Читать книгу Gefangen in Nordkorea - Mark Tabb - Страница 9

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Prolog

Ein paar Wochen, bevor ich mit dem Schreiben dieses Buches begann, dachte ich zum ersten Mal wieder daran, in die weite Welt zu reisen. Als Missionar habe ich eine lange Liste von Orten, die ich gerne besuchen und wo ich gerne arbeiten würde. Aber bevor ich für längere Zeit in ein Land reisen kann, muss ich erst ein Visum bekommen, und in jedem Visumsantrag steht unter anderem die Frage: „Sind Sie schon einmal wegen eines Verbrechens verurteilt worden?“ Es wird nicht danach gefragt, ob ich zu Recht verurteilt wurde oder ob der Rest der Welt das Urteil gerecht fand. Da steht nur: „Sind Sie schon einmal wegen eines Verbrechens verurteilt worden?“

Ich muss diese Frage wahrheitsgemäß beantworten, also muss ich „Ja“ ankreuzen.

Auf die erwähnte Frage folgt unweigerlich eine zweite Frage: „Falls ja, was war dieses Verbrechen?“

Tja, wie soll ich hier antworten? Wenn ich die wortwörtliche Wahrheit sage, wird wohl kaum ein Land der Welt mir ein Visum geben, denn laut meiner Haftakte bin ich ein Terrorist, der wegen umstürzlerischer Umtriebe gegen die Regierung der „Demokratischen ­Volksrepublik Korea“ (auch als Nordkorea bekannt) angeklagt und für schuldig befunden wurde. Nach meiner Verhaftung eröffnete der nordkoreanische Staatsanwalt mir, dass ich der gefährlichste amerikanische Verbrecher sei, der in den sechzig Jahren, seit der Koreakrieg die Teilung der ­koreanischen Halbinsel zementierte, verhaftet worden war. Wäre ich kein US-Staatsbürger gewesen, man hätte mich womöglich zum Tode verurteilt, mindestens aber zu lebenslänglicher Haft, ohne die Möglichkeit einer vorzeitigen Freilassung. Stattdessen wurde ich „nur“ zu fünfzehn Jahren Arbeitslager verurteilt.

Was hatte ich getan, was für Nordkorea solch eine Gefahr darstellte? Was waren meine terroristischen Aktivitäten?

Ich bin Missionar.

Für das nordkoreanische Regime ist ein Missionar das Gleiche wie ein Terrorist. Die beiden Ausdrücke sind austauschbar. Wie Sie in diesem Buch entdecken werden, betrachtet die Regierung von Nordkorea das Evangelium von Jesus Christus als tödliche Gefahr. Sie weiß genau: Wenn sie es zulässt, dass die Botschaft von Jesus in ihrem Land unter die Leute kommt, wird sie fallen, ja wird das gesamte System in Nordkorea fallen. Und so wurde ich wegen eines Komplotts zum Sturz der Regierung angeklagt und verurteilt – obwohl ich in Nordkorea nie eine einzige Bibel verteilt oder auch nur einen einzigen evangelistischen Gottesdienst gehalten hatte. Alles, was ich getan hatte, war, dass ich Besucher in das Land brachte, um für das Volk von Nordkorea zu beten. Das reichte, um mich als „Terroristen“ ins Gefängnis zu bringen.

Das kommunistische Regime in Nordkorea hat das Christentum schon immer als schwere Bedrohung betrachtet. Vor dem Zweiten Weltkrieg, als es nur ein Korea gab, lebten im Norden interessanterweise mehr Christen als im Süden. 1907 begann in Pjöngjang eine riesige Erweckung, in der Tausende zu Christus fanden und die Pjöngjang den Spitz- und Ehrennahmen „Jerusalem des Ostens“ einbrachte.

Heute erinnern sich nur noch wenige daran, dass es diese Erweckung je gab. Die sie damals erlebten, sind längst gestorben. Aber Gott hat das Werk, das er damals in Korea tat, nicht vergessen. Mein „Verbrechen“ war, dass ich durch dieses Land reiste und Gott darum bat, was er damals getan hatte, wieder zu tun. Dies machte mich in den Augen der Machthaber zu einem brand­gefährlichen Verbrecher und Terroristen.

Wahrscheinlich bin ich das heute noch, denn ich bete ja weiter für Nordkorea.

Ich liebe das nordkoreanische Volk und hoffe sehr, eines Tages wieder in das Land reisen zu können. Beim Lesen meiner Geschichte werden Sie einen Eindruck davon bekommen, wie das Leben des Durchschnittsbürgers in einem der am meisten abgeschotteten Länder der Erde aussieht. Die Nordkoreaner haben sich dieses Leben nicht ausgesucht. Sie leben in völliger Finsternis, total abgeschnitten vom Rest der Welt. Alles, was sie kennen und glauben, ist die Propaganda, mit der sie tagein, tagaus im staatlichen Radio und Fernsehen, in den Schulen und Zeitungen und allem, was es an Informationskanälen gibt, bombardiert werden. Sie haben das Leben vor der Zeit ihres „Großen Führers“ vergessen – das Leben, in dem die Sonne schien.

Ich bete, dass Sie beim Lesen meiner Geschichte ebenfalls ein Herz für die Menschen in Nordkorea bekommen. Sie haben keine Stimme, aber Sie und ich, wir können zusammen diese Stimme werden. Gott hat die Menschen in Nordkorea nicht vergessen, und ich schreibe dieses Buch, damit auch Sie sie nicht vergessen.

Gefangen in Nordkorea

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