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Helfende Hände

Ein gut dressierter Affe, der bei einem querschnittsgelähmten Menschen den Haushalt schmeißt, das ist nur schwer vorstellbar. In den USA, im Land der offensichtlich auch unbegrenzten tierischen Möglichkeiten, ist das aber seit einigen Jahren Realität geworden: „Helping hands“, eine gemeinnützige Organisation im US-Bundesstaat Massachusetts, bildet Affen zu Haushaltshilfen aus, die behinderten Menschen das Alltagsleben erleichtern sollen.

Bei den tierischen Haushaltshilfen handelt es sich nicht etwa um Schimpansen, unsere nächste Verwandtschaft im Tierreich, sondern um Kapuzineraffen, eine relativ kleine Affenart, die in Südamerika zu Hause ist. Und das hat gute Gründe: Schimpansen sind zwar die klügsten Affen, aber ab einem bestimmten Alter, meistens nach rund 7 Jahren, wenn die Tiere geschlechtsreif werden, sind viele dressierte Schimpansen nicht mehr handelbar. Sie hören oft auf, mit „ihren“ Menschen zu kooperieren und verhalten sich sogar ziemlich aggressiv. Dann kann es zu massiven Problemen wie Bissverletzungen kommen. Kapuzineraffen dagegen, die es bei einem Gewicht von rund 4 Kilogramm gerade mal auf eine Größe von 50 Zentimetern bringen, verfügen neben einer hohen Intelligenz vor allem über extrem geschickte Hände. Eine Eigenschaft, die sie in die Lage versetzt, selbst kleinste Knöpfe und Armaturen von diversen Geräten bedienen zu können. Darüber hinaus haben Kapuzineraffen ein ausgesprochen ausgeprägtes Sozialverhalten, sind neugierig und wissbegierig, bleiben ein Leben lang freundlich und sind damit bestens als Pflegekräfte geeignet. Die tierischen „Haushaltsaffen“ kommen vor allem bei querschnittsgelähmten Menschen zum Einsatz – vor allem wenn das Rückenmark so geschädigt ist, dass diese Menschen ihre Arme nur teilweise oder gar nicht benutzen können.

Nach abgeschlossener Ausbildung sind die Affen in der Lage, insgesamt rund 30 unterschiedliche sogenannte „Handreichungen“ zu leisten, die einem Behinderten das Alltagsleben erleichtern. Beispiele sind, dem Patienten die Brille aufzusetzen, ihn an einer juckenden Stelle zu kratzen, eine Zeitung umzublättern, das Mobiltelefon zu holen, das Licht anzuschalten, Besteck aus der Küchenschublade zu holen, den Schraubverschluss einer Flasche zu öffnen bis dahin, eine DVD bzw. CD zu wechseln oder den Müll runterzubringen.

Vor ihrem Einsatz werden die Kapuzineräffchen mehrere Jahre lang im „Monkey-College“ in Boston geschult. Bei Trainingsbeginn sind die Affen idealerweise zwischen 8 und 10 Jahren alt. In der ersten Stufe der Ausbildung bringen die Trainer ihren langarmigen Schülern zunächst mittels eines Laserpointers und einfachen Begriffen, wie „öffne“, „bring“ oder „kratz“, diverse Befehle bei. Danach erlernen die Affen die Funktionsweise von Lichtschaltern, Schubladen und CD-Playern. In der letzten Stufe werden die fortgeschrittenen Schüler in einem sogenannten „Lehrapartment“ mit Rollstuhl, Bett, Bücherregal und Küchenzeile auf den Ernstfall vorbereitet. Das Training beruht auf einem Belohnungssystem: Haben die Kapuzineraffen einen neuen Befehl erlernt, werden sie von ihren Betreuern mit Leckerlis, wie etwa Erdnussbutter, belohnt.

Rund 40.000 US-Dollar kostet die Ausbildung eines Affen zur Haushaltskraft. Auf den ersten Blick ist das nicht gerade billig, aber eben nur auf den ersten Blick: Bei einem Lebensalter eines Kapuzineraffen von rund 40 Jahren rechnet sich eine derartige Investition.

Allerdings sind nicht alle Kapuzineraffen für eine Ausbildung zur Haushaltshilfe geeignet. So gibt es beispielsweise Affen, die sich, aus welchen Gründen auch immer, einfach schlechter trainieren lassen als ihre Artgenossen. Und nicht jeder Affe passt automatisch zu jedem Behinderten: Einige Affen kommen beispielsweise mit Frauen besser klar als mit Männern und umgekehrt. Manche Affen brauchen einen ruhigen Partner, andere einen eher temperamentvollen. Letztendlich sind hier die Trainer gefragt, die ganz genau hinschauen müssen, um zu entscheiden, welchen Affen sie an wen vermitteln.

Doch für viele Patienten sind die Affen viel mehr als nur reine Haushaltshilfen. Oft handelt es sich bei den kleinen Affen eben auch um tierische Therapeuten, die ihrem menschlichen Partner nach ihrem Schicksalsschlag wieder Lebensfreude schenken und auch das Gefühl von behinderten Menschen, isoliert und einsam zu sein, lindern. Ein Kriegsveteran, der im Irakkrieg beide Beine verloren hat, brachte es auf den Punkt: „Der Affe ist der einzige, der mich so nimmt, wie ich bin, und mich nicht als Behinderten sieht.“

Das Halten von Affen als Haushaltshilfen hat aber auch Kritiker auf den Plan gerufen: So bemängeln Tierschützer, dass zum einen ein Haus oder eine Wohnung nicht die richtige Umgebung für Affen ist, die normalerweise ein Leben hoch oben auf Bäumen verbringen. Zum anderen werden die Affen, die sehr soziale Tiere sind und daher den Umgang mit anderen Affen brauchen, allein gehalten. Kritisch werden auch die Ausbildungsmethoden gesehen, die nach Meinung der Tierschützer deutlich zu hart sind. Die Vereinigung der Amerikanischen Veterinärmediziner (American Veterinary Medical Association) hat noch weitere Kritikpunkte ins Feld geführt. Nach Ansicht der amerikanischen Tierärzte besteht ein nicht zu unterschätzendes Risiko, dass die Helferaffen ihren Schutzbefohlenen körperlichen Schaden – etwa durch Bisse – zufügen oder auch gefährliche Krankheiten auf den Menschen übertragen können.

Bei uns in Deutschland wird es wohl in nächster Zeit keine Affen als Haushaltshilfen geben. In Deutschland ist das Halten von Affen nach dem Tierschutzgesetz in einem Privathaushalt nur unter sehr strengen Auflagen erlaubt – keinesfalls aber, wenn lediglich eine Wohnung vorhanden ist.

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