Читать книгу Grausame Wahrheit - Das dritte Opfer - Marion Selbmann - Страница 6

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Kapitel 6

Im Präsidium angekommen, fanden sie ihren Chef hektisch diskutierend zwischen den Kollegen stehend. Er drehte sich abrupt um als Hektor und Kai den Raum betraten.

„Habt ihr was Handfestes rausgefunden?“ fragte er.

Hektor ignorierte den hoffnungsvollen Blick seines Vorgesetzten.

„ Nicht wirklich. Also für mich ist Frau Mehners Bruder nicht besonders intelligent und nur ein Schwätzer, mehr nicht.

Und zur Tatzeit war er angeblich mit einem Kumpel zusammen. Ich glaube nicht, das er mit dem Verschwinden von Martin etwas zu tun hat.“

Der Chef schnaufte hörbar.

Plötzlich flog die Tür auf. Ein junger Polizist rief, im Türrahmen stehen bleibend, ganz außer Atem,

„Wir haben eine Spur im Fall des verschwundenen Mädchens aus Adorf.“

Er atmete heftig.

„Wo die Familie der Kleinen wohnt, haben damals doch Anwohner einen Mann herumlungern sehen und der konnte jetzt endlich identifiziert werden. Es handelt sich bei dem Mann um Horst Graf und der ist erst kürzlich aus der Haft entlassen wurden.

„Na los, worauf warten wir“! brüllte Hektor und klopfte Kai auf die Schulter.

Hektor schwitzte in seiner Uniform. Die schusssichere Weste darunter tat ihr Übriges.

Es war fast Mittag und die Sonne schien erbarmungslos vom wolkenlosen Himmel. Er, Kai und noch zwei weitere Kollegen, waren dabei den Hang zum Haus des Verdächtigen zu erklimmen. Sie hatten einsehen müssen, dass es mit dem Streifenwagen nicht möglich war, den schmalen Weg zu befahren. Endlich standen sie in einem verfallenen Gehöft. Das Grundstück sah aus als wäre es seit Jahren nicht mehr betreten worden. Das Haus selbst erweckte mit seiner grauen Fassade, den winzigen Fenstern und dem reparaturbedürftigen Dach denselben Eindruck. Hektor konnte keine Klingel finden. Er hämmerte gegen die hölzerne Haustür. Nichts regte sich.

Hektor rief: „Polizei!,“ und trat die Tür ein.

Es war eine Situation wie in einem schlechten Horrorfilm. Es herrschte trotz des herrlichen Wetters draußen Dunkelheit im Haus. Überall lag Müll herum. Essensreste quollen aus der Spüle in der Küche. Ein bestialischer Gestank erfüllte die Räume.

„Wie kann man nur so leben?“

Kai hielt sich mit der linken Hand die Nase zu. Hektor gab Anweisung, dass die Kollegen Keller und Schuppen untersuchen sollten. Ein Pfiff aus dem Untergeschoss deutete darauf, dass ein Kollege etwas entdeckt hatte.

„Seht mal hier.“

Der junge Beamte war kreidebleich. Er deutete mit dem Finger auf eine Kühltruhe, die gleich neben der Kellertür in einer Nische stand. Der Deckel stand bereits offen.

„Ach du Scheiße.“

Hektor beugte sich über die gefrorene Kinderleiche.

Beklemmendes Schweigen legte sich über das grausige Szenario.

„Holen wir uns die Drecksau.“

Hektor klappte den Deckel der Truhe zu.

Kapitel 7

Horst Graf war ein großer Mann mit einem mächtigen Körper. Das graue Haar trug er kurz geschnitten. Seine Haut war gerötet, ungepflegt und rau. Aber am auffälligsten waren die Augen. Unter buschigen Augenbrauen blickten beinahe schwarze, irgendwie tote Augen hervor. Glanzlos und unbarmherzig. Die Beamten hatten ihn schlussendlich in einem Sexshop aufgegabelt, wo der Mann sich widerstandslos festnehmen ließ. Er saß auf einem der Stühle, die Unterarme lagen auf dem grauen, matt glänzenden Tisch. Er betrachtete seine Hände und schaute, als das Verhör begann teilnahmslos auf die hellgraue Wand vor sich.

Hektor verfolgte das Verhör seiner Kollegen mit gemischten Gefühlen. In seinen Augen hätte der Kerl, der wegen Kindesmissbrauch schon 8 Jahre in Haft war, nie entlassen werden dürfen.

Für ihn war es nun nur wichtig herauszufinden, ob dieser Mensch auch mit dem Mord an Martin in Verbindung gebracht werden konnte.

„Erzählen sie uns doch mal Herr Graf, wie sie die kleine Marie kennengelernt haben.“, fragte soeben einer der Kollegen.

Horst Graf lächelte schief.

„Sie ging immer zum Spielplatz. Meist war sie allein. Manchmal war ihre Mutter dabei. Einmal, als sie mich sah, lächelte sie mich an.“

Er verdrehte die Augen und leckte mit der Zunge über seine Unterlippe.

Der Verdächtige gestand alles. Er schien es zu genießen jede Einzelheit seines abscheulichen Verbrechens aufzuzählen. Seine Ausführungen brachten die Ermittler an die Grenzen des Erträglichen.

Mir wird gleich schlecht denkt Hektor, bevor er sich schließlich an den Verbrecher wendet.

„Sagen sie Herr Graf. Mögen sie auch kleine Jungen?“

Das Gesicht des Mörders verzog sich wie in Abscheu.

„Was will ich denn mit Jungen? Ich mag nur Mädchen, die sind so süß.“

Hektor strich sein Haar mit beiden Händen nach hinten. Er atmete schwer.

Dieser elende Mistkerl steht nur auf Mädchen. Er hat mit dem Verschwinden des Mehner Jungen nichts zu tun, dachte er.

Hektor verließ den Verhörraum und ging zu seinem Kollegen Kai.

„Wir müssen weiter suchen. Er ist zwar der Mörder von Marie, aber nicht der von Martin.“

Hektor und sein Team stürzten sich nun wieder in die Aufgabe, den Mörder von Martin zu fassen.

Die Stimmung war gedrückt. Obwohl es befriedigend war, einen hoch gefährlichen Kindermörder seiner Strafe zuzuführen, blieb ein bitterer Beigeschmack.

Es war bereits einundzwanzig Uhr durch. Bis auf Hektor und seinen Chef, waren alle nach Hause gegangen.

„Geh Heim. Ruh dich aus. Morgen haben wir einen Haufen Arbeit vor uns.“

Hektor wollte widersprechen, doch sein Boss gab ihm mit einer mürrischen Geste zu verstehen, dass er keinen Widerspruch duldete. Kommissar Hektor Stark verabschiedete sich wortlos.

Der Zeiger der Uhr zuckte. Mitternacht. Hektor saß auf dem Sofa in seiner sechzig Quadratmeter großen Wohnung. Er versuchte sich auf das Fußballspiel im Fernsehen zu konzentrieren, was ihm jedoch nicht recht gelingen wollte.

Er stand auf, um sich eine weitere Flasche Bier aus dem Kühlschrank zu holen. Er vermied es das Licht anzuschalten. Seine kürzlich gescheiterte Beziehung hatte ihn Anfangs ein wenig aus der Bahn geworfen. Allen Schnick Schnack, wozu auch die Gardinen gehörten, hatte er entfernt. Jetzt hatte er das unbestimmte Gefühl, das die zwei alten Leute, die direkt gegenüber wohnten, in sein Wohnzimmer sehen konnten, wenn das Licht brannte. Hektor öffnete die Flasche und flegelte sich auf das grüne Sofa, ohne Kissen. Die hatte er ebenfalls entsorgt.

Wenige Minuten später fiel Hektor in eine Art Halbschlaf. Er sah sich als Kind, mit blonden Locken und Zahnlücken. Er war sechs Jahre alt, als seine Mutter spurlos verschwand. Sein Vater war völlig überfordert und so musste der kleine Hektor zu seinen Großeltern väterlicherseits ziehen. Das Haus war alt und heruntergekommen. Oma Lisa war streng, nicht nur zu ihm, auch Opa Erwin hatte nicht viel zu lachen. Der kleine Hektor lernte früh sich zu verstellen und zu lügen, wenn es nötig war.

In der Schule hatte er kaum Probleme. Er fand schnell Anschluss, hatte viele Freunde und konnte mit seiner charmanten Art sogar bei den Lehrern punkten.

Mit sechzehn bemerkte der Junge, das der Drang seine Mutter zu finden immer stärker wurde. Wenn sie tot war, dann wollte er wissen warum. Dies beeinflusste auch seine Berufswahl. Da er sportlich und blitzgescheit war, wurde er Polizist und schließlich Kommissar bei der Kripo.

Grausame Wahrheit - Das dritte Opfer

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