Читать книгу DIE ENTSCHEIDUNG - BEGEGNUNG MIT EINEM KANNIBALEN - Markus Dubach - Страница 21
Die Zeit bis zum 10. Oktober
ОглавлениеFür mich beginnt nun eine ausgesprochen schwierige Zeit. Das Warten auf den Befund treibt mich die Wände hoch. Die Folgen eines positiven Befundes [4] sind gravierend: Es stünde eine Komplettausräumung der Lymphknoten an, im schlimmsten Fall auf beiden Seiten, woran ich gar nicht denken mag, denn meine Überlebenschancen nähmen rapide ab und ich bekäme womöglich Ödeme in beiden Armen. Ich müsste also mit den Verstümmelungen meines Körpers klarkommen und mich gleichzeitig mit einem möglicherweise nahen Tod auseinandersetzen.
Zur Furcht vor dem histologischen Befund gesellt sich ein beunruhigendes Ereignis am Abend nach Entlassung aus dem Spital. Ich stelle fest, dass ich blutigen Stuhl habe, und informiere sofort die Ärzte im Inselspital.
»Wir müssen das untersuchen«, ermahnt mich die Ärztin am Telefon. Es sei wohl das Beste, den Darm zu spiegeln.
Ich erzähle dieses Ereignis, weil sich hier zum ersten Mal zeigt, welche Folgen eine Melanomdiagnose für den Betroffenen hat. Da die Krankheit sehr unberechenbar ist, wird praktisch jeder medizinische Vorfall in einen – manchmal nur hypothetischen – Zusammenhang mit dem Melanom gebracht. Ein kleiner Knoten, ein Schwindelanfall oder sonst etwas … bei Melanompatienten wird immer gleich eine Verbindung zur Krebserkrankung hergestellt, egal ob es wahrscheinlich ist oder nicht. Daran werde ich mich noch gewöhnen müssen.
Ich erhalte einen Termin für eine Darmspiegelung im Regionalspital Münsingen, welchen ich am 6. Oktober wahrnehme. Die Untersuchung gibt zum Glück Entwarnung.
Ich erzähle dem untersuchenden Arzt von der Motivation für die Darmspiegelung und dass ich mich vor dem Resultat der histologischen Untersuchung fürchte. Er realisiert wie mir zumute ist und fragt in meiner Anwesenheit im Inselspital nach, ob eventuell schon ein Resultat vorliege. Das wird verneint. »Wenn ein schlechtes Ergebnis herauskommt, müssen Sie das akzeptieren. Das ist Schicksal«, versucht er, mich darauf vorzubereiten. Das ist leichter gesagt als getan, schließlich stecke ich in dieser Situation, nicht er.
Um mich zu beruhigen, schlägt er mir vor, zu Fuß an der Aare entlang nach Hause zu gehen. Ich sehe zwar den Zusammenhang zum eben Besprochenen nicht ganz, befolge aber den Rat. Ich wandere also drei Stunden nach Bern zurück und stelle bereits vor Ankunft eine zunehmende Entspannung fest. Grübelei und Ängstlichkeit schwinden und für einige Stunden gelingt es mir, Distanz zu meinen Problemen zu gewinnen. Ich bin so begeistert von diesem Vorschlag, dass ich mir vornehme, zukünftig regelmäßig zu wandern.