Читать книгу Narren sterben - Mario Puzo - Страница 4
ERSTES BUCH 1
ОглавлениеHört mir zu! Ich will die Wahrheit über das Leben eines Mannes erzählen. Über seine Liebe zu den Frauen und daß er nie Haß gegen sie empfindet. Jetzt denkt ihr, ich liege bereits falsch! Aber hört mir nur weiter zu! Ihr könnt mir glauben: ich bin ein Meister der Magie.
Meint ihr: kann ein Mann eine Frau wirklich lieben und sie gleichzeitig dauernd betrügen? Nicht körperlich natürlich, sondern geistig, sozusagen in der „Poesie seiner Seele“. Nun gut, es mag nicht leichtfallen, aber die Männer haben es immer getan.
Oder wollt ihr wissen, wie Frauen euch lieben können, euch absichtlich mit dieser Liebe füttern, um euren Körper und euren Geist zu vergiften, einfach weil sie euch vernichten wollen? Und wie sie aus leidenschaftlicher Liebe heraus beschließen, euch nicht mehr zu lieben? Und euch gleichzeitig mit einer idiotischen Ekstase den Kopf verdrehen? Unmöglich? Ganz und gar nicht, es‚ gibt Schwierigeres als das.
Ihr braucht nicht davonzurennen. Das hier ist keine Liebesgeschichte!
Ich will euch die schmerzliche Schönheit eines Kindes erleben lassen, die tierhafte Geilheit des Mannes, die sehnsuchtsvolle, selbstmörderische Launenhaftigkeit des Weibes. Und dann – und hier wird es schwierig – will ich euch zeigen, wie die Zeit Mann und Frau umdreht, sie Körper und Seele tauschen läßt.
Dann gibt es natürlich die „wahre“ Liebe. Hiergeblieben! Es gibt sie wirklich, oder ich werde sie erschaffen. Ich bin nicht umsonst ein Meister der Magie. Ist sie wert, was sie kostet? Und wie steht’s mit der Treue im Sex? Klappt das? Ist das Liebe? Ist es überhaupt menschlich, dieses perverse Verlangen, bei nur einem Partner zu bleiben? Und wenn es nicht funktioniert, bekommt man dann dennoch eine Belohnung, weil man’s versucht hat? Und beides zugleich geht nicht? Nein, sicher nicht, das ist klar. Und doch...
Leben ist eine komische Sache, und es gibt nichts Drolligeres als Liebe, die durch die, Zeit reist. Aber ein wahrer Meister der Magie kann sein Publikum gleichzeitig zum Lachen und Weinen bringen. Der Tod ist eine andere Geschichte. Über den Tod mache ich keine Witze. Er liegt außerhalb meiner Macht.
Ich warte beständig wachsam auf den Tod. Mich trickst er nicht aus. Ich erkenne ihn immer sofort. Er tritt gern in biederer Verkleidung auf: als lustige Warze, die plötzlich wächst und wächst; als dunkles, haariges Muttermal, das seine Wurzeln bis zum Knochen vorantreibt. Oder er versteckt sich in hübschen kleinen Fieberröschen. Und dann taucht er plötzlich auf, der grinsende Totenschädel, und packt sein Opfer unversehens. Nicht bei mir! Ich warte auf ihn. Und ich treffe meine Vorkehrungen.
Genau wie der Tod ist auch die Liebe mühselig und kindisch, obgleich die Menschen stärker an sie glauben als an den Tod. Frauen sind da wieder anders. Ihr mächtiges Geheimnis ist, daß sie die Liebe niemals ernst nehmen und nie wirklich ernst genommen haben.
Noch einmal: Das hier wird keine Liebesgeschichte. Steckt euch mal die Liebe in die Tasche. Ich werde euch die Macht in ihrer ganzen Spannweite demonstrieren. Zuerst ist da das Leben eines armen, mühsam ringenden Schriftstellers. Talentiert. Empfindsam. Vielleicht ein bißchen genial. Ich zeige euch, wie man den Künstler zur Sau macht wegen seiner Kunst, und warum er das verdammt auch verdient: Dann zeige ich ihn als cleveren Gesetzesbrecher, der sich nie besser gefühlt hat. Ah, welch Freude für einen wahren Künstler, wenn er endlich zum Gauner wird! Endlich hat seine wahre Natur die Hüllen durchstoßen. Nichts mehr von dümmlichem Herumgetue und -gerede über seine Ehre. Der Kerl ist ein Stricher, einer, der stillschweigend mitmacht. Ein Feind der Gesellschaft, und das ganz öffentlich, statt daß er sich hinter seiner Hure Kunst versteckt. Wie erleichternd! Was für eine Freude! Was für ein heimliches Vergnügen! Und dann wird er wieder ein anständiger Mensch, denn es ist die reinste Plackerei, Gauner zu sein.
Man hat allerdings dabei gelernt, die Gesellschaft zu akzeptieren und seinen Mitmenschen zu vergeben. Wer so weit kommt, sollte kein Gauner mehr sein, außer er braucht das Geld wirklich.
Danach geht es weiter mit einer der erstaunlichsten Erfolgsstorys der Literatur. Mit dem Privatleben der Giganten des Kulturbetriebs. Vor allem eines exemplarischen Widerlings unter ihnen. Die Schickeria eben ... Jetzt haben wir also die Welt der armen, ringenden Genies, die Welt der Gauner und die Welt der arrivierten Literaten. Das Ganze verbrämt mit viel Sex und einigen Schaumspritzern Gedankenschwere, die aber niemandem den Kopf verwirren soll, ja sich vielleicht gar nicht so uninteressant liest. Und dann gibt es ein echtes pompöses Hollywood-Ende, bei dem unser Held alles in sich hineinschlingt: Preise, Geld, Ruhm, schöne Frauen. Und schließlich ... bleibt da und hört mir zu ... wandelt sich alles zu Asche.
Nicht genug? Alles schon einmal gehört? Vergeßt nicht, ich bin Meister der Magie! Ich kann euch alle diese Leute leibhaftig machen. Ich kann euch zeigen, was sie wirklich denken und fühlen. Ihr werdet um sie weinen, um jeden von ihnen. Oder vielleicht auch nur lachen. Auf jeden Fall eine Menge Spaß haben. Und etwas über das Leben lernen. Was einem allerdings im Grunde nichts nützt.
Ich weiß, was ihr denkt: Der raffinierte Hund will uns bloß dazu bringen, umzublättern. Aber wartet nur ab! Ich will nur eine Geschichte erzählen. Was ist daran so schlimm? Wenn ich sie ernst nehme, heißt das nicht, ihr müßt sie auch ernst nehmen. Ergötzt euch daran.
Ich will eine Geschichte erzählen, nichts sonst. Ich wünsche mir weder Ruhm noch Erfolg, noch Geld. Aber nichts ist leichter als das; die meisten Männer und Frauen wünschen sich das auch nicht, im Grunde. Noch besser, ich will auch keine Liebe. Als ich jung war, sagten mir einige Frauen, sie liebten mich wegen meiner langen Wimpern. Ich ließ es mir gefallen. Später war es dann mein Witz. Dann mein Einfluß und mein Geld. Danach mein Talent. Dann mein Geist. Okay, mit dem allem kann ich fertigwerden. Die einzige Frau, die mir Entsetzen einjagen kann, ist die, die mich um meiner selbst willen liebt. Für die habe ich Vorbereitungen getroffen. Gifte und Dolche und düstere Gräber in Höhlen, um ihren Kopf zu verscharren. Eine solche Frau kann man nicht am Leben lassen. Besonders wenn sie auch noch sexuell treu ist, niemals lügt und einen stets allen und allem vorzieht.
Es wird hier ziemlich viel von Liebe die Rede sein, aber es ist keine Lovestory. Sondern ein Buch über den Krieg. Den uralten Krieg zwischen Männern, die gute Freunde sind. Und den großen „neuen“ Krieg der Frauen gegen die Männer. Das ist eine alte Geschichte, sicherlich, die aber jetzt offen zutage tritt. Die Kämpfer der Frauenbewegung rühmen sich, etwas Neues entdeckt zu haben, dabei sind bloß ihre Guerilleros aus ihren Unterschlupfen gekommen. Die scheinbar sanften, unterwürfigen Frauen haben den Männern seit ewigen Zeiten Fallen gestellt: an der Wiege, in der Küche und im Schlafzimmer. Und am Grab ihrer Kinder, dem geeignetsten Ort, einen Schrei nach Erbarmen zu überhören.
O weh, denkt ihr, der hat was gegen die Frauen. Doch ich habe sie niemals gehaßt. Und sie kommen bei mir besser weg als die Männer, ihr werdet sehen. Wahr ist allerdings, daß es stets nur Frauen gelungen ist, mich unglücklich zu machen. Und sie haben es seit meinen frühesten Kindertagen getan. Das gleiche wie ich könnten aber die meisten Männer sagen. Es gibt nichts, was man dagegen tun könnte.
Kein kleines Vorhaben, das alles! Ich weiß ... ich weiß, das Ganze sieht sehr verführerisch aus. Aber Vorsicht! Ich habe so meine Tricks als Geschichtenerzähler. Und ich bin nicht eine von euren verletzlichen Künstlerseelen. Dagegen habe ich mich gefeit gemacht. Und ich habe noch ein paar Überraschungen im Ärmel.
Aber genug jetzt. Laßt mich anfangen. Und laßt mich enden.