Читать книгу Fußballgames. 100 Seiten - Markus Böhm - Страница 4
ОглавлениеWir hassen uns nicht. Wir spielen FIFA
Stellen Sie sich vor, heute Abend ist WM-Finale – und auf Ihnen ruhen die Hoffnungen des ganzen Landes. Sie sind der Star Ihres Teams, es ist das wichtigste Match Ihrer Karriere. Was Sie noch nicht wissen: Es wird zum Elfmeterschießen kommen, Sie müssen als Erster antreten. Wie geht man mit so viel Druck um? Was macht man, bis es endlich losgeht?
FIFA spielen natürlich. Das jedenfalls hat Andrea Pirlo getan, 2006, bevor er mit Italien gegen Frankreich Weltmeister wurde und seinen Elfer hoch und mittig im Tor unterbrachte.
FIFA, 1993 gestartet und seitdem mindestens einmal pro Jahr fortgeführt, ist eine der erfolgreichsten Games-Reihen überhaupt. FIFA ist ein Spiel, das ablenken, aber noch besser aufwühlen kann. Weltstars wie Pirlo und Lionel Messi sind ihm genauso verfallen wie unzählige Gamer und Fußballfans: In nun über 25 Jahren wurden weltweit mehr als 260 Millionen Exemplare verkauft, allein FIFA 18 fand über 24 Millionen Abnehmer.
Seit es Fußballvideospiele gibt, bringen sie Menschen zusammen – aber auch gegeneinander auf, in Form oft epischer Schlachten voller Traumtore und Brutalo-Fouls. Jeder, der mal FIFA oder Pro Evolution Soccer (PES) gespielt hat, weiß, wie laut es dabei werden kann – und genervte Partner, Eltern oder Mitbewohner wissen das erst recht.
Wir, die Autoren, begeistern uns seit Mitte der 90er Jahre für den virtuellen Fußball. Angefangen haben wir zur Zeit von FIFA 97, FIFA 98 und International Superstar Soccer Deluxe, einem Spiel für das Super Nintendo (SNES), dessen Kommentator mit seinem »Goal, Goal, Goooaaal«-Schrei uns bis heute durch den Kopf geistert.
Seither haben wir uns mit Edding auf Küchentabletts verewigt, die im Freundeskreis als Meisterschalen dienten. Wir haben in FIFA und PES Fantasiewelten erschaffen, in denen wir die einzige Hoffnung von Klubs wie Werder Bremen waren, die Champions League zu gewinnen.
Kennengelernt haben wir beide uns vor einigen Jahren in unserer Redaktion – nach der Arbeit, bei ein paar Matches an der Konsole. Seitdem duelliert sich Netzwelt-Redakteur Böhm ständig mit seinem Sport-Kollegen Montazeri.
Wer über Fußball spricht, benutzt viel zu häufig Militärmetaphern, unsere Spiele sind aber tatsächlich Nervenkriege. Wenn die von Grätschen durchzogene Kontertaktik Böhms auf die endlos erscheinenden Pass-Stafetten Montazeris trifft, entstehen Wortgefechte, wie sie nur jenseits des Büros und in gefestigten Freundschaften tolerierbar sind. Zu Recht sagte Autor Montazeri mal, er wisse, dass er ein schlechter Gewinner und ein schlechter Verlierer sei.
Zocker-Rivalitäten wie unsere gibt es millionenfach in Deutschland, zwischen Arbeitskollegen, zwischen Freunden, in Familien: Ihnen ist dieses Buch gewidmet. Genauso all jenen, die in »FIFA Ultimate Team« (FUT) auf ihre Lieblingsspieler sparen, und jenen, die Jahr für Jahr mit fiktiven Spielern wie Siegenkude und Castolo durch die PES-Meisterliga marschieren. Und allen, die schon viele Jahre vor uns am Joystick feierten und fluchten.
Dieses Buch ergründet den Reiz der Games. Dafür haben wir Spieleentwickler befragt, aber auch Fußballprofis wie die Nationalspieler Julian Brandt und Jonathan Tah. Mit einem Games-Forscher diskutierten wir, warum Menschen so emotional werden, dass Gamepads durch den Raum fliegen, und wieso es so weh tut, gegen einen Freund zu verlieren, gegen den man eine Minute später doch wieder antritt.
Beim Wiederspielen von Fußballgames-Klassikern kamen uns Kindheitserinnerungen, beim FIFA eWorld Cup in London schauten wir FIFA-eSportlern über die Schulter. Bei Electronic Arts (EA) in Köln wurde uns erklärt, wie die FIFA-Spielerwerte zustande kommen, in Tokio gab uns Konami Einblicke in die PES-Entwicklung.
Auf diesen 100 Seiten mag eines Ihrer Lieblingsspiele fehlen. Am Ende aber schreibt jeder seine eigenen virtuellen Erfolgsgeschichten, in seinem Spiel, seiner Welt, mit seinen Freunden. Oder trotz ihnen.
Finanziell unterstützt hat uns keine Spielefirma. Schwärmen wir von Games, dann aus Überzeugung. Skeptisch sein sollten Sie nur, falls es irgendwo heißt, einer der Autoren sei der bessere Spieler: Diese Behauptung könnte der Gelobte kurz vor Druckfreigabe ins Buch geschmuggelt haben.