab ging die Fahrt nach Bern. Klaus Andermatten und Uerli hatten ihren Dienst zu Ende geführt und starteten erneut.

Uerli funkte abermals und bekam die Erlaubnis, wieder zur Bergstation zurückzufliegen. Unterwegs meldete er sich noch einmal bei der Air Base in Pontresina und bekam grünes Licht für die Landung im Oberengadin.

Unerfüllte Träume einer jungen Liebe

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