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Johann Wolfgang Goethes Tragödie Faust I (1808) ist eines der denkwürdigsten Werke der Weltliteratur. Im »Prolog im Himmel« gibt Gott das Thema des Dramas vor, er erlaubt dem Teufel, den Gelehrten Heinrich Faust auf Abwege zu bringen. Gott eröffnet damit auf der Erde ein Experimentierfeld für den Teufel, der den Gelehrten hemmungslos manipulieren wird.

Faust steckt zu diesem Zeitpunkt in einer schweren Lebenskrise, weil er an den Grenzen der überlieferten Wissenschaft verzweifelt. Der lebensmüde Doktor der Theologie spielt sogar mit dem Gedanken, sich selbst zu töten, bricht aber den Selbstmordversuch ab. Er geht stattdessen einen TeufelspaktPakt mit dem Teufel ein, der ihm dabei helfen soll, sein Lebensglück zu finden. Sollte das dem Teufel gelingen, muss Faust ihm seine Seele als Lohn überlassen.

Mephisto bringt den einsamen Stubengelehrten schnell auf erotische Abwege; er fliegt mit ihm in die Hexenküche, wo ihm die Hexe einen Zaubertrank verabreicht, der Faust um rund 30 Jahre verjüngt und ihn obendrein auf Frauen fixiert – von der Laufbahn als Wissenschaftler ist nun keine Rede mehr.

Faust verliebt sich prompt in Margaretes TragödieMargarete, ein naives bürgerliches Mädchen, das ihn, den Gelehrten, bewundert. Schnell nimmt die Katastrophe ihren Lauf: Sie tötet ungewollt ihre Mutter mit einem Schlafmittel, wird von Faust schwanger; er ersticht ihren Bruder Valentin, der sich an dem Gelehrten rächen will − schließlich ermordet die wahnsinnig gewordene Margarete ihren Säugling. Das Gericht verurteilt sie zum Tod, aber am Ende der Tragödie rettet Gott ihre Seele. Faust sucht zusammen mit dem Teufel das Weite und wacht im zweiten Teil der Tragödie aus einem Heilschlaf auf.

Erst nach Goethes Tod im Jahr 1832 Faust IIwird Faust II veröffentlicht: Dort erlebt der Gelehrte eine wahre Odyssee durch alle Sphären der Welt. Als er schließlich als Hundertjähriger stirbt, verkünden Engel seine Erlösung – seine Seele kommt in den Himmel und Mephisto geht leer aus.

Was kann man in der heutigen Zeit von Faust I lernen, einer Tragödie, die im Spätmittelalter spielt?

Christa Wolf veröffentlichte 1975 ihr Gedankenexperiment Tabula rasa, in dem sie sich die Frage stellt: Wie stünde es um uns, wenn wir niemals Welchen Nutzen hat Weltliteratur?Weltliteratur gelesen hätten? Uns würde Folgendes entgehen: »die Übung und Differenzierung des psychischen Apparats; Schärfung der Sinne, Erweckung der Beobachtungslust, der Fähigkeit, Komik und Tragik von Situationen zu sehen; Heiterkeit aus Vergleich mit Vergangenem zu ziehen, das Heroische als die Ausnahme zu würdigen, die es darstellt, und das Gewöhnliche, das sich immer wiederholt, gelassen zur Kenntnis zu nehmen und womöglich zu lieben.«1

Auch können wir lernen, über diesen Faust zu »staunen«, obwohl er uns zunächst in seinem altertümlichen Kosmos befremdet und vielleicht als verstaubt erscheint. Dennoch ist Faust I – auch über 200 Jahre nach seiner Veröffentlichung – von immenser Aussagekraft und Brisanz: Er verkörpert den Faust = moderner Menschmodernen Menschen mit seinen Sehnsüchten, Leidenschaften, Ängsten, seinem Wissens- und Erkenntnisdrang, aber auch mit seinen Schwächen.

Wir können unsere eigene Existenz mit Goethes Faust neu vermessen, unser Leben mit seinem vergleichen, uns von ihm abgrenzen und uns neu justieren. Er könnte in dem einen oder anderen Lebensbereich Maßstäbe setzen, die unser Verhalten, unser Denken, unsere Gefühle und unsere Wünsche verändern. Christa Wolf schätzt deshalb den Wert solcher literarischer Vorbilder außerordentlich: »Sich messen an den deutlichsten Gestalten aller Zeiten«.

Faust I von Johann Wolfgang Goethe: Reclam Lektüreschlüssel XL

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