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Mephistopheles

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Der Name Mephistopheles kommt in Varianten nur in den überlieferten Faustbüchern vor; über seine Bedeutung gibt es mehrere Vermutungen: Er wird zum Beispiel als Lügner, als Zerstörer oder das Wesen, welches das Licht nicht liebt, bezeichnet. Faust verortet den Teufel auch in diesem Kontext: »Wenn man euch Fliegengott, Verderber, Lügner heißt.« (V. 1334) Goethe legt seinen Teufel vielgestaltig an, was erst im ausgehenden 18. Jahrhundert möglich ist: »Anders als im 16. Jh., aus dem Goethe ihn in eine Dichtung seiner eigenen Zeit holte, hat der Teufel seine leibhaftige Glaubenswirklichkeit hier verloren und wird damit verfügbar für ein freies Spiel der Bedeutungen und Rollen, die er selber sich zuschreibt, oder in denen die anderen ihn wahrnehmen.«4

Mephisto übernimmt viele Rollen in Goethes Tragödie, er ist der Intrigant, der Kuppler, der Zyniker, aber auch der Schalk, wie etwa in der Universitätssatire (V. 1844–2050), in der er den Studenten an der Nase herumführt, und zuweilen ist er selbstironisch: »Ich möcht mich gleich dem Teufel übergeben, / Wenn ich nur selbst kein Teufel wär!« (V. 2809 f.)

Mephisto weiß auch, dass er »keiner von den Großen« (V. 1641) ist. Seine Der Teufel ist nicht so mächtigMacht ist in der Tat begrenzt; schon die vermeintliche Wette mit Gott, die keine ist, brüskiert ihn, weil er von Anfang an chancenlos ist. Der Herr lässt ihn aber gewähren, er darf das Experiment auf Erden mit Faust vollziehen, und Gott wird das Treiben gelassen beobachten, wobei er den Teufel nicht verachtet, weil er weiß, dass er eine wichtige Funktion in der Mephisto als elementarer Bestandteil der WeltWelt übernimmt: »Des Menschen Tätigkeit kann allzu leicht erschlaffen, / Er liebt sich bald die unbedingte Ruh; / Drum geb ich gern ihm den Gesellen zu, / Der reizt und wirkt, und muss, als Teufel, schaffen.« (V. 340–343) Damit erhöht der Herr ihn zum Mitspieler. Mephisto indessen spiegelt Gottes Funktionszuordnung auf seine Art: Er bezeichnet sich selbst als einen »Teil von jener Kraft, / Die stets das Böse will und stets das Gute schafft.« (V. 1335 f.)

Auch auf der Erde macht Mephisto nicht immer eine gute Figur. Als Faust ihn darum bittet, ihn schnell mit Margarete zu verkuppeln, macht er nicht gerade einen souveränen Eindruck: »Über die hab ich keine Gewalt!« (V. 2626) Erst als der Gelehrte ihn unter Druck setzt, willigt er ein, bittet sich aber erstaunlicherweise viel Zeit aus: »Ich brauche wenigstens vierzehn Tag, / Nur die Gelegenheit auszuspüren.« (V. 2640 f.)

Im »Prolog im Himmel« singen die drei Erzengel ein Loblied auf Gottes Schöpfung. Als Mephisto diesen heiligen Bezirk betritt und mit Gott redet, lästert er über die Mephistos MenschenbildMenschen, die sich vergeblich auf der Erde schinden und sich mühen. Es ginge ihnen besser, wenn der Herr ihnen nicht die Vernunft gegeben hätte, denn die Menschen benutzten sie nur zu einem Zweck: um »tierischer als jedes Tier zu sein.« (V. 286) Mephisto reduziert hier den Menschen – und auch Faust – nur auf seine Triebhaftigkeit, deshalb verkennt er, dass Personen sich durchaus »des rechten Weges […] bewusst« (V. 329) sein können. Hier irrt sich der Teufel tragisch, und das wird ihm zum Verhängnis, zumal er am Ende von Faust II mit leeren Händen dasteht, eben ohne Fausts Seele, weil diese in den Himmel kommt. Schon in der Kerker-Szene hätte er lernen können, dass Gott Menschen erlöst. Als er nach Margaretes Gebet triumphierend ruft: »Sie ist gerichtet!« (V. 4611), kommt prompt die knappe Antwort aus dem Himmel: »Ist gerettet!« (V. 4611)

Der Teufel dagegen ist Repräsentant der sinnlichen und Mephistos Machtsphäre: das Triebhaftetriebhaften Gegenwelt, er fühlt sich am wohlsten auf heidnischem Boden, etwa in der »Hexenküche« – dort sitzt er »wie der König auf dem Throne« (V. 2448) – und in der »Walpurgisnacht«.

Mephisto passt sich zudem, was sein Der Teufel legt Wert auf sein ÄußeresAussehen angeht, opportunistisch an den Zeitgeist an: »Wo siehst du Hörner, Schweif und Klauen? / Und was den Fuß betrifft, den ich nicht missen kann, / Der würde mir bei Leuten schaden; / Darum bedien ich mich, wie mancher junge Mann, / Seit vielen Jahren falscher Waden.« (V. 2498–2502) Der eitle Teufel kaschiert den Pferdefuß mit einem Futter aus Sägespänen oder Stoff.

Die Geschäftspartner: Faust und der TeufelPartnerschaft zwischen Faust und Mephisto ist komplex. Der Teufel dient dem Gelehrten; auf der anderen Seite ist er aber sein Gegner, der ihn ins Unglück stürzen will. Sobald Faust glücklich scheint, kommt der Teufel ihm in die Quere. Als der Gelehrte in »Wald und Höhle« fast schon entschlossen ist, Margarete zu verschonen, stachelt er ihn an, das Mädchen zu beschlafen und damit ins Unglück zu stürzen.

Literaturwissenschaftler, die einen psychologischen Ansatz bei der Interpretation rund um Faust I ansetzen, stellen die These auf, dass der Teufel Fausts alter ego sei, sein anderes Ich, eben die triebhafte und böse Seite seines Wesens; diese moderne Lesart ist methodisch legitim und eröffnet neue Blickwinkel auf die bizarre Konstellation dieser beiden Figuren. So ist Mephisto durchaus ein scharfzüngiges, sarkastisches und welterfahrenes Wesen mit psychologischem Inventar und nicht, wie in den mittelalterlichen Mysterienspielen, eine Allegorie des Bösen. Faust indes kann in der Partnerschaft mit dem Teufel seine böse Seite auf ihn projizieren. Das entlastet den Gelehrten, weil er so seine zerstörerischen und bösen Kräfte in der anderen Gestalt ausleben kann, was allerdings auch ihn beeinflusst. Das bringt der Teufel treffsicher auf den Punkt: »Du bist doch sonst so ziemlich eingeteufelt.« (V. 3371)

Faust I von Johann Wolfgang Goethe: Reclam Lektüreschlüssel XL

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