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Kapitel 5

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Die Qualität des Bildes war schlecht. Als Karo aufgezählt hatte, was der neugegründeten Einheit bis jetzt zur Verfügung stand – Wasseranschluss, W-Lan und so weiter – hatte sie wohl vergessen, den Drucker zu erwähnen, der aber offenbar aus dem vorherigen Jahrhundert stammte. „Tut mir Leid, aber damit müssen Sie zunächst mal vorlieb nehmen. Die Abzüge des Fotografen kommen erst morgen“, sagte Karo. Nordhäuser beugte sich über das Bild. Da lag jemand, eine Frau, wie es aussah, in einem blauen Kleid, auf einem weißen Laken, offensichtlich im Wald. Er studierte die Details einige Minuten lang, ohne dabei etwas Interessantes zu entdecken. Dann sah er auf und Karo direkt in die Augen. „Nicht viel zu erkennen“, sagte er. „Wie ist sie ermordet worden?“

Auf Karos Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. „Wer spricht von Mord?“, sagte sie. „Diese Frau hat sich selbst umgebracht. Klarer Fall von Suizid.“

Nordhäuser spürte, wie sich sein Mund öffnete und wieder schloss. Eine mechanische Bewegung, die nicht mehr seiner Kontrolle oblag. Was sollte das sein? Eine Art Test? Wollte Karo ihn irgendwie vorführen? Er wusste, dass er diesen Job Karo und nur Karo verdankte. Natürlich, nach der Sache mit der guten Hilde war er ein paar Mal in beratender Funktion angefragt worden; er hatte Gutachten fürs Gericht angefertigt, in Freiburg und Frankfurt; einige Male hatte er beim BKA in Wiesbaden bei operativen Fallanalysen mitgearbeitet, sich Videos angesehen und wissenschaftliche Auswertungen und Diagnosen zusammengefasst, also sozusagen alles ins Deutsche übersetzt. Vor jedem Fall hatte er ein halbes Dutzend Erklärungen unterschreiben müssen, dann war er einem Ermittler zugeteilt worden, meist nur für ein oder zwei Tage, und dabei war er immer nur eine Nebenfigur und für die Ermittler einer von Draußen gewesen. Aber das sollte hier ja anders werden! Weil Karo es so gewollt hatte. Weil sie ihn für einen Jäger hielt! Waren ihr nun plötzlich Zweifel gekommen? Führte sie ihn etwa mit einer Finte aufs Eis und wollte ihn einbrechen sehen – bloß weil er sich ein wenig verspätet hatte?

Er starrte das Bild noch mal an. Eine tote Frau auf einem großen Laken im Wald, Tod durch Selbsttötung. Das war also alles. Doch sich selbst umzubringen konnte allenfalls als Sünde gelten, ein Verbrechen war es allerdings nicht. Er zwang sich zur Ruhe und atmete tief ein und aus. „Okay. Ein Selbstmord also. Traurig, sehr traurig, aber so etwas kommt eben vor. Vor allem“, fügte er mit einem schalen Lächeln hinzu, „wenn man keinen guten Psychologen gehabt hat. Oder überhaupt keinen. Aber das ist nicht unser Problem, oder? Selbstmord ist kein Fall für eine Mordkommission, sondern für die Hinterbliebenenbetreuung.“ Er schob das Foto über den Tisch wieder zu Karo. „Was also ist unser Fall?“

Sie schob das Foto zu ihm zurück. „Die Selbsttötung ist unser Fall“, sagte sie und lächelte wieder. „Diese Frau“, sie tippte mit ihren dunkelrot lackierten Fingernägeln auf das unscharfe blaue Etwas, „wurde tot im Wald aufgefunden. Die Kollegen von Eins bis Elf haben temporäre Teams gebildet und ihre Untersuchungen heute Nachmittag abgeschlossen. Schlaftabletten und Alkohol. Ziemlich eindeutig Suizid. Aber eben nicht dort.“ Sie tippte jetzt auf die undeutlichen grünen Umrisse, vor denen die Tote lag. „Nicht in diesem Wald. Sondern in ihrer Wohnung.“ Nordhäuser setzte sich auf. Seine Brust juckte. Er kratzte sich. Als er Karos Blick bemerkte, ließ er die Hand sinken. „Was willst du damit sagen?“, fragte er. „Sie hat sich in ihrer Wohnung umgebracht und dann ...“ Er führte den Satz nicht zu Ende. Karo nickte. „Dann ist die Leiche vom Totenbett auferstanden – in ihrem Fall war es wohl eine Art Couch – hat sich hübsch zurecht gemacht und ist von ihrer Wohnung aus quer durch Berlin zu dieser lauschigen kleinen Waldlichtung gewandert. Dort hat sie ein frisches Bettlaken ausgebreitet und sich darauf endgültig zur Ruhe gebettet. Übrigens mit gefalteten Händen und ein Bein hübsch neben das andere gelegt.“ Unwillkürlich zog Nordhäuser das Foto noch einmal näher an sich heran und versuchte, die gefalteten Hände zu erkennen. Wieder stieg ihm sein eigener Schweißgeruch in die Nase. Wenn man sich selber riecht, dachte er, ist eigentlich schon alles zu spät. Außerdem hatte er Hunger und sehnte sich nach einem kalten Bier. „Du meinst, dass sie irgendjemand aus ihrer Wohnung in den Wald gebracht und sie dort so drapiert hat?“, sagte er und sah wieder Karo an. Ihr Grinsen hatte etwas Arrogantes, fand er. Wahrscheinlich wollte sie ihm damit zu verstehen geben, dass er etwas übersah, etwas Augenscheinliches, etwas, was die große Karo an seiner Stelle schon längst erkannt und richtig eingeordnet hätte. Unter anderen Umständen hätte ihr bescheuertes Grinsen vielleicht sogar seinen Ehrgeiz geweckt. Jetzt allerdings reizte es nur seinen Zorn. Er war müde und wollte hier raus. „Und wenn es so war ... so what?“, fragte er gereizt. „Was wäre das? Leichenschändung? Störung der Totenruhe? Warum sollte ich deswegen in Freiburg alles stehen und liegen lassen und auf der Stelle zu dir rüber fliegen?“

„Du fliegst nicht“, erinnerte sie ihn süffisant und betonte auch noch das Du.

Er stand auf. „Wissen Sie was, Frau Bartels“, sagte er – und auch das war jetzt ein weiter Weg gewesen vom Du in Wiesbaden bis zu Frau Bartels, aber er hatte die Schnauze voll, „ich nehm mir jetzt ein Hotelzimmer und hau mich erst mal aufs Ohr. Morgen kann ich dann gern weiter Rätselraten mit Ihnen spielen.“

„Setzen Sie sich“, forderte Karo ihn barsch auf und schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte. Zu seinem Ärger zuckte er zusammen. Aber er setzte sich nicht. Er kochte. Wenn er nur an das Chaos in seiner Freiburger Wohnung dachte, wurde ihm schlecht. Und wieso sollte er hier bleiben? Um Spielchen zu spielen? Er ging an ihr vorbei durch die offenstehende linke Glastür und trat auf den Balkon hinaus, eine schmale mit einem gold-weißen Geländer versehene Plattform, die einmal um den ganzen Turm führte. Das lange, gerade Band der Karl-Marx-Allee, an deren Ende der Alexanderplatz lag. Die Sonne war grade untergegangen, ein leichter Wind wehte, der ihm kühl vorkam. Um die silberne Kugel des Fernsehturms hingen ein paar rosafarbene Wolken an einem schon eher dunkelblauen Himmel. Nordhäuser fischte eine reichlich zerdrückte Zigarettenschachtel aus der Hosentasche und zündete sich eine an. Er inhalierte tief und spürte das Nikotin warm durch seinen Körper strömen. Im Konferenzraum hinter sich hörte er Karo mit ihren Unterlagen rascheln. Er stieß den Rauch durch die Nase aus.

„Wer“, fragte er, ohne sich umzudrehen, „wer hat sie in den Wald gebracht? Ihr Mann? Ein Freund? Ein Familienangehöriger? Er findet sie – tot – und ... kann es vielleicht irgendeine Art von Bestattung sein?“ Er war nicht sicher gewesen, ob Karo ihn überhaupt hören konnte, aber sie antwortete prompt: „Es gibt tatsächlich Kulturen, die ihre Toten nicht wie wir unter die Erde bringen. Im Gegenteil. Sie setzen sie bewusst den Naturgewalten und irgendwelchen Aasgeiern aus und kommen regelmäßig nachschauen, wie weit die Verwesung vorangeschritten ist. Kaum zu glauben, oder? Aber wahr. Allerdings habe ich meine Zweifel, dass das auf unseren Fall zutrifft. Davon abgesehen haben wir bisher keine näheren Angehörigen ermitteln können. Die Mutter ist früh verstorben, der Vater unbekannt. Auch einen Freund oder Ehemann gibt es nicht. Die Frau war erst 27 Jahre alt und von Beruf Verkäuferin. Zuletzt hat sie in einem Drogeriemarkt gearbeitet, der insolvent gegangen ist. Nach dem Verlust ihrer Arbeit hat sie sehr zurückgezogen, beinahe isoliert gelebt.“ Mit jedem Wort war Karos Stimme etwas näher gekommen, und als er sich jetzt umschaute, sah er sie in der offenen Balkontür lehnen.

„Was ist mit – wie sagt man heute dazu? – virtuellen Freunden? Hat sie viel im Internet gesurft? Was ist mit Facebook und Co.?“

Karo zuckte mit den Schultern. „Ein Internetzugang war vorhanden, auch einen Computer hatte sie. Da sind wir noch dran. Allerdings ist es eine uralte Kiste, und der Schreibtisch, auf dem er stand, sah nicht aus, als wäre er oft benutzt worden.“

Nordhäuser schloss kurz die Augen. Dann fragte er: „Derjenige, der sie gefunden und in den Wald gebracht hat – wie ist er in ihre Wohnung gekommen?“

„Das wissen wir nicht. Es gibt keine Spuren eines gewaltsamen Eindringens.“

„Also hatte er einen Schlüssel?“

„Er oder sie. Oder die Frau hat ihn oder sie selber herein gelassen.“

„Dann hätte er – oder sie – womöglich tatenlos zugesehen, wie sie Selbstmord beging? Gibt es irgendwelche Hinweise darauf, dass das Opfer in seinen letzten Stunden nicht allein in der Wohnung war?“

Karo schüttelte müde den Kopf. „Überhaupt keine. Alle Spuren und Indizien deuten bisher darauf hin, dass sie alleine war, als sie Suizid beging. Der Täter oder die Täterin ist erst danach gekommen, hat die Leiche gewaschen, frisch eingekleidet und in den Wald gebracht.“ Nordhäuser schnippte die Zigarette über das Geländer. Ob er wohl von hier oben das kurze Aufglühen sehen könnte, wenn sie den Boden erreichte? Er beugte sich vor. Nichts zu sehen. Zu tief, zu dunkel. Er zündete sich eine zweite Zigarette an. Karo seufzte. „Das ist alles nicht uninteressant“, sagte Nordhäuser. „Trotzdem verstehe ich immer noch nicht ganz, was wir eigentlich damit zu tun haben. Ich meine, wenn es eindeutig Suizid war.“

„Ja, so sieht es aus. Und auch Leichenschändung konnten wir ausschließen. Dennoch: Irgendetwas stimmt da nicht. Ich meine: Warum ist die Leiche gewaschen worden? Warum wurde sie neu eingekleidet? Warum hat man sie in den Wald gebracht und so drapiert? Das sieht doch nach Planung aus. Ich habe ein ganz schlechtes Gefühl bei der Sache. Ich fürchte ...“ Sie brach plötzlich ab, schlug die Augen nieder und fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund, eine Geste, die sie auf eine rührende Weise erschöpft und hilflos aussehen ließ. Lass dich bloß nicht täuschen, ermahnte Nordhäuser sich im Stillen, diese Frau ist aus Granit, an der wirst du dir noch die Zähne ausbeißen. Trotzdem konnte er nicht umhin sich einzugestehen, dass der Ausdruck ihrer Hilflosigkeit – oder war es Ratlosigkeit? – ihn rührte. Sie räusperte sich. „Vielleicht irre ich mich. Vielleicht reagiere ich über. Deswegen will ich, dass Sie unvoreingenommen an die Sache herangehen“, sagte sie. „Ich habe Ihnen alles, was wir bisher haben, kopiert. Nehmen Sie das ganze Zeug mit und lesen Sie es sich in Ruhe durch. Und dann sehen wir uns morgen früh zusammen den Fundort der Leiche an.“

Nordhäuser konnte förmlich spüren, wie sie hinzufügen wollte: „Eigentlich hätten wir das schon heute tun sollen.“ Doch irgendetwas hatte sich in den letzten Minuten zwischen ihnen verändert.

„Morgen früh also. Und dann sagen Sie mir, was Sie denken. Treffen wir uns um 9 Uhr hier im Turm. In Ordnung?“

Er nickte. „Geht klar.“ Sie sah ihn an und presste die Lippen fest aufeinander, wahrscheinlich verkniff sie sich so das „Und seien sie bitte pünktlich“. Ein weiterer Pluspunkt für sie. Er dankte es ihr mit einem kleinen Lächeln. Sie wandte sich rasch ab.

Nachdem er die Unterlagen in seine Sporttasche gestopft hatte, ging er neben Karo die Wendeltreppe hinunter. Sie war so eng, dass sein Arm den ihren streifte. Während sie darauf warteten, dass der Fahrstuhl kam, begann Karo wieder zu sprechen, beinahe mechanisch. Er konnte aus jedem Wort ihre Müdigkeit heraushören.

„Wir sind hier nur kurzfristig untergebracht. Leider. Die Räume sind schön, wenn auch eine Klimaanlage nicht schlecht wäre. Am Ende wird hier wohl auch eine Event-Location oder eine Bar untergebracht werden, so wie es schon im Südturm der Fall ist. Vielleicht wird es auch eine Galerie. Na ja, wir werden sehen. Ansonsten befinden sich in beiden Türmen ausschließlich Wohnungen; Mietwohnungen, alle noch durch eine Wohnbaugesellschaft verwaltet. Hier wohnen `ne Menge verdienter Genossen, Leute, für die die DDR ein gelobtes Land war, in dem sie Karriere gemacht haben. Die Wohnungen hier waren Prestigeobjekte, da kam keiner rein, der nicht die richtigen Kontakte hatte und die richtige Einstellung. Die meisten der Genossen wohnen bis heute hier.“

Nordhäuser grinste. „Genossen? Ist das nicht ein bisschen übertrieben? Mehr als zwanzig Jahre nach der Wende?“

Sie schüttelte entschieden den Kopf. „Ich übertreibe nicht. Gewöhnen Sie sich dran: Wir sind hier mitten in dem Land, das mal die DDR war. Die Wende hat in vielen Köpfen nicht stattgefunden.“

Der Fahrstuhl war endlich da, die Tür öffnete sich, und Nordhäuser dachte gerade noch rechtzeitig daran, Karo den Vortritt zu lassen. „Und was sagen die Genossen dazu, dass wir jetzt in ihrem Turm sitzen?“, fragte er.

Karo lachte. „Davon wissen sie nichts. Niemand weiß, dass wir hier Stellung bezogen haben. Auf Nachfrage sind wir eine Immobilienfirma, die die Räume hier zwischennutzt. Wir nehmen nur Kollegen mit rauf, keine Zeugen, keine Verdächtigen; für Vernehmungen nutzen wir die Räume der Polizeidirektion 1 in der Pankstraße.“

Sie schwiegen, bis der Fahstuhl das Erdgeschoss erreicht hatte. Als sie auf den Platz am Frankfurter Tor traten und der Verkehrslärm sie wie eine Brandung traf, reichte ihm Karo die Hand.

„Willkommen in Berlin, Nordhäuser. Wenn ihnen die Genossen hier unheimlich sind, müssen Sie in diese Richtung.“ Sie hob die Hand und deutete die Warschauer Straße hinunter. „Da geht’s in den Westen, Oberbaumbrücke, über die Spree nach Kreuzberg. Wenn’s Ihnen im Osten gefällt: In der Palisadenstraße gibt es die Pension Ritter, ich hab da öfter schon Freunde und Verwandte untergebracht. Da ist ein Zimmer für sie reserviert. Gute Nacht und bis morgen.“ Sie drückte ihm noch einen Prospekt in die Hand, lief über die Ampel, winkte ein Taxi heran und stieg ein. Er hatte keine Ahnung, wo sie jetzt hin fuhr, ja eigentlich, dachte er, weiß ich nichts über diese Frau.

In seinem Auto, das er in der Rigaer Straße wiederfand, nachdem er vom Bersarinplatz aus zunächst in den Weidenweg hineingegangen war, fand er zum Glück noch ein paar Müsliriegel und eine warme Dose Cola. Er war wirklich völlig fertig, was natürlich auch kein Wunder war. Dann rief er in der Pension Ritter an. Die Frau an der Rezeption war auf eine beinahe übertriebene Weise freundlich, fand er. Er müsse, wurde ihm gesagt, den Weidenweg entlang fahren, dann käme er auf die Friedenstraße, von der er sofort links in die Palisadenstraße abbiegen müsse. Zusätzlich zu der detaillierten Wegbeschreibung nannte sie ihm noch die Koordinaten für das Navigationsgerät, aber da er so etwas nicht besaß, würde er die Pension auch so finden müssen. Natürlich, was sonst! Er brauchte keinen technischen Schnickschnack, um sich zurechtzufinden. Ein paar Punks liefen an seinem Wagen vorbei und verschwanden durch ein Tor, über dem mit Parolen vollgeschmierte Bettlaken hingen. Offensichtlich hatte man es beim Aufhängen so eilig gehabt, dass man nicht einmal das Trocknen der Farbe abgewartet hatte. Lange rote Farbnasen schmückten jeden einzelnen Buchstaben. Nordhäuser startete den Wagen und fuhr los. Er umrundete drei Mal den Bersarin-Platz, bis er endlich auf der richtigen Spur war und in den Weidenweg abbiegen konnte. Minuten später parkte er bereits vor der Pension. Gut, sagte er sich, auf zu neuen Ufern!

Nachdem er das Zimmer für eine Woche gebucht hatte – die hübsche junge Frau an der Rezeption war tatsächlich die Freundlichkeit in Person, bestand aber auf der Woche – nahm er zuerst einmal eine Dusche. „Du stinkst wie ein Eber“, sagte er mehrmals halblaut vor sich hin, „aber da stehen die Mädels ja drauf. Aber hallo. Du stinkst echt wie ein Eber.“ Dann zog er, sich dabei abtrocknend, die Unterlagen aus seiner Tasche, legte sie auf den Nachttisch und warf sich nackt aufs Bett. Die Matratze war steinhart, fast wäre sein bestes Stück in Mitleidenschaft gezogen worden. „Scheiße“, sagte er zu sich selbst. „Pass doch auf. Wir brauchen dich noch, und zwar im Ganzen.“ Seit Marie ihn verlassen hatte, erwischte er sich immer öfter dabei, dass er mit sich selbst sprach. Manchmal sogar in der Öffentlichkeit. Egal, dachte er. Das baut Stress ab. „Der erste Fall also“, sagte er dann laut, „Jan, mein Junge, mach das Beste draus! Auch wenn es nur eine Selbstmörderin ist, die als Leiche quer durch Berlin läuft, um sich in einem Wald zur Ruhe zu betten.“ Er streckte die Hand nach den Unterlagen aus, sie sank schwer auf den dicken Papierstapel. Er musste das Zeug unbedingt noch heute lesen. Morgen früh wäre er dafür viel zu kaputt, das wusste er jetzt schon.

Die Engel am Teufelssee

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